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Das hat den Frauen noch gefehlt!

Mit 244 Soldatinnen, die sich zu den Waffen melden, ist kein Staat zu machen

Die Jubelberichte kamen etwas gequält von der Hardthöhe. Ganze 244 Frauen haben sich zum Einberufungstermin 2. Januar 2001 für den Waffendienst bei der Bundeswehr entschieden. Erinnert man sich an die geradezu euphorischen Berichte im Vorfeld dieses Ereignisses, dann ist diese Zahl für das Verteidigungsministerium eher ernüchternd. Es gibt nicht den ersehnten Run des "schwachen Geschlechts" auf die letzte Männerbastion des Landes. Sind die Frauen denn nicht erpicht auf die Herstellung der totalen Gleichberechtigung, die ihnen noch zu ihrem Glück gefehlt hat? Wo sich doch Alice Schwarzer und die Grünen dafür so ins Zeug gelegt haben! Der Bundeswehrverband, diese Männerlobby des Militarismus, hatte sich den Herzenswunsch der angeblich um ihre Gleichberechtigung kämpfenden Tanja Kreil (die dafür vor den Europäischen Gerichtshof zog und gewann - es mittlerweile aber vorzog, sich einen zivilen Job zu suchen) an seine Fahnen geschrieben und nach errungenem Sieg die Werbetrommel für die Feminisierung der Bundeswehr gerührt - und nichts rührte sich im Land! Da wurden Soldaten monatelang auf den Ansturm der "Flintenweiber im Minirock" (solche Vokabeln geisterten massenhaft durch den Blätterwald) vorbereitet: Sie sollten doch bitteschön die Pin-up-Girls aus den Spinden entfernen, sie sollten sich höfliche Umgangsformen angewöhnen (waren wohl vorher nicht nötig) und sich vor sexueller Anmache zurückhalten und so weiter und so fort. Bauliche Maßnahmen waren, so hört man aus dem Ministerium, nicht nötig. Recht so, denn die gesonderten Toiletten und Waschräume für die paar Frauen wären doch herausgeschmissenes Geld gewesen.

Es kann aber auch sein, dass die Frauen doch sehr viel von Gleichberechtigung halten und gerade aus diesem Grund nicht zur Bundeswehr gehen. Befehl und Gehorsam: Was hat das mit Gleichberechtigung zu tun? Das Handwerk des Tötens zu lernen: Was macht das für einen Sinn? Vielleicht wollen die Frauen mehr als sich auf Kriege und gewaltsame Konflikte vorbreiten. Zu tun gibt es in unserer Gesellschaft und in der Welt mehr als genug, bevor man sich den Luxus leistet, etwas so Unproduktives und Gefährliches wie das Kriegshandwerk auszuüben. Lenken wir also guten Mutes den Blick auf jene Millionen Frauen, die die ihnen angediente "Chance auf Gleichberechtigung" im Militär ausschlagen und sich für eine zivile und produktive Rolle in der Gesellschaft entscheiden. Sie geben übrigens auch ein Beispiel ab für die Männer, die immer noch meinen, den Dienst beim "Bund" den vielen Alternativen des Zivildienstes vorziehen zu müssen. Die Zahl der Kriegsdienstverweigerer ist noch zu steigern!

Im Folgenden dokumentieren einen Artikel, der deutlich macht, mit welchen Mitteln selbst seriöse Zeitungen sich für den Werbefeldzug der Bundeswehr haben einspannen lassen - vielleicht ohne das zu wollen. In den vielen Provinzzeitungen und den regionalen und überregionalen Boulevardblättern und Illustrierten wurde dieser Werbefeldzug mit weniger sublimen Mitteln geführt. Wie gesagt: Genützt hat er - bisher - nichts. Hoffen wir, dass es so bleibt.

