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Ungeliebte Propheten im eigenen Land

Uri Avnery und Sari Nusseibeh erhalten den Lew-Kopelew-Preis. Die Rede von Avnery im Wortlaut

Am 16. November 2003 wurde in Köln der Lew-Kopelew-Preis für Frieden und Menschenrechte vergeben. Der Preis ging an Uri Avnery und Sari Nusseibeh, einen prominenten Vertreter der israelischen Friedensbewegung Gush Shalom und einen palästinensischen Intellektuellen.
Wir dokumentieren im Folgenden
  • Auszüge aus einem Beitrag von Claudia Kuhland, dem wir auch die Überschrift verdanken, sowie zwei Kurzporträts der Preisträger; beides haben wir der Homepage des ZDF entnommen,
  • die Rede von Uri Avnery bei der Preisverleihung.


Ungeliebte Propheten im eigenen Land:
Wie ein palästinensischer Intellektueller und Israels radikalster Pazifist Tabubrüche für den Frieden wagten und dafür mit dem Lew-Kopelew-Preis ausgezeichnet werden

Autorin: Claudia Kuhland

(...) Israelische Besatzungs- und Siedlungspolitik und der gewalttätige Widerstand der Palästinenser haben das Scheitern des Friedensabkommens von Oslo besiegelt. Mit neuen Vorschlägen, wie der Nahe Osten befriedet werden kann, sorgen dieser Tage ehemalige Oslo-"Architekten" wie der frühere israelische Justizminister Jossi Beillin und der ehemalige palästinensische Informationsminister Yassir Abed Rabbo für heftige Debatten. Unter ihrer Führung haben sich am 12. Oktober 2003 zwei inoffizielle Delegationen beider Völker in Jordanien auf ein symbolisches Abkommen geeinigt. Ihr Friedensplan verlangt Kompromisse von beiden Seiten: Er sieht eine Zwei-Staaten-Lösung, die Räumung fast aller Siedlungen im Westjordanland und den Verzicht auf das Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge nach Israel vor. Am 1. Dezember soll der Plan in Genf unterzeichnet werden. Die Initiatoren hoffen, mit diesem Akt die "Flamme der Versöhnung" zwischen den zerstrittenen Völkern wieder entzünden zu können.

Dass auf dem Weg zum Frieden Tabubrüche notwendig sind, weiß auch der palästinensische Intellektuelle und ehemalige Vertreter der PLO in Jerusalem Sari Nusseibeh. Gemeinsam mit dem früheren israelischen Admiral der Kriegsmarine und Leiter des israelischen Inlandgeheimdienstes Ami Ayalon startete er im Sommer 2003 die "Friedensinitiative von unten", die - ähnlich wie das Genfer Abkommen - von Israel den Rückzug in die Grenzen von 1967 und einen "gerechten Landtausch", von den Palästinensern einen Verzicht auf das Rückkehrrecht verlangt.

Wie Nusseibeh ist Israels radikalster Pazifist, Uri Avnery, Gründer der Friedensbewegung "Gosh Shalom", einer jener ungeliebten Propheten im eigenen Land, die sich für eine gerechte Friedenslösung im Nahen Osten, für Siedlungsstop, Rückzug aus den besetzten Gebieten und die Rechte der Palästinenser einsetzen. "Es gibt viele Zeichen dafür, dass sich die öffentliche Meinung in Israel wendet. Nach drei Jahren absoluter Hoffnungslosigkeit, Apathie und Lethargie kommen die Leute langsam zur Besinnung, nicht weil sie plötzlich vom Glauben an den Frieden beseelt sind, sondern weil sie begreifen, dass der jetzige Weg in den Abgrund führt.Das Problem hat keine militärische Lösung. Die Leute begreifen, es gibt diesen Sieg nicht, den ihnen die Regierung immer verspricht."

Am 16. November werden Uri Avnery und Sari Nusseibeh in Köln mit dem Lew-Kopelew-Preis für Frieden und Menschenrechte geehrt. "Nusseibeh hat mehr als andere auf der palästinensischen Seite Mut bewiesen", sagt Uri Avnery. "Einem Palästinenser zuzumuten, das Recht auf Rückkehr nicht nur in der Praxis, sondern als Prinzip aufzugeben, ist eigentlich unmöglich. Ich selbst würde nicht so weit gehen. Da bin ich weniger extrem als er."

