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"Allerdings haben wir in einigen Bereichen Bedenken"

US-Botschafter Michael Punke erläutert vor der Welthandelsorganisation WTO in Genf den Standpunkt der USA zu den Freihandelsverhandlungen mit der EU


Im Folgenden dokumentieren wir die Erklärung von Botschafter Michael Punke vor der Welthandelsorganisation WTO in Genf vom 16. Juli 2013: "Überprüfung der EU-Handelspolitik bei der WTO". Die Übersetzung besorgte der Amerika-Dienst.

Botschafter Michael Punke

Vielen Dank, Herr Vorsitzender. Wir heißen den stellvertretenden Generaldirektor Peter Balas, Botschafter Pangratis und die gesamte Delegation zur elften Überprüfung der Handelspolitik und -praktiken der Europäischen Union wieder in Genf willkommen. Wir danken der EU-Delegation für das sorgfältig vorbereitete Material. Wir bedanken uns ebenso beim Sekretariat für den informativen Bericht sowie bei Botschafter Yeend für seine aufschlussreichen Anmerkungen.

Angesichts der kürzlich abgeschlossenen ersten Verhandlungsrunde über die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft TTIP ist dies ist eine spannende und passende Gelegenheit für diesen Austausch mit unseren EU-Kollegen. Die Regierung der Vereinigten Staaten schätzt die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zur EU sehr. Der Handel zwischen unseren Volkswirtschaften macht fast die Hälfte des weltweiten BIP und 30 Prozent des Welthandels aus. Jeden Tag werden Waren und Dienstleistungen in Höhe von fast drei Milliarden US-Dollar über den Atlantik hinweg gehandelt. Unsere Investitionsbeziehungen haben im Jahr 2011 einen Wert von fast vier Billionen US-Dollar erreicht. Alle fünf Minuten werden mehr als neun Millionen US-Dollar zwischen uns gehandelt.

Dennoch sind wir der Meinung, dass die Wirtschaftsbeziehungen zwischen der EU und den Vereinigten Staaten eine noch produktivere Quelle für Handel, Arbeitsplätze und Wachstum sein können. Diese Überzeugung hat führende Politiker in der EU und den Vereinigten Staaten dazu veranlasst, die Verhandlungen zu TTIP aufzunehmen.

Die Vereinigten Staaten und weitere WTO-Mitgliedsstaaten haben in den vergangenen Jahrzehnten von der starken Fürsprache der EU für ein multilaterales Handelssystem sowie für einen stetigen Abbau der Handelsbarrieren in aufeinanderfolgenden multilateralen Handelsgesprächen profitiert. Die EU ist ebenso wie wir der Auffassung, dass das TTIP die durch das multilaterale Handelssystem entstandene Liberalisierung des Handels ergänzen und erweitern kann.

Wir freuen uns sehr darüber, dass es für den Großteil unseres bilateralen Handels mit der EU keine großen Handelshemmnisse gibt, und dass die Unstimmigkeiten, die gelegentlich bei bilateralen und multilateralen Themen auftreten, unsere intensive Zusammenarbeit in anderen Themenbereichen nicht stören.

Allerdings haben wir in einigen Bereichen Bedenken bezüglich handels- und investitionspolitischer Maßnahmen der EU. Ich möchte kurz einige dieser Bedenken hervorheben, von denen viele bereits in diesem Forum sowie in anderen bilateralen und multilateralen Foren Erwähnung gefunden haben.

Erstens gibt es unsererseits nach wie vor erhebliche Bedenken angesichts der EU-Handelsbarrieren für unsere Agrarexporte. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die hohen Zölle als auch die nichttarifären Hemmnisse, einschließlich sanitärer und phytosanitärer Maßnahmen, die weder auf wissenschaftliche Erkenntnisse noch einer Risikobewertung beruhen. Die EU verbietet beispielsweise die Nutzung von Ractopamin in der Viehzucht, obwohl die EU weder gültige Risikoanalysen noch eindeutige wissenschaftliche Beweise vorgelegt hat, die ihr Vorgehen untermauern, und obwohl es maßgebliche internationale Standards gibt, die Maximalwerte für Rückstände in Produkten aus Rind und Schwein festlegen. Die EU hält zudem an Beschränkungen des Imports und der Vermarktung bestimmter Erzeugnisse aus der Agrarbiotechnologie fest, was zu einer gravierenden Behinderung des Handels führt. Aufgrund dieser und anderer Einschränkungen waren US-Agrarexporteure nicht in der Lage, die Vorteile für den Marktzugang voll zu nutzen, zu denen sich die EU während der Uruguay-Runde verpflichtet hatte.

