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Der Friedensnobelpreis 2002 / The Nobel Peace Prize for 2002

Die offizielle Begründung für die Verleihung an Jimmy Carter im Wortlaut

Der Friedensnobelpreis ist die wichtigste internationale Auszeichnung im Bemühen um eine friedlichere Welt. Gründer des Preises ist der 1896 gestorbene schwedische Erfinder des Dynamits Alfred Nobel. In seinem Testament beauftragte er das norwegische Parlament Storting, jedes Jahr bis zu drei Menschen oder Organisationen für ihre Verdienste um die Menschheit auszuzeichnen. Die Preisträger sollten "den besten oder größten Einsatz für Brüderlichkeit zwischen Staaten, für die Abschaffung oder Abrüstung von stehenden Heeren sowie für die Organisation und Förderung von Friedenskonferenzen" gezeigt haben. Nicht zuletzt die engen Beziehungen zur österreichischen Pazifisten Bertha von Suttner sollen Nobels Friedenswillen gestärkt haben. Von Suttner hatte immer wieder den militärischen Einsatz von Dynamit kritisiert.

Seit 1901 entscheidet ein norwegisches Komitee mit fünf Mitgliedern anhand offizieller Nominierungen (in diesem Jahr 156) über den Preisträger. Die Geehrten erhalten jeweils am Todestag Nobels am 10. Dezember bei der Verleihung der Auszeichnung in Oslo eine Medaille, eine Urkunde und ein Preisgeld - in diesem Jahr 10 Millionen schwedische Kronen (rund 1,1 Millionen Euro).

Carter in guter Gesellschaft

Der diesjährige Preisträger, Jimmy Carter, befindet sich in sehr guter Gesellschaft. Im Vorjahr wurden die Vereinten Nationen in Person ihres Generalsekretärs Kofi Annan mit dem Preis geehrt. Zu den früher Geehrten gehören z.B. Yassir Arafat zusammen mit Yitzhak Rabin und Schimon Peres (1994) Nelson Mandela (1993), die IPPNW (1985), die Kampagne gegen Landminen (1997), die Organisation "Ärzte ohne Grenzen" (1999) oder der südkoreanische Ministerpräsident Kim Dae Jung - für dessen "Sonnenschein"-Politik (2000). Auch US-Präsidenten waren schon geehrt worden: Theodor Roosevelt (1906) z.B. oder Thomas Woodrow Wilson 1920).

Der diesjährige Preisträger agierte als 39. Präsident der Vereinigten Staaten (1977-1981) eher glücklos. Sein einziger herausragender politischer Erfolg war der Friedensschluss zwischen Israel und Ägypten in Camp David. Den Preis dafür hatten sich 1978 der damalige ägyptische Präsident Anwar El Sadat und der israelische Premierminister Menachem Begin geteilt. "Carter war damals ganz einfach nicht nominiert, deshalb konnte er nicht mit Sadat und Begin zusammen ausgezeichnet werden," erklärte dazu der Nobelkomitee-Vorsitzende Gunnar Berge. In den Jahren nach seiner Präsidentschaft erarbeitete sich Carter den Ruf des "besten Ex-Präsidenten aller Zeiten": Unermüdlich bemühte er sich in aller Welt um die Lösung regionaler Konflikte und den Aufbau demokratischer Strukturen.

Das Weiße Haus stand Carters Engagement nicht immer wohlwollend gegenüber, berichtete SPIEGEL-Online am 11. Oktober 2002. Vor acht Jahren handelte er mit dem Militärregime auf Haiti eine Friedenslösung aus, sodass Invasionstruppen ohne Widerstand landen konnten. In Somalia sabotierte er die US-Kampagne gegen Clanchef Mohammed Aidid, und in Nordkorea verkündete er zum Entsetzen der US-Regierung viel zu früh das Ende der Wirtschaftssanktionen. Im Mai dieses Jahres forderte Carter von Kubas Staatschef Fidel Castro Reformen, verlangte aber auch das Ende der US-Sanktionen gegen den Inselstaat. Dem derzeitigen Präsidenten George W. Bush erklärte Carter, er riskiere mit einem Alleingang gegen den Irak, der keine akute Gefahr darstelle, die internationale Allianz gegen den Terrorismus.

