"Mit seiner jetzigen Politik läuft Israel in eine Sackgasse"
Rede von Dr. Rolf Verleger anlässlich der Verleihung des Otto-Hahn-Friedenspreises an Daniel Barenboim
Anlässlich der Verleihung der Otto-Hahn-Friedensmedaille am 22. März 2011 in Berlin hielt Prof. Dr. Rolf Verleger die Laudatio auf den Preisträger. Der Redetext wurde in der Aprilausgabe der monatlich erscheinenden "Jüdischen Zeitung" veröffentlicht und wird in der nächsten Ausgabe der Zeitschrift "Semit" erscheinen. Wir dokumentieren sie im Folgenden - gekürzt lediglich um die Schlusspassagen: das jüdische Gebet MiScheBejrach in Hebräisch, Lautschrift und Deutsch. Mit der Verleihung der Friedensmedaille ehrte die Deutsche Gesellschaft für die Vereinte Nationen Barenboim für sein Engagement für die Annäherung zwischen Israelis und Palästinensern sowie für den grenzüberschreitenden Austausch insbesondere junger Musiker.
Rolf Verleger:
Exzellenzen, verehrter Herr Barenboim, sehr geehrte Frau Dr. Kalb, sehr
geehrter Herr Hahn, sehr geehrter Herr Staatssekretär Schmitz, meine Damen und Herren!
Als ich
von Ihnen,
Frau Dr.
Kalb, die
Anfrage erhielt,
ob ich die Laudatio
auf Herrn Barenboim
halten würde, da musste
ich nicht
lang überlegen.
Ich sagte
gerne zu.
Ich dachte mir, das wäre
endlich
eine
Gelegenheit,
Herrn
Barenboim
persönlich
kennenzulernen.
Es ist
gar nicht
so einfach,
an ihn
heranzukommen.
"Management"
nennt sich
der dreifache
Schutzwall,
der ihn
umgibt
und der
dafür sorgt,
dass er
ungestört
der Tätigkeit
nachgehen
kann, für
die ihn
die Welt
liebt, seit
er im
Alter
von sieben
Jahren
das erste
öffentliche
Konzert
gab:
Musik.
Dafür
muss
er
sich
gegenüber
der
Außenwelt
rar
machen.
Als
Laudator
steht
nun
für
mich
das
Tor
zu
ihm
offen,
ich
schlüpfe
gerne
durch.
Und
ich
sagte
vor
allem
deswegen
gerne
zu,
weil
ich
auch
schon
längst
gerne
ein
Lob
an
ihn
losgeworden
wäre.
Ich
hätte
zum
Beispiel
am
11.
Juni
2010,
letztes
Jahr,
ihm
Folgendes
sagen
mögen:
Sehr verehrter,
lieber Herr
Barenboim,
ich
bin
gerade
beruflich
in
Greifswald,
bin
morgens
um
7h
an
der
Ryke
nach
Wiek
geradelt,
habe
da
an
der
Ostsee
direkt
am
Ufer
ein
Frühstück
bekommen
-
zu
lesen
gab
es
keine
Tageszeitung,
aber
immerhin
die
"Zeit".
Und da las
ich am stillen
Meer im
milden Morgensonnenlicht
Ihr Interview.
Großartig. Jeder Satz
prägnant. Jeder Fakt in
seinen Zusammenhang
gestellt.
Danke.
Mit
herzlichen
Grüßen
Rolf Verleger
So.
Nun
könnte
ich
ja
aufhören.
Aber
ich
glaube,
ich
sollte
doch
noch
das
eine
oder
andere
Wort
anfügen.
Die
Laudatio
wäre
sonst
zwar
herzlich
gewesen,
aber
zu
kurz.
Das
Interview
mit
der
Zeit
handelte
davon,
dass
einige
Tage
zuvor
israelische
Soldaten
die
Mavi
Marmara
in
internationalen
Gewässern
geentert
und
dabei
neun
Menschen
umgebracht
hatten.
Womit
wir
schon
beim
Thema
wären,
dem
Konflikt
um
Israel
und
Palästina.
Aber
fangen
wir ganz vorne an. Daniel Barenboim wurde 1942 geboren, in Buenos Aires. Seine Großeltern waren dorthin ausgewandert, aus dem Reich des russischen Zaren, 1904.
Wie kamen russische
Juden dazu, nach Buenos
Aires auszuwandern? Um die Wende
zum 20. Jahrhundert brandete
in den
großen Imperien
Osteuropas, dem
Zarenreich und
der Habsburger
Monarchie, der
Nationalismus
auf: Die
Völker
Osteuropas
strebten
nach
Autonomie
und
kultureller
Identität,
und
dieses
Streben
hatte
eine
Kehrseite:
den
Hass
auf
diejenigen,
die
als
nicht
zugehörig
definiert
wurden,
und
das
war
vor
allem
die
jüdische
Minderheit.