Zum Frieden gibt es keine Alternative

Avnery und Nusseibeh versuchen, eine Brücke zu schlagen zwischen den verfeindeten Gesellschaften. Beide sind davon überzeugt, dass es zum Frieden keine Alternative gibt. Terror und Selbstmordattentate haben das Leben der palästinensischen Mehrheit drastisch verschlechtert. Umgekehrt können die Vergeltungsmaßnahmen der israelischen Bevölkerung keine Sicherheit verschaffen. "Selbst wenn es im Interesse eines Landes wäre, etwas zu tun, werden es die politischen Führer nicht tun, solange die öffentliche Meinung dagegen ist", sagt Sari Nusseibeh. "Wir müssen die öffentliche Meinung beeinflussen, wir müssen die Politiker dazu bringen, das zu tun, was im öffentlichen Interesse ist."

Sari Nusseibeh
Der 56-jährige Sari Nusseibeh stammt aus einer der ältesten und bekanntesten muslimischen Familien in Jerusalem. Er studierte unter anderem in Oxford und Harvard Philosophie und Politologie. Von Oktober 2001 bis Dezember 2002 war er Vertreter der Palästinensischen Autonomiebehörde in Ostjerusalem. Seit 1993 ist er Präsident der dortigen Al-Kuds-Universität. "Ich war mal in der Politik und habe mich aus ihr zurückgezogen, als ich glaubte, die Politiker machten Frieden. Jetzt beschäftige ich mich wieder mit der Politik, weil sie es bisher nicht geschafft haben, Frieden zu machen."

Uri Avnery
Der Schriftsteller und Journalist wurde am 10. September 1923 im westfälischen Beckum als Helmut Ostermann geboren. Im November 1933 emigrierte er mit seinen Eltern nach Palästina. Von 1950 bis 1990 war er Herausgeber und Chefredakteur des Nachrichtenmagazins "Haolam Haseh" und in drei Amtsperioden insgesamt zehn Jahre lang Abgeordneter der Knesset. Bereits 1973 initiierte er geheime Kontakte zur PLO. 1982 traf er als erster Israeli mit Yassir Arafat zusammen. 1993 war er Mitbegründer von Gush Shalom, dem israelischen Friedensblock. Uri Avnery, der für seine Friedensaktivitäten vielfach ausgezeichnet wurde, hat zahlreiche Bücher geschrieben.

Rede zur Verleihung des Lew-Kopelew Preises

Von Uri Avnery

Meine Damen und Herren,
Liebe Freundinnen und Freunde,

Jedes Mal, wenn ich auf deutschem Boden stehe, frage ich mich: Was und wo wäre ich, wenn es Adolf Hitler nie gegeben hätte?
Stünde ich hier mit Sari Nusseibeh? Wäre ich überhaupt ein Israeli?

Ich bin nicht weit von hier, in der westfälischen Stadt Beckum, geboren. Dort war mein Grossvater, Josef Ostermann, Lehrer der kleinen jüdischen Gemeinde. Aber meine Familie kam ursprünglich aus dem Rheinland. Meine Mutter erzählte mir einmal, aus welchem kleinen Ort wir stammen. Leider habe ich den Namen vergessen, und jetzt ist keiner mehr da, den ich fragen kann. Mein Vater, der im humanistischen Gymnasium Lateinisch als 1. Fremdsprache gelernt hatte, behauptete, unsere Familie sei mit Julius Caesar nach Deutschland gekommen. Aber archäologische Beweise dafür habe ich bis jetzt nicht gefunden. Die Familie war tief in der deutschen Kultur verankert. Mein Vater, ein leidenschaftlicher Musikliebhaber, hat Brahms und Beethoven verehrt. Die Ouvertüre von Wagners „Meistersinger“ war sein Lieblingsstück. Kein Werk der deutschen Literatur fehlte in unserem Bücherschrank, ich habe sie fast alle vor meinem 15. Geburtstag gelesen.

