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Historischer Rückschritt

Nach dem EU-Gipfel: Die neue Ordnung der europäischen Verfassung

Im Folgenden dokumentieren wir einen Beitrag über die Konstruktion des neuen Europa nach der Annahme der EU-Verfassung durch die Regierungschefs beim Gipfel in Brüssel am 17./18. Juni 2004.


Von Andreas Wehr*

Im zweiten Anlauf ist es geglückt. Am 18. Juni haben sich die Staats- und Regierungschefs der 25 EU-Mitgliedsstaaten auf den Text einer europäischen Verfassung geeinigt (siehe jW vom 21. Juni). Die Europäische Union soll danach auf Grundlage eines Dokuments weiterentwickelt werden, das von einem Aufrüstungsgebot für die Mitgliedstaaten spricht. Ein in dieser Verfassung als Unionseinrichtung vorgesehenes »Amt für Rüstung, Forschung und militärische Fähigkeiten« wird »zweckdienliche Maßnahmen zur Stärkung der industriellen und technologischen Basis des Verteidigungssektors« vorschlagen und durchsetzen helfen. Die Schaffung eigener europäischer militärischer Kapazitäten wird als ausdrückliches Verfassungsziel angegeben. Mit der Möglichkeit einer neuen »strukturierten Zusammenarbeit« einzelner williger Staaten wird der institutionelle Rahmen für ein gesondertes Militärbündnis innerhalb der EU geschaffen. Die Militarisierung der Europäischen Union wird mit dieser Verfassung vorangetrieben.

Die Prinzipien des Neoliberalismus erhalten Verfassungsrang. In den »Zielen der Union« ist zwar beschönigend noch die Rede von einer »in hohem Maße wettbewerbsfähigen sozialen Marktwirtschaft, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt sowie auf ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität«. Im konkreten Politikteil wird dann aber Klartext geredet von der »Festlegung« auf den »Grundsatz der offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb«. Beschäftigungspolitik bleibt den »Grundzügen der Wirtschaftspolitik« untergeordnet, geprägt durch die einseitige Orientierung der Zentralbank am Ziel der »Preisstabilität« und durch den unveränderten »Stabilitätspakt«. In einer von der Regierungskonferenz dem Verfassungstext beigefügten »Erklärung zum Stabilitäts- und Wachstumspakt« werden diese Prinzipien nun noch einmal ausdrücklich unterstrichen. Da paßt es ins Bild, wenn der Steuerwettbewerb der Standorte ausdrücklich gefördert wird. Hier bleibt es beim Prinzip der Einstimmigkeit, so daß jedes der 25 Mitgliedsländer Entscheidungen blockieren kann. Zudem sollen überhaupt nur die indirekten Steuern harmonisiert werden können. Nicht vorgesehen ist die überfällige Angleichung direkter Steuern, besonders der Unternehmenssteuern, womit der ruinöse »Abwärtswettbewerb« bei staatlichen Einnahmen und bei der Finanzierung öffentlicher Aufgaben aufzuhalten wäre. Die neue europäische Verfassung stellt damit in der Entwicklung des Verfassungsrechts einen historischen Rückschritt gegenüber dem deutschen Grundgesetz dar, das noch von der Sozialpflichtigkeit des Eigentums und von der prinzipiellen Offenheit der Wirtschaftsordnung spricht.

Die Verfassung wird das grundsätzliche Demokratiedefizit der EU nicht beseitigen. Die Aufnahme der Grundrechtecharta und die vorsichtige Aufwertung des Europaparlaments sind zwar zu begrüßen. Von den Grundprinzipien einer demokratisch-parlamentarischen Verfassungsordnung bleibt der Entwurf aber weit entfernt. Das Europaparlament darf den Kommissionspräsidenten nicht wählen, sondern nur über einen einzigen Vorschlag des Rats abstimmen. Auch wird ihm das ureigene Recht eines jeden Parlaments zu eigenen Gesetzesinitiativen weiter vorenthalten.