Im
Zarenreich
war
diese
Kehrseite
besonders
heftig,
weil
die
zaristische
Herrschaft
ganz
bewusst
die
Juden
in
vielerlei
Hinsicht
rechtlos
hielt
und
den
Volksmassen
als
Hassobjekt
gerne
überließ.
1903-1906
sind
die
Jahre
der
großen
Pogrome.
Mehrere
Tausend
Juden
wurden
getötet.
Hunderttausende
Juden
verließen
das
Zarenreich.
Viele
von
ihnen
kamen
nach
Deutschland.
Einige
blieben
hier,
wie
die
Familie
meines
Vaters
1905,
der
damals
fünf
Jahre
alt
war.
Aber
die
meisten
waren
nur
auf
der
Durchreise,
um
von
Hamburg
-
gepfercht
in
Auswandererschiffe
--
in
die
Neue
Welt
zu
kommen,
so
wie
vier
junge
Menschen
aus
dem
Zarenreich,
deren
Enkel
Daniel
Barenboim
wurde.
1942 ist
er also
dort, in
Buenos Aires
geboren. In der
Tat, woanders
als in Buenos
Aires konnte
man als Jude
1942 nicht
geboren werden.
In Europa jedenfalls
nicht. Niemand
aus
meiner
Verwandtschaft
ist
1942
geboren.
1942
wurde
gestorben,
genauer
gesagt:
1942
wurde
man
als
Jude
umgebracht
in
Europa.
Mein
Vater
war
1942
in
Auschwitz,
seine
Frau
und
seine
drei
Kinder
wurden
dort
umgebracht.
Er
hat
überlebt.
Meine
Mutter
wurde
1942
mit
ihren
Eltern
von
Berlin
nach
Estland
deportiert.
Sie
allein
hat
überlebt
und
kam
nach
Berlin
zurück.
1945.
1948 heirateten
meine Eltern.
Mein Vater
wollte wieder
Kinder haben,
jüdische Kinder.
Und er wollte dann
als Fünfzigjähriger nicht
in ein fremdes Land.
Er war eigentlich
gern in Deutschland.
Und so blieben meine
Eltern hier,
und wir drei Kinder
wuchsen hier auf,
als Wunschkinder.
Aber nach
all diesen zutiefst
erniedrigenden Erfahrungen brauchten
auch meine Eltern,
wie alle Juden,
ein Projekt, auf
das sie stolz sein
konnten: Unser
Projekt, unser Land,
unser Israel.
Sichtbares Zeichen
war die
blaue KKL-Sammelbüchse,
die in jedem
jüdischen Wohnzimmer
stand: Unser
Geld für Israel.
Die Familie Barenboim
siedelte 1952 von
Argentinien nach
Israel über.
Herrn Barenboims
Vater wollte
nicht mehr als
Minderheit leben,
und er sah auch
die Chance, die sich
für seinen zehnjährigen
Sohn als Pianist in
Israel bot.
Und in
der Tat: Israel
war stolz
auf sein Wunderkind
Daniel Barenboim.
Ben--Gurion
höchstpersönlich
war auf Barenboims
Hochzeitsfeier
1967 in Jerusalem.
Daniel
Barenboim
sagt
in
einem
Interview
mit
dem
Tagesspiegel
2008,
er habe bei
den Kriegen,
die Israel
nach seiner
Einwanderung führte,
1956, 1967,
1973, immer
in Israel
Konzerte gegeben.
Die Musik,
sagt er, war meine
„Waffe“ für Israel.
Bei ihm
habe es
aber im
Kopf "Klick"
gemacht, als
die israelische
Premierministerin Golda
Meir 1970 sagte
"Palästinenser?
Was soll dieses
Gerede von den
Palästinensern?
Das palästinensische
Volk sind
wir!". Das
habe ihn fassungslos
gemacht. In seinem
eingangs erwähnten
Interview in
der Zeit sagt
er: "Wie
ist das
möglich? Bei
einem Volk,
das Spinoza
und Maimonides
und Martin
Buber hervorgebracht
hat? Es sind
alles intelligente
Menschen. Wenn
du mit ihnen
über Beethoven
oder über
Shakespeare
oder über
Karl Marx
sprichst, dann
haben sie
rationale Argumente,
aber wenn
du auf
das Thema
Palästinenser kommst,
werden sie
total blind.