Zweitens zählen andere nichttarifäre Hemmnisse nach wie vor zu den größten Hindernissen für US-Exporte in die Europäische Union. Wie wir immer wieder im TBT-Ausschuss der WTO angemerkt haben, verfolgen die Vereinigten Staaten die Maßnahmen und Vorgehensweisen der EU hinsichtlich der Entwicklung und Umsetzung technischer Rechtsvorschriften, Standards und der Einschätzung der Befolgung mit Sorge, und wir haben außerdem Bedenken bezüglich konkreter Maßnahmen, die eine Reihe von US-Exporteuren in vielen Sektoren betreffen, unter anderem in den Bereichen Chemie und Weinbau.

Die Gesetzgebungs- und Regulierungsverfahren der EU bieten den WTO-Mitgliedsstaaten und ihren den Betroffenen für gewöhnlich keine angemessene Gelegenheit, ihre Meinung zu Vorschlägen für Rechtsvorschriften zu äußern. Außerdem haben wir mit Besorgnis einen Mangel von Mechanismen festgestellt, durch die sichergestellt wird, dass die Beiträge von Betroffenen in der endgültigen Rechtsvorschrift berücksichtigt werden. Unserer Erfahrung nach schreiten die Verhandlungen innerhalb der Kommission und unter den EU-Mitgliedsstaaten über Entwürfe zu Rechtsakten zu schnell voran, als dass Handelspartner und ihre Interessensgruppen ihre Ansichten zu den vorgelegten Entwürfen äußern können. Wenn die EU diese Meinungen schließlich berücksichtigt, ist es häufig zu spät, um den Entwurf inhaltlich zu beeinflussen, selbst wenn es um Themen geht, die enorme Auswirkungen auf den Handel haben.

Zudem haben wir die EU in Bezug auf sektorenspezifische Fragen gebeten, ihre Herangehensweise an die Errechnung eines Höchstwertes für Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in Produkten darzulegen, für die eine Registrierung aufgrund besonderer Gefahrenmerkmale vorübergehend oder dauerhaft ausgesetzt wurde.

Des weiteren haben wir bereits im Antidumpingausschussder WTO geäußert, dass wir nach wie vor von der Art und Weise enttäuscht sind, wie die EU ihre Untersuchungen der US-Bioethanolexporte durchführt, die zu einer Einführung von Antidumpingzöllen geführt haben. Die Vereinigten Staaten haben während und nach den Untersuchungen eine Reihe wichtiger Themen im Zusammenhang mit dem Verfahren und der Methodik angesprochen. Diese Themen geben im Rahmen des Antidumpingabkommens der WTO nach wie vor Anlass zur Sorge.

Darüber hinaus möchten wir unserer schon langgehegten Sorge über die Subventionen der EU für ihre eigene Fischereiflotte sowie über die Auswirkungen Ausdruck verleihen, die die sich ergebenden Überkapazitäten auf überfischte Arten in der EU und in internationalen Gewässern haben. Unserem Kenntnisstand zufolge unternimmt die EU derzeit Bemühungen zur Reform ihrer Gemeinsamen Fischereipolitik. Wir drängen die EU in Ergänzung ihrer bewährten Fischereipraktiken dazu, echte Reformen ihrer Fischereisubventionen durchzusetzen.

Schließlich behindert die inkonsequente Umsetzung von Regeln für den Binnenmarkt den Handel von Produzenten in der EU sowie in anderen Ländern gleichermaßen. Wir begrüßen die Bemühungen der Europäischen Kommission, die internen Hemmnisse für die Freizügigkeit von Waren zu beseitigen und freuen uns darauf zu erfahren, wie die EU beabsichtigt, gegen bestehende Hindernisse für den freien Austausch von Gütern auf EU-Ebene und auf Ebene der Mitgliedsstaaten vorzugehen, einschließlich gegen diejenigen, die wissenschaftlich nicht gerechtfertigt sind.

Wir danken der EU für die Antworten auf unsere schriftlichen Fragen. Wir wollten Themen ansprechen, die wir für besonders bedeutend halten und auf die wir allein keine Antworten erhalten konnten. Wir hoffen, dass andere beabsichtigen, bei zukünftigen Überprüfungen der Handelspolitik (Trade Policy Reviews – TPR) der Mitgliedsstaaten ebenfalls so vorzugehen.

Abschließend begrüßen die Vereinigten Staaten diese Gelegenheit in der Hoffnung, dass unser Austausch während dieser Überprüfung der Handelspolitik Möglichkeiten für die EU-Handelspolitik aufzeigt, mehr derartiger Vorteile zu schaffen, wie wir sie bereits alle aus dem Handel mit den EU-Mitgliedsstaaten ziehen.

Vielen Dank.

Originaltext: Ambassador Punke at WTO Trade Policy Review of EU in Geneva
Herausgeber: US-Botschaft Berlin, Abteilung für öffentliche Angelegenheiten; http://blogs.usembassy.gov/amerikadienst/



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