Pst

Die Bundeswehr vor der Frauen-Invasion: Neue Koordinaten für Soldaten Störmeldung auf der x-Achse

Verwirrt muss die Truppe in Seminaren lernen, dass zum Umgang mit Kolleginnen mehr gehören wird, als nur die Pin-ups aus den Stuben zu entfernen / Von Christoph Schwennicke

Augustdorf/Celle/Koblenz, im Dezember – Was an Jessica Müller als erstes auffällt, ist der Umstand, dass sie nichts besonderes im Leben sein möchte, sie will nur einen sicheren Job. Jedenfalls hat sie sich bestimmt nicht vorgenommen, jemals in ihrem Leben für wichtig genommen zu werden und sich komplizierte Fragen anzuhören, wo die Sache doch so einfach liegt: Seit 1997 hat sie, inzwischen 21 Jahre alt, bei der Bahn gearbeitet, viel auch als Zugbegleiterin, weshalb sie schon am Telefon ziemlich präzise sagen konnte, wie man von Berlin nach Celle kommt, um sich mit ihr in einem Café zu treffen. Dort erzählt sie nüchtern, wie sie bei der Bahn plötzlich mit Zeitverträgen abgespeist werden sollte und dann von der Sache mit den Frauen bei der Bundeswehr erfuhr. Berufsberatung, Aufnahmetest und erster Kontakt mit dem Militär: „Es war schon anders, aber eben doch irgendwie dasselbe“, sagt sie. Blaue Uniform der Bahn oder grüne bei der Bundeswehr, wo ist der große Unterschied? Ein sicherer Arbeitsplatz, erstmal für vier Jahre mit Option auf mehr, das ist das Entscheidende. Furcht vor der Männerwelt ist nicht auszumachen. Neugier vielleicht, als irgendwann im Laufe des Gesprächs ihre Scheu ein bisschen nachlässt. „Darf ich Sie auch mal was fragen“, sagt sie unvermittelt: „Haben Sie eigentlich Angst vor uns?“

Silikon und Sicherheit

Das ist nun mit Abstand die beste Frage des Gesprächs, im Grunde die Frage, um die sich alles dreht. Es ist in jedem Fall zu beobachten, dass sich der bis heute weitgehend maskuline Gesamtkörper Bundeswehr sehr, sehr gründlich auf die Invasion der ersten 244 Frauen am 2. Januar vorbereitet. Und eine gewisse Aufgeregtheit und Angespanntheit auch, wie soll das auch anders sein, wenn selbst das bundeswehreigene Sozialwissenschaftliche Institut davon schreibt, die Integration von Frauen in die Bundeswehr stelle „eine enorme Herausforderung für die Streitkräfte dar, die das gemeinhin übliche soldatische Selbstverständnis eines männlich codierten Kämpfers in seinen Grundfesten erschüttern wird“. Der Generalinspekteur hat es bei seiner großen Rede vor den versammelten Kommandeuren in Leipzig unlängst für nötig befunden, den Herren tief ins Gewissen zu reden. Er erwarte, sagte Harald Kujat gestreng, „dass sich alle Vorgesetzten um eine faire und gerechte Behandlung und Aufnahme kümmern. Denken Sie daran: Wir werden vom ersten Tag an im Rampenlicht stehen.“

Hinter all dem müssen nicht gleich die gesamten Urängste des Mannes vor der Frau stehen. Vielleicht ist einfach nur eine Menge zu bedenken, auch Dinge, auf die man im ersten Moment gar nicht kommt. Man muss sich nur umhören: Aus Italien etwa, dessen Armee sich auch den Frauen öffnet, ist zu vernehmen, dass dort Silikon-Implantate in den Brüsten verboten sind, aus Sicherheitsgründen wohl. Andere Fragen, wie etwa die der Toilettenfrage im Biwak, stellen sich gar nicht mehr, weil, wie man erfährt, bei mehrtägigen Geländeübungen sich auch bei der Bundeswehr das praktische Dixie-Häuschen durchgesetzt hat.

Tausend Fragen hat man, und am besten man klärt sie dort, wo sie anfallen, zum Beispiel in der 4. Panzergrenadierkompanie 212 in Augustdorf, einem der größten Heeresstandorte Deutschlands in der Nähe von Bielefeld. Nicht ganz zufällig wird Jessica Müller in der 4./212 am zweiten Januar ihren ersten Dienst-Tag haben und eingekleidet werden. Die Panzergrenadierkompanie wird eine der 29 Kompanien sein, in der die ersten Frauen, abgesehen von Musikerinnen, Ärztinnen und Sanitäterinnen, eintreffen werden.