Das ist
nicht zu erklären."
Nebenbei:
Sie fragen
sich vielleicht,
wer ist Maimonides?
Ich komme
darauf später
zurück.
Jedenfalls: Es
ist da ein blinder
Fleck, eine
Denkblockade, die
es den meisten
Israelis -
und auch
den meisten
aktiven Mitgliedern
der heutigen
Jüdischen Gemeinden
in Deutschland
- unmöglich
macht zu sehen,
was die Israelis,
deren Vorfahren in
Europa verfolgt
wurden, nun
den Einwohnern
Palästinas antun.
Der polnisch-jüdische Schriftsteller
und Historiker
Isaac Deutscher
hatte es 1967 so formuliert:
"Einmal sprang
ein Mann
aus dem obersten
Stock eines
brennenden Hauses,
in dem bereits
viele seiner
Familienangehörigen
umgekommen waren.
Er konnte
sein Leben
retten, aber im
Herunterfallen schlug
er auf jemanden
auf, der unten
stand, und
brach diesem Menschen
Arme und
Beine. Der Mann,
der sprang,
hatte keine Wahl,
aber für den Mann mit den gebrochenen Gliedern
war er die Ursache seines Unglücks."
Deutscher weiter: "Was ... geschieht, wenn
diese beiden
Leute sich
irrational verhalten?
Der Verletzte gibt
dem andern
die Schuld an
seinem Unglück
und schwört,
dass er
ihn dafür
bezahlen lassen
wird. Der
andere, aus
Angst vor
der Rache
des verkrüppelten
Mannes, beleidigt,
tritt und
schlägt ihn,
wann immer
er ihn trifft.
Der getretene
Mann schwört
erneut Rache
und wird wieder
geschlagen und bestraft.
Die bittere Feindschaft, die zunächst
ganz zufällig
war, verhärtet
sich und überschattet
schließlich die
gesamte Existenz
der beiden
Männer und
vergiftet ihr
Denken."
Das ist Daniel
Barenboim klar.
In dem
erwähnten Interview
fragt die ZEIT-Redaktion:
"Die israelische
Regierung argumentiert
mit ihrem Recht
auf Selbstverteidigung."
Und Barenboim
antwortet: "Natürlich.
Wenn du ein anderes
Land besetzt,
dann musst
du dich
die ganze
Zeit verteidigen."
ZEIT: "Halten
Sie die israelische
Bedrohungsanalyse nur für
Einbildung oder Paranoia?"
Barenboim: "Nein,
die Israelis müssen
sich in der Tat verteidigen,
aber nur deshalb, weil
sie so agieren,
wie sie es getan haben und
weiterhin tun."
Isaac Deutscher 1967: "Wenn
sich beide rational verhielten,
würden sie keine
Feinde werden.
Der Mann, der
aus dem brennenden
Haus entkam,
würde, sobald
er sich erholt
hätte, versuchen,
dem anderen Betroffenen
zu helfen und
ihn zu trösten;
und jener
hätte
vielleicht
eingesehen,
dass er
das Opfer
von Umständen
geworden
war, die
keiner
von beiden
unter Kontrolle
hatte."
Daniel
Barenboim
hat
sich
dann
so verhalten
wie es
Isaac Deutscher
als Idealbild
sah. Deutscher,
ganz in
der Tradition
des aufklärerischen
Sozialismus,
nannte dieses
Verhalten "rational".
Ich nenne
dieses Verhalten
"moralisch",
ein Verhalten,
das ganz
in derjenigen
jüdischen Traditionslinie
steht – es gibt
leider auch
andere – die
sich für die universelle
Geltung der
Menschenrechte einsetzt.
Der Israeli
Daniel Barenboim
fand auf palästinensischer
Seite eine
verwandte Seele – Edward
Said, ein Weltbürger
wie Barenboim,
Professor für
Englisch und vergleichende
Literaturwissenschaft
in den USA,
Mitglied des palästinensischen
Exil-Parlaments und
vor allem:
ein Liebhaber
der Musik.
Und zusammen
fassten sie
den Plan,
Barenboims musikalische
Gaben zu verknüpfen
mit dem Anliegen
der Versöhnung: Sie gründeten
1999 das "West-östliche
Diwan – Orchester": Ein
Orchester, in dem
Israelis, Palästinenser
und Angehörige von
Nachbarstaaten Israels
zusammen spielen –
und zwar
nicht einfach
als Ferien- und
Freizeit-Folkloregruppe,
sondern als
ein Klangkörper
unter Maestro
Barenboim, der
sich die
höchsten Ansprüche
setzt und
auch dieses
Jahr auf Tournee
gehen wird,
mit Beethoven--Sinfonien,
der Symphonie No.10
von Gustav Mahler
und dem Kammerkonzert von
Alban Berg.
