Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

"Ungesteuerter" Südosteuropa-Gipfel

Südosteuropäischer Kooperationsprozesses (SEECP): Zusammenarbeit soll neuen Rahmen erhalten

Von Veronika Wengert, Zagreb *

Weichen für eine regionale Zusammenarbeit in Südosteuropa sollen gestellt werden, wenn am Donnerstag und Freitag (10. und 11. Mai) führende Politiker von elf südosteuropäischen Staaten in der kroatischen Hauptstadt Zagreb zusammentreffen. Beim Gipfeltreffen des Südosteuropäischen Kooperationsprozesses (SEECP) wird auch Bundeskanzlerin Angela Merkel erwartet.

Die Zusammenarbeit in Südosteuropa soll einen neuen Rahmen erhalten: Der Stabilitätspakt für diese Region soll künftig von einem etwas verkleinerten Kooperationsrat (RCC – Regional Cooperation Council) abgelöst werden. Dessen Arbeitsbeginn ist für Februar 2008 vorgesehen. Das Neue an diesem Zusammenschluss soll sein, dass die zentrale Koordination der Staaten nicht mehr »von außen« – also aus Brüssel – gesteuert wird, sondern ihren Sitz in Südosteuropa selbst haben wird. In welcher Hauptstadt genau, das ist allerdings noch nicht bekannt – und zugleich eines der wichtigsten Themen, über die am Donnerstag und Freitag beim Gipfeltreffen in Zagreb entschieden werden soll.

Erwartet werden Staats- und Regierungschefs sowie Außenminister aus ganz Südosteuropa, die im Rahmen des Südosteuropäischen Kooperationsprozesses (SEECP – South East European Cooperation Process) zusammentreffen. Dieses Forum, im Juni 1996 gebildet, hat weder ein Budget noch ein ständiges Sekretariat, den Vorsitz führt jeweils für ein Jahr ein Mitgliedstaat. Kroatien hatte die Präsidentschaft vor einem Jahr von Griechenland übernommen und gibt den Staffelstab beim diesjährigen, üblicherweise im Frühjahr tagenden Gipfel an Bulgarien weiter, das sich im kommenden Jahr um die Organisation des SEECP kümmern wird. Erstmalig in diesem Jahr ist Montenegro mit von der Partie, das sich im Mai 2006 aus dem Staatenbund mit Serbien gelöst hatte.

Der SEECP soll die Zusammenarbeit in Südosteuropa fördern und zugleich als einheitliches Sprachrohr der Region gegenüber der Weltöffentlichkeit dienen. Neben dem Stabilitätspakt für Südosteuropa und dem neuen Mitteleuropäischen Freihandelsabkommen CEFTA, das im Dezember 2006 in Bukarest unterzeichnet wurde, gilt er als eine Art Vorstufe für einen perspektivischen Beitritt der südosteuropäischen Staaten zur Europäischen Union. Er soll denn auch die »proeuropäischen Kräfte« der Region stärken und zur Zusammenarbeit anregen.

Bislang sind bereits drei SEECP-Staaten Mitglied der EU: Griechenland, Bulgarien und Rumänien. Dazu kommen die CEFTA-Staaten Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Mazedonien, Moldova, Montenegro und Serbien sowie die Türkei.

So erfreulich diese Entwicklungen in Westeuropa auch dargestellt werden – in der Region selbst werden auch Gegenstimmen laut. So warnte die konservative kroatische Kulturzeitung »Hrvatsko Slovo« (Kroatisches Wort) in ihrer jüngsten Ausgabe vor einem »neuen Jugoslawien«. Selbst wenn innerhalb des SEECP ganz leger einige Staaten flanieren würden, die einst nicht zum sozialistischen Jugoslawien gehörten, sei es nur allzu offensichtlich, dass die übrigen Staaten nur ein »schmückendes Beiwerk auf der Torte« seien, die man nach Erfüllung ihrer Funktion – einem neuen jugoslawischen Bündnis – elegant entfernen würde, hieß es in dem Beitrag. Vielleicht auch deshalb bleibt das EU-Mitglied Slowenien, obgleich der Region zugehörig, dem SEECP fern.

Ähnliche Reaktionen hatte bereits die Debatte um das Freihandelsabkommen CEFTA im Vorjahr hervorgerufen. Ursprünglich war CEFTA 1992 von Polen, Ungarn und der damaligen Tschechoslowakei gegründet worden, doch die Gründer sind wegen ihres Beitritts zur EU bereits wieder ausgeschieden. Inzwischen umfasst die Freihandelszone den sogenannten Westbalkan einschließlich Moldovas. Führende kroatische Tageszeitungen hatten angesichts dessen in dicken Lettern deutlich gemacht, dass man eigentlich kein »neuerliches Jugoslawien« mehr wolle.

Kritik kam daraufhin prompt aus Brüssel: Zagrebs Nationalisten wurden darauf hingewiesen, dass die regionale Wirtschaftskooperation in gewisser Weise eine »Vorbereitung« auf einen späteren EUBeitritt sei. Entsprechend rasch verstummte die öffentliche Kritik beim EU-Beitrittskandidaten Kroatien wieder. Die Regierung in Zagreb regte sogar an, die EU-Kommission solle Mitglied des SEECP werden. Womit denn wohl die Frage nach der »Steuerung von außen« geklärt wäre.

* Aus: Neues Deutschland, 9. Mai 2007


Weitere Beiträge zu Europa

Zurück zur Homepage