Panzergrenadiere, das ist da, wo Bundeswehr am erdigsten ist. Schlammzone, wie man so sagt. Schon auf dem Weg zum Kompaniegebäude ertappt man sich dabei, alles danach zu betrachten, wie diese Welt wohl auf Frauen wirken mag: Die halb offenen Hallen, unter denen sich Dutzende von Leopard-II-Kampfpanzern verkrochen haben, und auf deren Aufbauten die Soldaten sich entlang hangeln. Das Kompaniegebäude der 4./212, das nach Kasernenart in Reih und Glied mit den anderen schmucklosen Kästen steht, empfängt mit einer Besonderheit: Vor dem Eingang steht das Holzhäuschen von Cäsar. Der schwarze Kompaniekater mag sich vielleicht auf die eine oder andere zartere Frauenhand freuen, auch wenn seine Leibesfülle nicht den Eindruck erweckt, als sei es ihm in der reinen Männerwirtschaft bisher schlecht ergangen. Ansonsten findet sich wenig, von dem man annehmen könnte, dass es ein Frauenauge erfreut. Schwärmerisches Liedgut über die Tugenden des Infanteristen an sich im Windfang, in den Gängen eine Amateur-Bildersammlung vom letzten Einsatz der Kompanie auf dem Balkan, auf der Soldaten mit nacktem Oberkörper in der Sonne sitzen, ein stämmiger Kampfhund in einem Wappen. Die sonst so beliebten Nacktfotos von Mädchen in den Stuben sind vom 2. Januar an nicht mehr erlaubt, kennt man die Kultur von Bundeswehrkompanien, eine ziemlich erhebliche Weisung.

Die Männer, die in der 4./212 etwas zu sagen haben, sind erkennbar bemüht, dem kommenden Ereignis keine zusätzliche Dramatik zu verleihen. Major Hermann Jördens, der Bataillonschef, sagt Sätze wie: „Es wird kein extra Kuchen gebacken, alles andere wird sich finden.“ Oder über mögliche sexuelle Begehrlichkeiten: „Hier gilt es, ein Auge drauf zu haben, mehr erst mal nicht.“ Grundsätzlich sieht er „keine Hürde, die nicht zu überwinden wäre“. Und Kompaniefeldwebel Pauli weist darauf hin, er habe schließlich auch eine Frau und eine Tochter von 19 Jahren: „Ich weiß, wie die aussehen.“ Im übrigen, Pauli macht für einen Spieß einen ziemlich gemütlichen Eindruck, es sei eben so: „Ich bin dann eben nicht mehr die Mutter der Kompanie, sondern der Vater der Kompanie. Aber das werde ich auch hinkriegen.“

Wer sich besondere technische Vorbereitungen vorgestellt hat, wird enttäuscht. Weder sind Damentoiletten installiert worden, noch neue Duschen. Die jungen Damen werden ganz einfach separate Stuben bekommen, fertig. „Big-Brother“-Fantasien sind also fehl am Platze, auch wenn Kompaniechef Michael Torger sagt, „wo viele Männer sind und jetzt auch Frauen kommen, da reiben sich schon manche die Hände.“ Nach dem Regelwerk zu früh: Denn jede Form von sexuellen Handlungen ist verboten, und sei es in beiderseitiger Neigung.

„Kuscheln Sie doch mal“

Die betonte Gelassenheit der Herren von der 4./212 steht ein wenig im Kontrast zu dem, was man erfährt, wenn man durch die Rommelkaserne schlendert und sich umhört. So hatte just am Tage des Besuchs der Spieß der 1./212, deren Gebäude direkt an die künftige Frauenkompanie grenzt, seine Soldaten zur Belehrung zusammengerufen. Den Erzählungen nach musste er etwas massiver werden, um die Sprüche und Zoten zu unterdrücken, die sofort durch den Saal schwirrten. Mancher, dessen Tage beim Bund mit dem Ablauf des Jahres zu Ende gehen, erzählt ein junger Wehrpflichtiger, bedauert schon, dass er nicht noch ein paar Monate dranhängen kann, um das Großereignis mitzuerleben. Die große Reportage einer Journalistin vom Westfälischen Volksblatt in Paderborn hängt in manchem Kompaniegebäude aus. Die Kollegin hatte sich im Frühjahr in eine Übung mit Nachtmarsch und 15 Kilo Gepäck auf dem Buckel in den Selbstversuch gestürzt. „Die war völlig fertig und hat gesagt: Nie wieder“, erinnern sich Augustdorfer Soldaten an die Vorbotin des weiblichen Geschlechts. In der 5./214 ist noch großes Rätselraten, ob dorthin auch Frauen kommen sollen. Man kann nicht eben sagen, dass ein großes Hurra über den Kasernenhof in Augustdorf schallt. Eher eine skeptische Erwartung. „Ich bin bloß mal gespannt, wie das mit dem Oberkörperwaschen im Biwak gehen soll“, sagt zum Beispiel ein Kompaniechef bei einem mehr oder weniger zufällig zu Stande kommenden Plausch.