Mein Vater kannte Goethes „Faust“, beide Teile, auswendig. Als er sich 1913 mit meiner Mutter verlobte, war die Bedingung, dass sie bis zur Hochzeit „Fausts“ ersten Teil auswendig lernte. Die Gegenbedingung meiner Mutter war, dass mein Vater Tennis spielen sollte. Beide haben die Bedingungen treu erfüllt, aber einen Tag nach der Hochzeit hat meine Mutter den „Faust“ vergessen, und mein Vater hat nie wieder Tennis gespielt.

Was hat diese Familie, die Familie Ostermann, dazu gebracht, 1933 Deutschland für immer zu verlassen und in ein fernes, fremdes Land, das Land der Familie Nusseibeh, zu ziehen?
Ein einziges Wort: der Antisemitismus.

Zwar war mein Vater schon immer ein Zionist gewesen. Er war neun Jahre alt, als der „Erste Zionistenkongress“ stattfand. Er war von dieser Idee begeistert. Zur Hochzeit erhielt er als Geschenk eine Urkunde des jüdischen Nationalfonds, nach der in Palästina ein Baum in seinem Namen gepflanzt worden ist. Aber er hat nie daran gedacht, selbst nach Palästina auszuwandern. (Damals gab es einen Witz: Wer ist ein Zionist? Ein Jude, der mit dem Geld eines zweiten Juden einen dritten Juden in Palästina ansiedeln will.)

Zionisten waren damals in den deutschen jüdischen Gemeinden eine verschwindende Minderheit. Unter unseren Verwandten wurde behauptet, mein Vater sei nur darum Zionist geworden, weil er ein Querkopf war. (Anscheinend liegt dies in den Genen unserer Familie.)

Aber kurz nach der sogenannten Machtübernahme beschloss mein Vater auszuwandern. Der unmittelbare Anlass war klein. Mein Vater war ein vom Gericht ernannter Treuhänder und Konkursverwalter. Seine Ehrlichkeit war sprichwörtlich, er war „gerade wie ein Lineal“. Bei einer Gerichtsverhandlung rief ein junger Anwalt: „Juden wie Sie brauchen wir hier nicht mehr!“ Mein Vater fühlte sich zu tiefst verletzt, damit war für ihn Deutschland erledigt. Ich bin auch heute noch überzeugt, dass das Gefühl der Kränkung bei der Scheidung zwischen Juden und Deutschen eine große Rolle gespielt hat.

Wohin sollten wir? Kurz wurden Finnland und die Philippinen erwogen. Aber die zionistische Romantik gab den Ausschlag. Wir gingen nach Palästina, und seitdem ist das Los meiner Familie mit dem der Familie Nusseibeh untrennbar verbunden.

Als mein Vater zum Polizeipräsidium in Hannover ging, um sich abzumelden, sagte der Polizeibeamte: „Aber Herr Ostermann, was fällt Ihnen ein? Sie sind doch ein Deutscher wie ich!“ Ich erzähle diese Geschichte oft, um meine palästinensischen Freunde von der Versuchung zu bewahren, im Antisemitismus einen Bundesgenossen zu sehen. Also: die Antisemiten hassen die Juden, die Juden bilden die Mehrheit in Israel, Israel unterdrückt die Palästinenser, ergo: die Antisemiten sind die Freunde der Palästinenser.

Das wäre ein großer Irrtum.
Ohne den Antisemitismus wäre der Zionismus nie entstanden. Zwar behauptet die zionistische Legende, die Juden hätten sich in jeder Generation nach Palästina gesehnt, aber diese Sehnsucht war auf Gebete beschränkt. Tatsächlich haben die Juden im Laufe der Jahrhunderte nie die kleinste Anstrengung gemacht, sich in Palästina zu versammeln.

Ein kleines Beispiel: vor 511 Jahren wurde eine halbe Million Juden aus Spanien vertrieben. Die meisten von ihnen siedelten sich irgendwo im muslimisch-osmanischen Raume an, wo sie überall freundlich aufgenommen wurden. Sie ließen sich in Marokko, Bulgarien, Griechenland und in Syrien nieder. Nur nach Palästina, einer entlegenen Provinz des türkischen Reiches, gingen außer ein paar religiösen Schriftgelehrten kaum einer.

Muslime wenden sich im Gebet nach Mekka, Juden wenden sich im Gebet nach Jerusalem. Aber mit der zionistischen Idee eines Judenstaates hat das nichts zu tun.

