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Die drei "Ps"

Die Opposition im Bundestag fordert in einem ersten gemeinsamen Antrag die stärkere Beteiligung von Frauen in Friedensprozessen

Von Ines Wallrodt *

Die Bundesrepublik hat die UN-Resolution »Frauen, Frieden und Sicherheit« vor Jahren unterzeichnet. Eine Strategie zur Umsetzung gibt es bisher nicht.

Nächste Woche werden im Bundestag Massenvergewaltigungen im Kongo und das Fehlen von Frauen in der afghanischen Regierung Thema sein. Auf der Tagesordnung steht dann die Resolution 1325 der Vereinten Nationen »Frauen, Frieden und Sicherheit«. Doch was nach einer Debatte über schlechte Zustände in anderen Ländern klingt, hat mehr mit den Diskussionen um Quoten und Benachteiligung von Frauen hierzulande zu tun, als es zunächst scheint.

Die Kerninhalte der im Jahr 2000 einstimmig beschlossenen UN-Resolution werden vielfach unter »drei Ps« zusammengefasst: Prävention von bewaffneten Konflikten, Partizipation von Frauen in der Friedens- und Sicherheitspolitik und Protektion vor sexualisierter Gewalt in Kriegen. Der Beschluss gilt als »Meilenstein«: Zum ersten Mal wurde die Beteiligung von Frauen an Friedensprozessen für völkerrechtlich verbindlich erklärt. Doch die Umsetzung läuft schleppend. Einige wenige Länder schreiten voran, viele hinken hinterher. Die Bundesrepublik gehört zur letzten Gruppe.

Sie hat die Resolution unterschrieben. Ob sie ihr Versprechen, sich für eine geschlechtergerechtere internationale Politik einzusetzen, einlöst, ist aber kaum überprüfbar. Die Resolution fristet hierzulande ein Dasein als Papiertiger.

SPD, Grüne, LINKE machen nun gemeinsam Druck. In einem Antrag, nebenbei, dem ersten gemeinsamen von Rot-Rot-Grün im Bund, fordern sie die Verabschiedung eines sogenannten nationalen Aktionsplans, der Ziele verbindlich festlegt, Fristen setzt und die konkreten Schritte mit Geld und Personal unterfüttert. Jedes Jahr zum 8. März soll die Bundesregierung berichten, was sie konkret getan hat. Die Bundesrepublik, sind sie überzeugt, habe genug Einfluss in der Welt, um Änderungen an Bilanzen wie diesen zu bewirken: So waren an 22 Friedensprozessen seit 1992 – darunter auch die für Afghanistan, Bosnien und Kongo – nur 7,5 Prozent der Verhandelnden, 2 Prozent der Vermittler und nicht einmal 3 Prozent der Unterzeichnenden Frauen, sagt eine UN-Studie.

25 Länder haben bislang Aktionspläne verabschiedet, darunter die Skandinavier und Großbritannien. In Deutschland gibt es keinen. Und muss es nach Auffassung von Union und FDP auch künftig nicht geben. Die Koaltionsparteien halten ihn für überflüssig und verweisen auf Gendermainstreaming und andere Programme, in denen Frauenprojekte eine Rolle spielten. Die Weigerung sei »peinlich«, sagt Monika Lazar, frauenpolititische Sprecherin der Grünen. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass Deutschland jetzt auch noch im UN-Sicherheitsrat sitzt, dem Gremium, das auf die Einhaltung seiner Resolutionen drängen müsste.

Zivilgesellschaftliche Gruppen fordern seit Jahren, »1325« mit Leben zu füllen. »Die Resolution ist nicht nur eins von vielen Blättern Papier, die in der UN produziert werden, sondern hat großes Potential für Engagement für den Frieden«, sagt Johanna Bussemer vom Frauensicherheitsrat. Das Netzwerk von Friedensforscherinnen, Frauen in Stiftungen und Nichtregierungsorganisationen bemüht sich seit Langem um Aufmerksamkeit für die völkerrechtliche Vereinbarung. Zugleich müsse darauf geachtet werden, betont Bussemer, dass sie nicht von militärischer Seite vereinnahmt oder sogar missbraucht wird.

Wie groß die Aufmerksamkeit der Bundesregierung für den Geschlechteraspekt ist, hat sie erst kürzlich bewiesen. So sorgte die Besetzung des siebenköpfigen Vorstands der Entwicklungsorganisation GIZ für reichlich Kritik. Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel berief dafür ausschließlich Männer. Deren Blick entscheidet darüber, welche Probleme wahrgenommen, wofür Gelder ausgegeben oder welche Programme aufgesetzt werden und damit auch, wie stark die UN-Resolution beachtet wird. Ob sie künftig an Gewicht gewinnen sollte, wird nächste Woche im Bundestag diskutiert. Die erste Lesung des gemeinsamen Oppositionsantrags findet am Donnerstag (17. März) als Top 21 statt. Von Mitternacht bis 0.40 Uhr.

* Aus: Neues Deutschland, 8. März 2011


Auf der Website des Bundestags ist der gemeinsame Antrag der drei Oppositionsfraktionen bislang nicht zu finden. Stattdessen stehen dort noch die drei getrennten Anträge [externe Links]:



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