All diese Einwände und Bedenken sind nicht neu. Sie wurden bereits unmittelbar nach der Vorlage des Entwurfs des Europäischen Konvents im Juli 2003 von kritischen Gewerkschaftern, Friedensaktivisten und auch von den europäischen Linksparteien formuliert. Und natürlich war nicht zu erwarten, daß Schröder, Chirac, Blair, Berlusconi und all die anderen Staats- und Regierungschefs ausgerechnet diese Aussagen der Verfassung noch einmal einer kritischen Diskussion aussetzen würden. Wer diese Illusion nährte und seine endgültige Entscheidung über die Verfassung erst von der Vorlage eines von der Regierungskonferenz überarbeiteten Entwurfs abhängig machen wollte, muß sich den Vorwurf der Blauäugigkeit gefallen lassen. Zu Recht besteht der Verdacht, daß damit nur die allmähliche Gewöhnung und Heranführung einer kritischen Öffentlichkeit an die Verfassung versucht wurde.

Es geht um Machterhalt

Sollte die Verfassung im Ratifizierungsprozeß der Mitgliedstaaten aber doch noch scheitern, so wird dies kaum jenen kritischen Kräften zuzurechnen sein, die die Verfassung aus den oben angegebenen inhaltlichen Gründen ablehnen. Dafür wird dieser Widerstand europaweit wohl leider zu schwach sein. Erheblich mehr Gegenwind wird von jenen Staaten kommen, die von den neuen institutionellen Verfahren der Verfassung weitreichende Souveränitätsverluste befürchten. Hier liegen die eigentlichen Klippen für das Projekt. Wer diese Konflikte geringschätzt oder gar als »übliches Geschacher eigennütziger Regierungen« abwertet, zeigt, daß er von Europa nichts verstanden hat. Die Europäische Union ist in erster Linie eine Aushandlungsebene nationaler Staaten, auf der beinhart die Interessen der Staaten, und hier vor allem der in ihnen herrschenden Klassen, aufeinander prallen.

Und so war es alles andere als Zufall, daß der erste Versuch zur Verabschiedung der Verfassung im Dezember 2003 am Streit über die Abstimmungsregelungen im Ministerrat und im Europäischen Rat scheiterte. Sowohl Polen als auch Spanien sahen damals zu Recht in diesen neuen Regelungen eine deutliche Verschlechterung ihrer in Nizza im Dezember 2000 errungenen Position. Mit der inzwischen erfolgten Abwahl der Rechtsregierung in Spanien und dem Zerfall der linken Regierung in Polen hatte sich das Blatt dann aber doch noch überraschend gewendet, und eine Einigung im Rat wurde möglich. Allerdings mußten die Protagonisten der Verfassung zugleich auch einige Abstriche von ihren ursprünglichen Zielen machen.

Worum geht es beim Umbau der Institutionen und bei der Neufassung der Abstimmungsregelungen? Eine der wichtigsten Aufgaben des Europäischen Konvents war es, Vorschläge für den institutionellen Aufbau der EU vorzulegen, mit denen die sogenannten »Left-overs«, jene seit dem Vertrag von Amsterdam 1997 ungelöst gebliebenen Fragen, geregelt werden sollten. Bei ihnen geht es vor allem um die zukünftige Größe der Europäischen Kommission, das Abstimmungsverfahren im Ministerrat und im Rat. Die Neuregelungen werden offiziell für unumgänglich gehalten, um die Union nach ihrer Erweiterung auf 25 Staaten handlungsfähig zu halten. Tatsächlich geht es aber in erster Linie darum, den Einfluß der dominierenden Länder der Alt-EU auch nach dem Beitritt einer ganzen Reihe kleiner, aber dennoch mit voller Souveränität ausgestatteter Staaten möglichst ungeschmälert zu erhalten, zumal mit der Osterweiterung einige Länder hinzukommen, die innenpolitisch als instabil gelten müssen und denen man unberechenbare Blockadehaltungen zutraut.