Daniel Barenboim
hat sich
dabei nicht
auf die
Musik – die
scheinbar unpolitische
Kunst - zurückgezogen.
Sondern er hat
ausdrücklich politisch
Stellung bezogen.
Am deutlichsten
wurde das
darin, dass
er 2007
die palästinensische
Staatsbürgerschaft
angenommen hat:
Er ist Bürger
eines Staats,
den es überhaupt
nicht gibt,
und er hat damit
die Verpflichtung
übernommen, diesen
Staat mitzuschaffen.
Ich habe
einige
Deutsche
und viele
Israelis getroffen,
die ein
solches Verhalten
überhaupt nicht
verstehen können. In
einer bizarren
Verschiebung der
Schuld von
Nazi-Deutschland
auf die Palästinenser
sehen sie
die Palästinenser
als die
Nachfahren Hitlers
an. Dazu sagt Barenboim
in besagtem Zeit-Interview:
Barenboim: "Sehen
Sie, man
kann mit
Blick auf
die Palästinenser
bezweifeln,
ob sie wirklich
das Existenzrecht
Israels akzeptieren
und ob
sie wirklich
mit den
Juden zusammenleben
wollen. Nur hat
das, anders
als eine verbreitete
israelische Interpretation
unterstellt, mit
den Nazis und
dem Holocaust
nichts zu tun.
Wenn ein Palästinenser,
dessen Familie
ein Haus
in Jaffa
oder in Nazareth
seit dem
11. Jahrhundert
besitzt, nun nicht
mehr das Recht
hat, dort zu
leben, und dieser
Mensch hasst
dann die Israelis – das
hat doch mit
Adolf Hitler nichts
zu tun."
Und Isaac Deutscher 1967:
"Die Verantwortung
für die Tragödie
der europäischen Juden,
für Auschwitz, Majdanek
und das Gemetzel in
den Ghettos liegt einzig
bei der westlichen
bürgerlichen 'Zivilisation',
deren rechtmäßiger,
wenn auch degenerierter
Abkömmling der Nationalsozialismus
war. Doch
es waren
die Araber,
die schließlich
den Preis für
die Verbrechen
zahlen mussten,
die der Westen
an den Juden
begangen hat.
Man lässt
sie auch
heute noch
zahlen, denn
das 'Schuldbewusstsein'
des Westens
ist natürlich
pro-israelisch
und anti-arabisch."
Das heißt:
Die aufrichtige
und ehrenwerte Beklemmung
vieler Deutscher
über das ungeheuerliche
Unrecht, das
von Deutschen
in deutschem
Namen den
Juden Europas
angetan wurde,
führt heute
dazu, dass
neues Unrecht – lange
nicht so ungeheuerlich wie das,
was 1941-1945 geschah,
aber verheerend
und niederträchtig
genug, und
mit katastrophalen
Folgen – dass
dieses neue Unrecht
schweigend toleriert
wird.
Und damit
gerät die
deutsche
öffentliche
Meinung heute
in einen Widerspruch.
Welche Konsequenzen
sollen wir
aus der Vergangenheit
ziehen?
Dass das
Unrecht
von vor
70 Jahren
zwangsläufig
neues Unrecht
legitimiert?
Ich fände
es daher
angebracht,
wenn wir deutlich
Stellung nehmen
würden zur Strangulierung
des Gaza-Streifens,
zum 43
Jahre andauernden
Besatzungsregime
im Westjordanland,
zur kontinuierlichen
Landnahme
im Westjordanland,
zur Verdrängung
der alteingesessenen
arabischen
Einwohner Jerusalems,
zu dengezielten
Tötungen,
zu den Tausenden
Palästinensern,
die in israelischen
Gefängnissen
interniert
sind. Israel
braucht klare
Vorgaben von
uns, um
die Kraft aufzubringen,
sich von
seinem nationalistischen Kurs
abzuwenden. Mit
seiner jetzigen Politik – das
hat Daniel Barenboim
mehrfach gesagt – läuft
Israel in eine
Sackgasse.
Und damit
komme ich
hier nochmals
darauf zu
sprechen, dass
ich es bin, der
hier die Laudatio
halten darf: Daniel
Barenboim erhält
hier einen
Preis für
ein Verhalten
und für seinen
politischen Standpunkt,
der nicht mit
dem Standpunkt
des offiziellen
Israels übereinstimmt.
Wen lässt
man nun die
Laudatio halten?
