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Kein Schönheitswettbewerb in Riga

Gipfeltreffen mit der EU verlief für die östlichen Partnerländer eher enttäuschend

Von Toms Ancitis, Riga *

Bei ihrem Gipfeltreffen mit sechs östlichen Partnerländern in Riga sah sich die Europäische Union mit sehr unterschiedlichen Erwartungen konfrontiert.

Die größte Überraschung, die das Gipfeltreffen hervorgebracht hat, sind eigentlich die kilometerlange Staus in der Hauptstadt Riga - so heißt es in vielen lettischen Medien. Die Autofahrer haben zwar schon vorher damit gerechnet, dass sie wegen der aus Sicherheitsgründen gesperrten Straßen mehr Zeit benötigen werden, um den Weg zur Arbeit am Morgen zu bewältigen. Dennoch war es für viele Menschen ein Schock, dass sie für die Verstärkung der östlichen Partnerschaft mit stundenlangen Verspätungen bezahlen müssen.

Der Gipfel selbst ist ohne bedeutende Entscheidungen und Neuigkeiten über die politische Bühne gegangen. Die drei Länder der östlichen Partnerschaft, die bereits die Assoziierungs-Abkommen unterzeichnet haben - Georgien, Moldau und insbesondere die Ukraine - haben gehofft, dass sie während des Gipfeltreffen ein klares Signal über ihre künftigen EU-Beitrittschancen erhalten. Die Hoffnungen wurden nicht erfüllt. Denn diese Frage stand nicht auf der Tagesordnung.

Bei diesem Treffen gehe nicht um eine mögliche Erweiterung der Union, hatte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mitgeteilt. »Sie sind dafür nicht bereit, wir auch nicht, und der Prozess geht weiter«, lapidarte er. Statt Beitrittsperspektiven ist im Abschlussdokument von »europäischen Bestrebungen« die Rede.

Als eine Tendenz zeigte sich, dass die EU-Haltung gegenüber den Ländern der östlichen Partnerschaft immer differenzierter wird. Die Tür steht zwar offen, aber entscheidend sind die erfüllten oder nicht erfüllten Beitrittskriterien. Nichts anderes sei der Knackpunkt beim möglichen Beitritt zur EU, verkündete der lettische Außenminister Edgars Rinkevics. Diejenigen Länder, die mehr Fortschritte zeigen, haben auch mehr Hoffnungen: »Beweisen Sie bitte, dass Sie die Versprechen halten und die Kriterien erfüllen können.«

Schon vor dem Gipfel betonten sowohl das für die Tagesordnung zuständige Lettland als auch die Staatschefs der anderen EU-Länder, dass das Treffen nicht »gegen Russland« gerichtet sei. Das wiederholte beim Gipfel noch einmal der EU-Ratspräsident Donald Tusk, der erklärte, das Rigaer Gipfeltreffen kein »Schönheitswettbewerb« zwischen EU und Russland. Dennoch fügte er hinzu: »Aber ganz offen gestanden: Schönheit zählt. Wenn Russland etwas weicher, charmanter, attraktiver wäre, müsste es seine Unzulänglichkeiten vielleicht nicht mit destruktiven, aggressiven und schikanierenden Taktiken gegenüber seinen Nachbarn kompensieren«.

Die heftigsten Diskussionen während des Gipfeltreffens gingen erwartungsgemäß gerade um das Thema Russland - Ukraine. Armenien und Belarus, die traditionell gute Beziehungen zu Moskau pflegen, wollten die vorbereitete Abschlussdeklaration nicht unterzeichnen, weil darin die russische Annexion der Schwarzmeerhalbinsel Krim verurteilt wurde und forderten, dass ihre abweichende Haltung im Dokument vermerkt wird. Ansonsten enthält das Abschlussdokument keine besonderen Punkte, die die Länder der östlichen Partnerschaft erhofft hatten - auch über die Visafreiheit für die Ukraine und Georgien wurde noch nicht entschieden, aber es bestehen Hoffnungen, dass die Ukrainer und Georgier die Visafreiheit im Zeitraum von ein Jahre erhalten können, sagte am Freitag die lettische Staatschefin Laimdota Straujuma.

* Aus: neues deutschland, Samstag, 23. Mai 2015


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