Der moderne politische Zionismus war eine klare Reaktion auf den modernen Antisemitismus der nationalen Bewegungen Europas. Es ist kein Zufall, dass das Wort „Antisemitismus“ 1879 in Deutschland geprägt worden ist – und nur ein paar Jahre später hat Nathan Birnbaum, ein in Wien geborener Jude, das Wort „Zionismus“ geprägt.

Es war die Antwort auf die Herausforderung. Wenn die neuen nationalen Bewegungen in Europa, so gut wie ausnahmslos, nichts mit den Juden zu tun haben wollen, dann müssen eben die Juden sich selbst als eine Nation im europäischen Sinne konstituieren and ihren eigenen Staat gründen.
Wo? Im Lande der Bibel, dem damaligen Palästina.

So begann der historische Streit zwischen unseren beiden Völkern, dem Volk Sari Nusseibehs und meinem Volk: es ist ein Konflikt der heute – 2003 - schlimmer ist als je. Es fing damit an, dass die Zionisten ihr Ziel, die Juden aus Europa vor dem Antisemitismus zu retten, und die palästinensischen Araber ihr Ziel, Freiheit und Selbständigkeit in ihrem Vaterland zu erreichen, im selben kleinen Lande verwirklichen wollten, ohne die geringste Ahnung von einander zu haben.

Theodor Herzl, der Gründer der modernen zionistischen Bewegung, schrieb 1897, nach dem ersten Zionistenkongress in Basel, in sein Tagebuch: „In Basel habe ich den Judenstaat gegründet“. Damals war er noch nie in Palästina gewesen, er hatte keine Ahnung, wer dort lebte. Einer seiner Kollegen prägte den Ausspruch: „Ein Land ohne Volk für ein Volk ohne Land“. Für sie war Palästina eben leer, unbewohnt.

Aber der Grossvater Sari Nusseibehs lebte damals in Palästina, zusammen mit einer halben Million anderer Araber. Sie hatten keine Ahnung – konnten ja keine Ahnung haben! – dass irgendwo in der Schweiz, in einer Stadt, deren Namen sie vielleicht nie gehört hatten, eine Versammlung stattfand, deren Folgen ihr Schicksal und das Schicksal ihrer Kinder und Kindeskinder, ihrer Familie, ihrer Stadt, ihres Dorfes, ihres Landes, für immer verändern wird.

Der Antisemitismus hat die zionistische Bewegung ins Rollen gebracht, der Holocaust hat ihr eine ungeheure moralische Wucht verliehen; auch heute treibt der Antisemitismus die Juden aus Russland, Argentinien und Frankreich massenweise nach Israel.

Die Palästinenser haben viele Feinde – aber keiner von ihnen ist so gefährlich für sie wie der Antisemitismus. Wenn in manchen arabischen Ländern heute versucht wird, diesen fremden Antisemitismus aus Europa zu importieren, so ist das äußerst verhängnisvoll.

Sari Nusseibeh und ich, zwei Semiten, die zwei mit einander verwandte semitische Sprachen sprechen, müssen Bundesgenossen im Kampf gegen diese alte und moderne kollektive Geisteskrankheit sein. Ich glaube, dass wir es auch sind.

Ich möchte aber gleich hinzufügen: Der Fluch des Antisemitismus darf nicht dazu missbraucht werden, um jegliche Kritik an meiner Regierung und meinem Staat zu verhindern. Wir Israelis wollen ein Volk wie alle anderen sein, unser Staat sollte ein Staat wie alle anderen sein, er darf und muss mit demselben moralischen Maßstab gemessen werden wie alle anderen Staaten.
Ja, auch hier, in Deutschland.
Keine Sonderbehandlung, bitte.

Nun dauert unser Streit schon über hundert Jahre, auf beiden Seiten ist eine fünfte Generation in ihn hineingeboren, eine Generation, deren ganze Geisteswelt durch den Konflikt geprägt ist. Ängste, Hass, Vorurteile, Stereotypen, Misstrauen bestimmen ihre psychische Welt.

Wir stehen am Rande des Abgrunds, und in beiden Völkern gibt es Führer, die uns befehlen: Vorwärts, marsch!
Wie beide stehen hier, weil wir unsere Völker vor diesem Abgrund bewahren, weil wir ihnen einen anderen Weg zeigen wollen.