Einen anderen Juden.
Das hat auf jeden
Fall einen
positiven Aspekt – darauf
komme ich später
zurück - und scheinbar
einen negativen
Aspekt.
Der negative
Aspekt scheint
zu sein:
Es sieht
häufig
so aus,
als würden
sich Nicht-Juden
nicht an
dieses schwierige
moralische
Dilemma und
politische
Minenfeld herantrauen
und deswegen
gerne einen
Juden vorschicken.
Oft genug
bekomme
ich zu
hören,
wenn ich
meine Meinung
vortrage:
"Ja, Sie
als Jude
können das
sagen; aber
was glauben
Sie, was
los wäre,
wenn wir
als Nichtjuden
das sagen
würden?"
Sie aber,
meine Damen
und Herren
von der
Deutschen Gesellschaft
für die Vereinten
Nationen und
hier im Publikum:
Sie haben
die Entscheidung
getroffen, Daniel
Barenboim den
Otto-Hahn-Friedenspreis
zu verleihen,
und Sie
drücken durch
Ihre Anwesenheit
Ihre Zustimmung
aus. Sie haben das in voller Kenntnis der
von mir
skizzierten
Problematik
getan, und
damit haben
Sie niemanden
als Stellvertreter
vorgeschickt,
sondern
Sie haben
verantwortlich
eine Entscheidung
gefällt.
Man ist
ja auch
keineswegs
gegen
Angriffe
immun,
wenn
man
sich
als
Jude
gegen
Israels
nationalistischen
Kurs
stellt.
Selbstverständlich
gibt
es
auch
Leute,
die
sogar
Herrn
Barenboim
für
das,
was
er
tut,
und
für
das,
was
er
sagt,
einen
Feind
Israels
und
einen
Antisemiten
und
einen
selbsthassenden
Juden
nennen.
Da
muss
man
durch.
Und
ich
denke,
dieser
Preis
heute
ist
eine
Bestätigung
dafür,
dass
man
da
auch
durchkommen
kann
und
Anerkennung
findet.
Diese
Beschimpfung
als
"Selbsthasser"
ist
einfach
das
immergleiche
Verhalten
der
bequemen
Mehrheitsmeinung,
die
abweichende
Meinungen
ausgrenzen
möchte.
Das
Wesentliche
dazu
hat
vor
35
Jahren
ein
damaliger
Bürger,
Kritiker
und
Liebhaber
der
DDR
gesagt.
Er
sagte
es
über
die
DDR,
aber
er
könnte
es
auch
über
das
Judentum
gesagt
haben:
Ich
bin
zu
der
Auffassung
gelangt,
dass
es
immer
dort
am
schwersten
ist
zu
leben,
wo
man
wirklich
lebt,
d.h.
wo
man
kämpft
und
sich
einmischt
auf
Seiten
des
Fortschritts
je
nachdem
wie
es
in
dem
Land
gerade
ist,
wo
man
ist.
'Wir
sind
Fremdlinge
im
eigenen
Lande'
- das
heißt
doch,
dass
gerade
die
Aufrichtigsten,
Empfindsamsten,
Leidenschaftlichsten,
die
nicht
ertragen
können
das
Unrecht,
die
Barbarei,
die
Ausbeutung,
in
dem
Lande,
in
dem
sie
leben
und
nicht
in
irgendeinem
Lande
der
Welt
und
sich
dort
einmischen
-
dass
sie
dort,
wo
sie
zu
Hause
sind,
eigentlich
am
meisten
wie
Fremdlinge
sind:
Ich
möchte
am
liebsten
weg
sein
und
bleibe
am
liebsten
hier.
Dieser
Mann,
der
das
1976
gesagt
hat,
ist
heute
Ehrenbürger
Berlins.
Wenn
man
ihm,
Wolf
Biermann,
so
zuhört,
wie
er
über
seine
Probleme
mit
seiner
damaligen
Wahlheimat
DDR
redete,
dann
wundert
es einen
nicht, dass
er einen
jüdischen
Vater hat: So
könnte ich,
so könnte
Daniel Barenboim
über unsere
Probleme mit
dem Judentum
reden. Ich möchte
am liebsten
weg sein
und bleibe
am liebsten
hier.
In
diesem
Sinne: Sie
wollten
einen Juden
als Laudator,
also kommt nun der positive
Aspekt dieser Wahl: Sie bekommen
nun zum Abschluss
meiner Worte auch eine wirklich jüdische
Laudatio. Sie bekommen
einen "Mi ScheBejrach". Zu deutsch: einen "Der, Der Segnete".
(...)
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