Bei all diesem etwas nervösen Stimmengewirr ist es beruhigend zu sehen, dass die Bundeswehr auch bei der Bewältigung der kommenden Herausforderung nichts dem Zufall überlässt, wie in diesen Tagen ein Besuch des Zentrums Innere Führung in Koblenz eindrucksvoll belegt. Das Zentrum Innere Führung muss man sich vorstellen als die moralische Instanz der Bundeswehr, sozusagen ihre oberste Ordnungsbehörde für aufrechte Gesinnung und Anstand. Hunderte von Soldaten werden derzeit durch das Zentrum in Koblenz geschleust, um in „Gendertrainings“ über das Wesen der Frau an und für sich aufgeklärt zu werden. In akademischer Seminaratmosphäre, unter Zuhilfenahme modernster Lehrmittel wie Video, Tageslichtprojektor und Flipchart, wird dem kommenden Problem auf den Grund gegangen. Blenden wir uns ein, als der Seminarleiter, Oberstleutnant Gerd Kupper, ein feingliedriger und sehr soziologisch aussehender Mann, gerade das Diagramm „Unterschiedliche Motivationsstruktur von Männern und Frauen“ auf den Projektor legt, das Männer und Frauen in Beziehungsebene, Inhaltsebene und Zielsetzung zerlegt. Die „reine Lehre“ vom Bedürfnisforscher Abraham Harold Maslow spielt eine Rolle, und die Frage, die Oberstleutnant Kupper in den Raum stellt, in dessen Mitte ein paar Topfpflanzen, ein paar Ziegelsteine und Bilder liegen, um dem visuellen Sinn bei so viel Denken immer wieder einmal einen Fluchtpunkt zu bieten, die Frage also, provokativ ironisch gestellt: „Müssen sich die Frauen, wenn sie schon die Boshaftigkeit besitzen, in die Bundeswehr zu kommen, der männlichen Bedürfnislage anpassen, oder können sich nicht auch die Männer anpassen, solange der Auftrag dadurch nicht gefährdet ist?“

Fragen von grundlegender Bedeutung, die hier vor einer Art wissbegieriger Frauenversteher in Uniform behandelt werden. Und es ist eine beruhigende Beobachtung, dass die Seminarteilnehmer, Meinungsführer aus der Truppe an diesem Tag, voll mitgehen und Seminarleiter Kupper mit einer lebhaften Diskussion erfreuen. Allein der weißrussische Soldat, der als Gast dabei ist, sitzt ein wenig stumm und staunend unter seinen deutschen Kameraden. Frauen und Männer werden wieder und wieder in Diagramme und auf x- und y-Achsen aufgeteilt, ihr Wesen in Linien und Balken dargestellt. Auf einem Flipchart befestigt Kupper Kärtchen mit all den Stichworten, die die Seminarteilnehmer in den Raum rufen auf die Frage, wie sie ihre Soldaten motivieren. Hinterher fragt Kupper, ob das, was sich da auf der Pinnwand angesammelt hat, „in die emotionale Bedürfnislage von Frauen hinein“ passt? Der etwas theoretisch-akademische Diskurs ist immer wieder von praxisnahen Fragen durchsetzt. „Werden Frauen einen wohnlicheren Aspekt in die Dienststuben bringen?“ Man fühlt sich an die Eindrücke bei der 4./212 in Augustdorf erinnert und kann ein diesbezügliches Hoffen kaum unterdrücken.