"Tritt vors Schienbein" von Bush

Das norwegische Nobelkomitee begründete am 11. Oktober 2002 in Oslo die Vergabe an Carter auch als Kritik an der derzeitigen Politik des amtierenden Präsidenten George W. Bush im Irak-Konflikt. Der Komitee-Vorsitzende Gunnar Berge sagte nach der Bekanntgabe der Entscheidung für Carter: "Ja, mit Blick auf Carters Position in dieser Frage kann und muss man unsere Entscheidung natürlich auch als Kritik an der Linie der amtierenden US-Regierung im Verhältnis zum Irak verstehen." Und auf die Frage eines Journalisten, ob die Pereisvergabe als "Tritt vors Schienbein" von Bush gedeutet werden könne, antwortete Berge: "Unbedingt ja".

In einer ersten Reaktion sagte Carter in Atlanta: "Es besteht kein Zweifel, dass dieser Preis eine Ermutigung für die Zukunft ist. Ich bin sehr dankbar." Die Auszeichnung gelte vor allem dem Carter Center, in dem viele Menschen aktiv seien.

Pst - Auf der Grundlage von Spiegel-Online, FR (12.10.2002) und der Homepage des Nobelpreis-Komitees (http://www.nobel.no/index.html)


Im folgenden dokumentieren wir die offizielle Begründung des Nobel-Komitees in einer deutschen Eingenübersetzung und im englischen Original.

Der Friedensnobelpreis 2002

Das norwegische Nobel-Komitee hat beschlossen, den Friedensnobelpreis 2002 Jimmy Carter zu verleihen für dessen Jahrzehnte langen unermüdlichen Einsatz für friedliche Lösungen bei internationalen Konflikten, für die Förderung von Demokratie und Menschenrechten und die Förderung wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung.

Während seiner Präsidentschaft (1977-1981) war Carters Vermittlung ein wichtiger Beitrag zu dem Camp-David-Abkommen zwischen Israel und Ägypten. Diese Leistung allein würde ihn schon für den Nobelpreis qualifizieren. In einer Zeit, als der Kalte Krieg zwischen Ost und West noch alles beherrschte, machte er die Menschenrechte zu einem Thema der internationalen Politik.

Seit dem Ende seiner Präsidentschaft unternahm er mit seinem Carter Zentrum, das 2002 sein zwanzigjähriges Bestehen feiert, ausgedehnte und beharrliche Konfliktlösungen in verschiedenen Kontinenten. Er hat vorbildliches Engagement für Menschenrechte gezeigt und fungierte als Beobachter zahlloser Wahlen in aller Welt. An vielen Fronten hat er hart daran gearbeitet, Tropenkrankheiten zu bekämpfen und den Entwicklungsländern zu Wachstum und Fortschritt zu verhelfen. Auf diese Weise war Carter in mehreren Problemfeldern aktiv, die auch die hundertjährige Geschichte des Friedensnobelpreises geprägt haben.

In einer Situation, die gegenwärtig von Drohungen mit Gewalt gekennzeichnet ist, ist Carter den Prinzipien treu geblieben, dass Konflikte so weit wie möglich durch Vermittlung und internationale Zusammenarbeit gelöst werden müssen - auf der Grundlage des Völkerrechts, der Achtung der Menschenrechte und der wirtschaftlichen Entwicklung.

Oslo, 11. Oktober 2002

THE NOBEL PEACE PRIZE FOR 2002

The Norwegian Nobel Committee has decided to award the Nobel Peace Prize for 2002 to Jimmy Carter, for his decades of untiring effort to find peaceful solutions to international conflicts, to advance democracy and human rights, and to promote economic and social development.

During his presidency (1977-1981), Carter's mediation was a vital contribution to the Camp David Accords between Israel and Egypt, in itself a great enough achievement to qualify for the Nobel Peace Prize. At a time when the cold war between East and West was still predominant, he placed renewed emphasis on the place of human rights in international politics.

Through his Carter Center, which celebrates its 20th anniversary in 2002, Carter has since his presidency undertaken very extensive and persevering conflict resolution on several continents. He has shown outstanding commitment to human rights, and has served as an observer at countless elections all over the world. He has worked hard on many fronts to fight tropical diseases and to bring about growth and progress in developing countries. Carter has thus been active in several of the problem areas that have figured prominently in the over one hundred years of Peace Prize history.

In a situation currently marked by threats of the use of power, Carter has stood by the principles that conflicts must as far as possible be resolved through mediation and international co-operation based on international law, respect for human rights, and economic development.

Oslo, 11 October 2002

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