Eine verkleinerte EU-Kommission

Im Anschluß an den Beitritt der zehn neuen Staaten wird bei der für November 2004 anstehenden Neuwahl der Kommission die Zahl ihrer Mitglieder auf 25 ansteigen, da nach dem Vertrag von Nizza »der Kommission ein Staatsangehöriger jedes Mitgliedslandes angehört.« Nach verbreiteter Ansicht behindert eine solch große Zahl von Kommissaren die Arbeitsfähigkeit dieses Gremiums. Einige Staats- und Regierungschefs hatten deshalb bereits im Dezember 2000 auf der Tagung des Europäischen Rats in Nizza versucht, eine Regelung durchzusetzen, nach der die Kommission im Anschluß an die EU-Erweiterung wieder verkleinert werden kann. Dies stieß aber auf den entschiedenen Widerstand der mittleren und kleineren Mitgliedsländer und der in Nizza bereits mit am Tisch sitzenden Beitrittsstaaten. Sie sahen in dem national bestimmten Kommissar eine unverzichtbare Möglichkeit ihrer Einflußnahme auf die Entscheidungsfindung der Kommission.

Nach dem Konventsentwurf sollte die Zahl der Kommissare auf insgesamt 15 begrenzt werden. Um den Staaten, die noch in Nizza hartnäckig an »ihrem Kommissar« festhielten, diese Reduzierung schmackhaft zu machen, wurde die Funktion des »Kommissars ohne Stimmrecht« geschaffen, der wenigstens für die gleichzeitige Präsenz aller Mitgliedstaaten am Kommissionstisch sorgen sollte. Doch diese Maximalposition des Konvents war in der Regierungskonferenz nicht durchsetzbar. So bleibt es nun zunächst beim Prinzip »ein Kommissar für jedes Land«. Erst von 2014 an wird die Zahl der Kommissare um ein Drittel reduziert; bei der gegenwärtigen EU der 25 gäbe es dann 18 Kommissare.

Streit um Abstimmungsregelung

Wichtiger als der Streit um die Größe der Kommission war die Kontroverse um die Abstimmungsregelung im Ministerrat und im Europäischen Rat. Im Dezember 2000 wurden in Nizza diese Regeln neu festgelegt. Frankreich beharrte darauf, mit 29 der sogenannten »gewichteten« Stimmen gleich viel wie Deutschland zu erhalten. Ebenfalls 29 bekamen Italien und Großbritannien. Polen und Spanien wurden jeweils 27 zugestanden. In Nizza wurde aber auch erstmalig die Berücksichtigung des demographischen Faktors bei Abstimmungen beschlossen. Danach kann ein Beschluß angefochten werden, wenn er nicht mindestens 62 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentiert. Die Bevölkerungsquote kann aber nur angewandt werden, um Beschlüsse zu verhindern, sie vermag nicht, bei Abstimmungen Stimmendefizite auszugleichen. Nach dem geltenden Vertrag von Nizza sind für eine qualifizierte Mehrheit erforderlich: In der auf 25 Staaten erweiterten EU mindestens 72,3 Prozent der sogenannten gewichteten Stimmen, eine Mehrheit der Mitgliedstaaten und, sollte dies von einem Mitgliedstaat verlangt werden, der Nachweis, daß die hinter dem Beschluß stehende qualifizierte Mehrheit im Ministerrat zumindest 62 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentiert.

Der zumindest von den Regierungschefs der EU abgesegnete Verfassungsentwurf sieht nun vor, diesen demographischen Faktor zu einer von zwei Bedingungen für das Zustandekommen eines jeden mit qualifizierter Mehrheit gefaßten Beschlusses zu machen. Danach müssen 55 Prozent der Mitgliedsländer, die zugleich 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren, hinter einem Beschluß stehen. Für eine Sperrminorität müssen sich mindestens vier Länder zusammenfinden. Nach dem ursprünglichen Konventsentwurf sollte für einen Beschluß sogar nur die einfache Mehrheit der Mitgliedstaaten und 60 Prozent der EU-Bevölkerung ausreichen. Doch nach dem Veto von Spanien und Polen gegen diese Bestimmung war klar, daß die Verfechter der Einführung des demographischen Faktors – insbesondere Frankreich und Deutschland – hier Kompromisse eingehen mußten.

