"Ungesteuerter" Südosteuropa-Gipfel
Südosteuropäischer Kooperationsprozesses (SEECP): Zusammenarbeit soll neuen Rahmen erhalten
Von Veronika Wengert, Zagreb *
Weichen für eine regionale Zusammenarbeit in Südosteuropa sollen gestellt werden, wenn am
Donnerstag und Freitag (10. und 11. Mai) führende Politiker von elf südosteuropäischen Staaten in der kroatischen
Hauptstadt Zagreb zusammentreffen. Beim Gipfeltreffen des Südosteuropäischen
Kooperationsprozesses (SEECP) wird auch Bundeskanzlerin Angela Merkel erwartet.
Die Zusammenarbeit in Südosteuropa soll einen neuen Rahmen erhalten: Der Stabilitätspakt für
diese Region soll künftig von einem etwas verkleinerten Kooperationsrat (RCC – Regional
Cooperation Council) abgelöst werden. Dessen Arbeitsbeginn ist für Februar 2008 vorgesehen. Das
Neue an diesem Zusammenschluss soll sein, dass die zentrale Koordination der Staaten nicht mehr
»von außen« – also aus Brüssel – gesteuert wird, sondern ihren Sitz in Südosteuropa selbst haben
wird. In welcher Hauptstadt genau, das ist allerdings noch nicht bekannt – und zugleich eines der
wichtigsten Themen, über die am Donnerstag und Freitag beim Gipfeltreffen in Zagreb entschieden
werden soll.
Erwartet werden Staats- und Regierungschefs sowie Außenminister aus ganz Südosteuropa, die im
Rahmen des Südosteuropäischen Kooperationsprozesses (SEECP – South East European
Cooperation Process) zusammentreffen. Dieses Forum, im Juni 1996 gebildet, hat weder ein Budget
noch ein ständiges Sekretariat, den Vorsitz führt jeweils für ein Jahr ein Mitgliedstaat. Kroatien hatte
die Präsidentschaft vor einem Jahr von Griechenland übernommen und gibt den Staffelstab beim
diesjährigen, üblicherweise im Frühjahr tagenden Gipfel an Bulgarien weiter, das sich im
kommenden Jahr um die Organisation des SEECP kümmern wird. Erstmalig in diesem Jahr ist
Montenegro mit von der Partie, das sich im Mai 2006 aus dem Staatenbund mit Serbien gelöst hatte.
Der SEECP soll die Zusammenarbeit in Südosteuropa fördern und zugleich als einheitliches
Sprachrohr der Region gegenüber der Weltöffentlichkeit dienen. Neben dem Stabilitätspakt für
Südosteuropa und dem neuen Mitteleuropäischen Freihandelsabkommen CEFTA, das im Dezember
2006 in Bukarest unterzeichnet wurde, gilt er als eine Art Vorstufe für einen perspektivischen Beitritt
der südosteuropäischen Staaten zur Europäischen Union. Er soll denn auch die »proeuropäischen
Kräfte« der Region stärken und zur Zusammenarbeit anregen.
Bislang sind bereits drei SEECP-Staaten Mitglied der EU: Griechenland, Bulgarien und Rumänien.
Dazu kommen die CEFTA-Staaten Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Mazedonien,
Moldova, Montenegro und Serbien sowie die Türkei.
So erfreulich diese Entwicklungen in Westeuropa auch dargestellt werden – in der Region selbst
werden auch Gegenstimmen laut. So warnte die konservative kroatische Kulturzeitung »Hrvatsko
Slovo« (Kroatisches Wort) in ihrer jüngsten Ausgabe vor einem »neuen Jugoslawien«. Selbst wenn
innerhalb des SEECP ganz leger einige Staaten flanieren würden, die einst nicht zum sozialistischen
Jugoslawien gehörten, sei es nur allzu offensichtlich, dass die übrigen Staaten nur ein
»schmückendes Beiwerk auf der Torte« seien, die man nach Erfüllung ihrer Funktion – einem neuen
jugoslawischen Bündnis – elegant entfernen würde, hieß es in dem Beitrag. Vielleicht auch deshalb
bleibt das EU-Mitglied Slowenien, obgleich der Region zugehörig, dem SEECP fern.
Ähnliche Reaktionen hatte bereits die Debatte um das Freihandelsabkommen CEFTA im Vorjahr
hervorgerufen. Ursprünglich war CEFTA 1992 von Polen, Ungarn und der damaligen
Tschechoslowakei gegründet worden, doch die Gründer sind wegen ihres Beitritts zur EU bereits
wieder ausgeschieden. Inzwischen umfasst die Freihandelszone den sogenannten Westbalkan
einschließlich Moldovas. Führende kroatische Tageszeitungen hatten angesichts dessen in dicken
Lettern deutlich gemacht, dass man eigentlich kein »neuerliches Jugoslawien« mehr wolle.
Kritik kam daraufhin prompt aus Brüssel: Zagrebs Nationalisten wurden darauf hingewiesen, dass
die regionale Wirtschaftskooperation in gewisser Weise eine »Vorbereitung« auf einen späteren EUBeitritt
sei. Entsprechend rasch verstummte die öffentliche Kritik beim EU-Beitrittskandidaten
Kroatien wieder. Die Regierung in Zagreb regte sogar an, die EU-Kommission solle Mitglied des
SEECP werden. Womit denn wohl die Frage nach der »Steuerung von außen« geklärt wäre.
* Aus: Neues Deutschland, 9. Mai 2007
Weitere Beiträge zu Europa
Zurück zur Homepage