Der Staat Israel besteht, keiner kann uns ins Meer werfen. Das palästinensische Volk besteht, keiner kann es in die Wüste treiben. Unser Ministerpräsident, Ariel Sharon, will aber ganz Palästina in einen jüdischen Staat umwandeln. Muslimische Fundamentalisten, wie die Hamas- und Jihad- Organisationen, wollen ganz Palästina einem muslimischen Staat einverleiben. Das ist eindeutig der Weg in die Katastrophe.

Wir beide glauben an Frieden, an die Versöhnung zwischen beiden Völkern. Wir glauben nicht nur daran, wir arbeiten daran, wir kämpfen dafür, jeder auf seine Art.
Wir haben gemeinsam an vielen Aktionen teilgenommen. Wir sind, Arm in Arm, an der Spitze eines großen Marsches von Christen, Muslimen und Juden am Sylversterabend 2001 durch die Gassen der Altstadt Jerusalems gezogen. Aber unsere Hauptaufgabe ist, unsere eigenen Völker davon zu überzeugen, dass Friede und Versöhnung möglich sind, dass auf beiden Seiten die Bereitschaft besteht, den Preis des Friedens zu bezahlen.

Das sind keine abstrakten Bestrebungen. Gusch Schalom, die israelische Friedenbewegung, der ich angehöre, hat 2001 einen Friedensvertrag in allen Einzelheiten ausgearbeitet und veröffentlicht. Vor kurzem hat Sari Nusseibeh mit Ami Ayalon, einem ehemaligen israelischen Geheimdienstchef, die Grundsätze einer Friedenslösung artikuliert. Jetzt hat eine neue Gruppe von israelischen und palästinensischen Politikern in Genf den detaillierten Entwurf eines Friedensvertrages vorgelegt.

Das Blutbad in unserem Land, das schon drei Jahre andauert, ist ein Symptom der Hoffnungslosigkeit, der Frustration und der Verzweiflung auf beiden Seiten. Natürlich gibt es keine Symmetrie zwischen Besatzern und Besetzten, Herrschern und Beherrschten. Die Gewalt der Besatzung ist nicht mit der Gewalt des Widerstandes zu vergleichen. Aber die Hoffnungslosigkeit, die auf beiden Seiten herrscht, und das gegenseitige Misstrauen sind vergleichbar, und unsere erste Aufgabe ist es, diese zu überwinden.

Wir glauben an den Grundsatz: Verfluche nicht die Dunkelheit, zünde eine Kerze an. Zusammen mit unseren Mitarbeitern, mit den Tausenden von Friedensaktivisten beider Völker, haben wir schon viele Kerzen angezündet.

Ich bin ein Optimist. Ich glaube, dass aus der Dunkelheit der Verzweiflung schon Dämmerung wird, es fängt ganz langsam an, heller zu werden. Die Überzeugung, dass das Blutvergießen zu nichts führt, breitet sich in Israel aus.

30 unserer Kampfpiloten weigern sich, unmoralische Befehle auszuführen. Die Zahl der Verweigerer unter unseren Soldaten wächst. Der Generalstabschef, bis vor kurzem ein extremer Draufgänger, hat seinen Vorgesetzten widersprochen und erklärt, das es keine militärische Lösung gibt. Die Genfer Friedensgespräche haben Wirkung, sie zeigen, dass es Partner für den Frieden gibt. Eltern gefallener Soldaten protestieren öffentlich gegen die sinnlose Opferung ihrer Kinder.

Es weht ein neuer Wind. Es entsteht neue Hoffnung. Wir werden alles tun, damit diese Hoffnung wächst, damit sie zu einer historischen Wende führt.

Als ein Gusch-Schalom-Aktivist nehme ich diese Auszeichnung dankbar an. Ich bin besonders stolz, weil sie mit dem Namen Lew Kopelews verbunden ist. Alle Kämpfer für Frieden und Menschenrechte in Israel, Palästina und in der ganzen Welt, gehören einer internationalen Gemeinschaft an, für die Lew Kopelew ein Vorbild war und ist.

Ich danke Ihnen. Wir werden Sie nicht enttäuschen.

Quelle: ZNet Deutschland 16.11.2003;
http://www.zmag.de/artikel.php?print=true&id=916



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