Träte dagegen die Bevölkerungszahl als positives Kriterium an die Stelle der gewichteten Stimmen, so würden sich die Machtverhältnisse zwischen den Staaten erheblich verschieben. Begünstigt wären davon die vier bevölkerungsstärksten Länder, und hier insbesondere wiederum Deutschland. Da die Länder Frankreich, Großbritannien, Italien und Deutschland gegenwärtig jeweils 29 gewichtete Stimmen haben, beträgt ihr prozentualer Anteil an den 345 Gesamtstimmen nach der Erweiterung nur jeweils 8,4 Prozent. Ganz anders sähe es hingegen aus, wenn die Bevölkerungszahl zum entscheidenden Kriterium wird. Dann würde sich allein der Anteil Deutschlands glatt auf 17 Prozent verdoppeln, und die Anteile Frankreichs, Großbritanniens und Italiens würden sich auf immerhin jeweils ca. zwölf Prozent erhöhen. Da sich aber die Anteile Spaniens und Polens nur geringfügig von 7,8 auf acht Prozent vergrößerten, ginge der Einfluß dieser beiden Staaten zurück. Dies war denn auch der Grund für ihren hartnäckigen Widerstand.

Betrachtet man nun die möglichen Rückwirkungen der neuen Regelung auf denkbare Konstellationen bei Koalitionsbildungen im Ministerrat und im Europäischen Rat, so ist bereits auf einen Blick erkennbar, daß die vier Großen mit zusammen 53 Prozent bereits dicht an die erforderlichen 65 Prozent der EU-Bevölkerung heranreichen. Für das Zustandekommen qualifizierter Mehrheiten bedarf es aber zudem noch der Zustimmung von 55 Prozent der Mitgliedstaaten. Hier besitzt jeder Staat nur eine Stimme, egal ob es sich um Malta oder um Deutschland handelt. Da die vier großen Länder aber nur noch wenige Bündnispartner zum Erreichen der 65-Prozent-Schwelle bei der Bevölkerungszahl benötigen, werden sie bei der Suche nach einer Mehrheit der Mitgliedstaaten freier in ihrer Wahl. Es steigt daher auch die Bedeutung der kleinen Staaten, denn sie werden bei der Herstellung von 55 Prozent der Mitgliedstaaten dringend gebraucht. Verlierer sind dagegen die mittelgroßen Länder, neben Polen und Spanien die Niederlande, aber auch Staaten mit jeweils rund zehn Millionen Einwohnern, wie Belgien, Griechenland, Portugal, Ungarn und die Tschechische Republik. Da mit der Einführung des demographischen Faktors ihr Gewicht zurückgeht, sinkt auch ihre Bedeutung als Bündnispartner.

Die Abstimmungsregelungen sind für die politischen Auseinandersetzungen in der EU von entscheidender Bedeutung, insbesondere bei der Ausfechtung der anstehenden Verteilungskonflikte. Dies gilt sowohl für die Neuordnung der gemeinsamen Agrarpolitik als auch für die Zukunft der Regional- und Strukturfonds. Verlieren die neuen Mitgliedstaaten ihre in nach geltenden Nizza-Regelung der EU der 25 festgeschriebene Sperrminorität, so wird es für sie sehr viel schwerer werden, etwa bei den Entscheidungen über die Reform der Regional- und Strukturpolitik, ihre Interessen zur Geltung zu bringen. Das betrifft auch die von Transferleistungen der Union besonders abhängigen Kohäsionsländer Spanien, Griechenland, Portugal, Irland und eben bald auch die osteuropäischen Staaten.