Es soll auch das Thema nicht ausgespart bleiben, das die Existenz zweier Geschlechter begründet. Seminarleiter Kupper gibt impulsartig zu bedenken, „dass es auch nach wissenschaftlichen Erkenntnissen“ einen Unterschied bei der Sexualität der Geschlechter gebe. „Ich gebe das jetzt mal zu bedenken“, sagt er: Männer seien „eher funktionsorientiert und Frauen eher beziehungsorientiert. Nehmen Sie das mal als gegeben hin.“ Der eifrigste Seminarteilnehmer sagt, da wolle er „auch gar nicht widersprechen. Aber wie kann ich steuernd beim Thema Sexualität eingreifen? Soll ich sagen: Kuscheln Sie doch mal ein bisschen mit dem Zugführer?“ Kupper versachlicht die Diskussion wieder und sagt, es gehe darum, Männern und Frauen bewusster zu machen: „Was geht eigentlich in Euch beiden vor?“ Vor allem, wenn es zu „Verhaltensauffälligkeiten“ komme. Immer wieder ist Kupper vor allem darum bemüht, dem Eindringen der Frauen in den Männerorganismus Bundeswehr etwas Bereicherndes abzugewinnen. Er könne jetzt auch nicht sagen, „wie die Frauen es nun haben wollen. Ich kann Sie nur sensibilisieren“, sagt Kupper. Und: „Vielleicht wird es ja auch etwas angenehmer für uns Männer.“

Ein Job als Feldjägerin

Ewiges Rätsel Frau. Auch in Augustdorf differenziert sich die Diskussion nach einiger Zeit. Oberleutnant Matthias Ehrhardt macht keinen Hehl daraus, dass er die Kampfkraft der Bundeswehr durch die Frauen gefährdet sieht. „Ich als Chef möchte lieber keine Frau in einem Kampfeinsatz dabei haben“, sagt er. Und der ganzen Runde wird immer klarer, dass es sich ja bei dem Einzug der Frauen in zwei Wochen nicht um einen zeitlich begrenzten Feldversuch handelt, sondern um eine dauerhafte Angelegenheit. Auch wenn die meisten Soldatinnen durch die 4./212 nur zur Grundausbildung geschleust werden, ausgeschlossen ist nicht, dass eine hängen bleibt. „In zehn Jahren“, reißt Kompaniefeldwebel Pauli das Zoom ein wenig auf, „haben wir die erste Frau Hauptmann hier.“ Und alle am Tisch sind sich einig, dass die Probleme dann kommen werden, wenn die Frauen was zu sagen haben werden. Im übrigen können die Männer von der 4./212 jetzt auch noch nicht viel hineingeheimnissen, sie wissen ja auch nicht so richtig, was und wer da auf sie zukommt nach den stillen Tagen im Dezember. Und wieder ist es der Pragmatismus von Hauptfeldwebel Pauli, der die Sache auf den Kern reduziert und die Fragerei nach der Befindlichkeit der Männer vor dem Ansturm der Frauen in eine neue Richtung lenkt: „Die entscheidende Frage ist doch: Mit welchen Erwartungen kommen die Frauen hierher?“

Auch wieder wahr. Was Jessica Müller aus Celle angeht, so fährt sie Anfang Januar nach Augustdorf, um ganz einfach einen neuen Job als Feldjägerin anzufangen. Ein wenig undurchsichtig sei das ja alles von außen, „aber wenn es mir gefällt, werde ich das für den Rest meines Berufslebens machen“. Weder der Umgang mit Waffen („Respekt habe ich davor schon, aber das kann man lernen“) noch das militärische Prinzip von Befehl und Gehorsam („Irgendwann kommt einer, der einen Streifen weniger als ich auf der Schulter hat“) schreckt sie groß. Auch nicht die „Horrorgeschichten“ von Freunden, dass ausgerechnet die angehenden Feldjäger am Anfang immer „eines auf die Mütze bekommen“.

Ein paar Tage noch, dann vollstreckt sich, was vor mehr als vier Jahren begann. Damals bewarb sich die 19-jährige Elektronikerin Tanja Kreil erfolglos um einen Job bei der Instandsetzung der Bundeswehr. Am 11. Januar 2000 gab ihr der Europäische Gerichtshof recht, dass sie wegen der Gleichbehandlung von Männern und Frauen nicht abgewiesen werden dürfe.

Tanja Kreil wird im Januar an keinem Kasernentor stehen. Man wisse nicht genau, was Frau Kreil jetzt mache, aber zur Bundeswehr wolle sie nicht mehr, ist beim Bundeswehrverband zu hören, der ihre Klage unterstützt hatte. Die Kontakte sind abgebrochen und nicht mehr aufzunehmen. Auf ihrer Handynummer von damals meldet sich inzwischen ein Mann, der mit dem Namen Tanja Kreil genauso wenig anfangen kann wie die angehende Feldjägerin Jessica Müller.

Aus: Süddeutsche Zeitung, SZ vom 19. Dezember 2000

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