Eine neue Hegemonialordnung

Direkt nach dem Scheitern des ersten Anlaufs zur Verabschiedung der europäischen Verfassung im Dezember 2003 wurde von den Regierungen in Berlin und Paris der Eindruck erzeugt, als führe an der Schaffung einer kerneuropäischen Zusammenarbeit einiger weniger Mitgliedstaaten, gruppiert um die deutsch-französische Achse, kein Weg mehr vorbei. Inzwischen ist es um diesen Vorschlag wieder sehr viel ruhiger geworden. Der deutsche Außenminister Joseph Fischer, der am Beginn der Verfassungsdiskussion im Mai 2000 noch von der Notwendigkeit eines »Gravitationszentrums« um Deutschland und Frankreich gesprochen hatte, sieht nun in »klein-europäischen Vorstellungen« nur noch Lösungen, die »die strategische Dimension des Kontinents nicht ausfüllen können.« Und in einem Interview sagte er auf die Frage, welche Inhalte seiner Berliner Humboldt-Rede vom 12.5.2000 (»Vom Staatenbund zur Föderation – Gedanken über die Finalität der Europäischen Integration«) er heute anders formulieren würde: »Es ist die Frage, ob eine kerneuropäische Perspektive außerhalb der Verfassung im heutigen Europa noch Bestand haben könnte.« Und in der Tat, warum sollte auch auf eine kerneuropäische Lösung orientiert werden, wo doch nach der Verfassung die vier großen Staaten zusammen nur noch dicht unterhalb der zur Erreichung qualifizierter Mehrheiten erforderlichen Grenze blieben?

Ob die europäische Verfassung am Ende aber auch in allen Mitgliedstaaten durchsetzbar ist, muß sich noch zeigen. Unklar ist, was die Unterschrift des polnischen Ministerpräsidenten Marek Belka, der im eigenen Parlament keine Mehrheit hinter sich bringen kann, tatsächlich wert ist. Auch ist zu fragen, wen der tschechische Ministerpräsident Vladimir Spidla noch repräsentiert, dessen sozialdemokratische Partei bei den Europawahlen nur drittstärkste Kraft wurde. Sowohl die beiden vor ihr liegenden Parteien als auch der tschechische Staatspräsident Vaclav Klaus lehnen den Verfassungsentwurf hingegen klar ab. Und was ist von dem undurchsichtigen Manöver Anthony Blairs zu halten, der das Scheitern der Verfassung in einem Referendum offensichtlich einkalkuliert, um das Thema aus dem Unterhauswahlkampf herauszuhalten? Ungewiß ist auch der Ausgang der vorgesehenen Abstimmungen in Spanien, Dänemark, Irland, den Niederlanden, Portugal, Luxemburg, in der Tschechischen Republik und womöglich in Frankreich. Und in all diesen Staaten wird die Frage im Mittelpunkt stehen, ob man die veränderten Institutionen und Abstimmungsmechanismen noch als geeignet ansehen kann, um das jeweilige nationale Gewicht ausreichend zur Geltung zu bringen.

Hier zeichnen sich neue Reibungsflächen oder gar Bruchlinien einer erweiterten EU ab, da immer mehr Staaten den weitreichenden Souveränitätsverzicht nicht hinnehmen. Mit dem Verfassungsvertrag werden nun aber gerade jene Bestimmungen für eine neue europäische Ordnung festgelegt, mit denen der Kern über die Peripherie der EU seine Hegemonie entwickeln kann. Von der Entscheidung über diese Verfassung wird daher der gesamte weitere Weg der Europäischen Union abhängen.

* Andreas Wehr ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Konföderalen Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke (GUE/NGL) im Europäischen Parlament. Zum europäischen Verfassungsprozeß erschien von ihm im April 2004 im PapyRossa Verlag das Buch "Europa ohne Demokratie? Die europäische Verfassungsdebatte – Bilanz, Kritik und Alternativen".

Aus: junge Welt, 23. Juni 2004


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