Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

"... ist der Auffassung, dass auch höhere Investitionen in die Verteidigung für die Interessen der europäischen Sicherheit von ausschlaggebender Bedeutung sind ..."

Europäisches Parlament klärt ihr Verhältnis zur NATO - Im Wortlaut: Beschluss des EU-Parlaments, Begründung des Antrags, Abweichende Meinung, Erklärung des Abgeordneten Tobias Pflüger

Im Folgenden dokumentieren wir

  1. den Bericht des über eine Liste in Frankriech gewählten finnischen Abgeordneten Ari Vatanen an das Europäische Parlament über das Verhältnis der Europäischen Union zur NATO. Dieser Bericht (gleichzeitig Entwurf eines Entschließungsantrags) wurde im zuständigen Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten am 21. Januar 2009 mit 37 Ja-Stimmen gegen 11-Nein-Stimmen bei 17 Enthaltungen angenommen. Im EU-Parlament wurde der Bericht am 19. Februar mehrheitlich gebilligt;
  2. die Begründung zu diesem Bericht;
  3. ein Minderheitenvotum im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten und
  4. eine Erklärung des Europaabgeordneten der Linksfraktion (GUE/NGL) Tobias Pflüger im EU-Parlament am 19. Februar.



ENTWURF EINER ENTSCHLIESSUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS

zu Die Rolle der NATO im Rahmen der Sicherheitsarchitektur der EU

(2008/2197(INI)

Das Europäische Parlament,
  • unter Hinweis auf die gemeinsame Erklärung der EU und der NATO vom 16. Dezember 2002,
  • unter Hinweis auf die Charta der Vereinten Nationen,
  • unter Hinweis auf den am 4. April 1949 in Washington unterzeichneten Nordatlantikvertrag,
  • gestützt auf Titel V des Vertrags über die Europäische Union,
  • gestützt auf den Vertrag von Lissabon, der am 13. Dezember 2007 unterzeichnet und von der überwiegenden Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten ratifiziert wurde,
  • unter Hinweis auf den umfassenden Rahmen für ständige Beziehungen zwischen der EU und der NATO, der vom Generalsekretär des EU-Rates/dem Hohen Vertreter für die Gemeinsame Sicherheits- und Außenpolitik und dem Generalsekretär der NATO am 17. März 2003 beschlossen wurde,
  • unter Hinweis auf die vom Europäischen Rat am 12. Dezember 2003 angenommene Europäische Sicherheitsstrategie (ESS),
  • unter Hinweis auf die Erklärung des Gipfeltreffens des Nordatlantikrates vom 3. April 2008 in Bukarest,
  • unter Hinweis auf die vom Ratsvorsitz der EU am 11. Dezember 2007 bzw. 16. Juni 2008 veröffentlichten Berichte über die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP),
  • unter Hinweis auf seine Entschließungen vom 14. April 2005 zur Europäischen Sicherheitsstrategie(1), vom 16. November 2006 zur Umsetzung der Europäischen Sicherheitsstrategie im Rahmen der ESVP(2), vom 25. April 2007 zu den transatlantischen Beziehungen(3), vom 5. Juni 2008 zur Umsetzung der Europäischen Sicherheitsstrategie und der ESVP(4) und vom 5. Juni 2008 zum bevorstehenden Gipfel EU-USA(5),
  • gestützt auf Artikel 45 seiner Geschäftsordnung,
  • in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (A6-0033/2009),


A. in der Erwägung, dass die EU und die NATO auf den gemeinsamen Werten Freiheit, Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit beruhen und seit ihrer Gründung dazu dienen, Kriege auf europäischen Gebiet zu verhindern,

B. in der Erwägung, dass der VN-Sicherheitsrat nach der Charta der Vereinten Nationen die Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit trägt; unter Hinweis auf die Tatsache, dass die Charta die Rechtsgrundlage für die Errichtung der NATO ist; unter Hinweis auf die Tatsache, dass die NATO-Mitgliedstaaten mit Unterzeichnung des Nordatlantikvertrages ihren Glauben an die Ziele und Grundsätze der Charta bekräftigt und sich verpflichtet haben, sich in ihren internationalen Beziehungen jeder Gewaltandrohung oder Gewaltanwendung zu enthalten, die mit den Zielen der Vereinten Nationen nicht vereinbar sind,

C. in der Erwägung, dass die EU-Mitgliedstaaten das System der Vereinten Nationen als grundlegenden Rahmen für die internationalen Beziehungen anerkennen; in der Erwägung, dass sie weiterhin der Erhaltung des Friedens und der Stärkung der internationalen Sicherheit im Einklang mit den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen, den Grundsätzen der Schlussakte von Helsinki und den Zielen der Charta von Paris sowie der Entwicklung und Konsolidierung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit und der Achtung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten verpflichtet sind; unter Hinweis auf die Tatsache, dass die EU-Mitgliedstaaten die Reform und Stärkung der Organisation der Vereinten Nationen als vorrangige Maßnahmen festgelegt haben, um sie in die Lage zu versetzen, ihre Aufgaben zu erfüllen und effektiv zu handeln, indem sie Lösungen für weltweite Herausforderungen anbietet und auf Hauptbedrohungen reagiert,

D. in der Erwägung, dass die NATO den Kern der europäischen Sicherheit bildet und die EU über ein ausreichendes Potential verfügt, um ihre Aktivitäten zu unterstützen, so dass eine Stärkung der europäischen Verteidigungskapazitäten und eine Vertiefung der Zusammenarbeit beiden Organisationen nutzen wird,

E. in der Erwägung, dass es sich bei der NATO um eine zwischenstaatliche Organisation demokratischer Nationen handelt, in der Zivilisten entscheiden und das Militär ausführt,

F. in der Erwägung, dass 94 % der EU-Bevölkerung Bürger von NATO-Mitgliedstaaten sind, 21 von 27 EU-Mitgliedstaaten Verbündete der NATO, 21 von 26 NATO-Staaten EU-Mitgliedstaaten sind, und dass die Türkei, ein langjähriger NATO Verbündeter, ein Kandidat für den Beitritt zur EU ist,

G. in der Erwägung, dass der Europäische Rat in den Jahren 2007 und 2008 wichtige Entscheidungen im Bereich der ESVP mit dem Ziel getroffen hat, ihre operativen Fähigkeiten weiter zu verbessern; in der Erwägung, dass das ungeduldig erwartete Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon wichtige Neuerungen im Bereich der ESVP bringen wird, wodurch die europäische Zusammenarbeit kohärenter und effizienter in diesem Bereich gestaltet werden wird,

H. in der Erwägung, dass die EU und die NATO ihre Zusammenarbeit intensivieren müssen und es ermöglichen sollten, die Mittel beider Organisationen zu maximieren und eine effiziente Zusammenarbeit zu gewährleisten, indem den institutionellen Grabenkämpfen ein Ende gesetzt wird,

I. in der Erwägung, dass die NATO zwar das Forum für Diskussionen und naturgemäß das Gremium zur Durchführung gemeinsamer militärischer Operationen ist, an der die europäischen und amerikanischen Verbündeten beteiligt sind, dass aber die Verantwortung für Frieden und Sicherheit letztendlich bei den Vereinten Nationen liegt,

J. in der Erwägung, dass Truppen und Ausrüstungen, die ESVP-Missionen zur Verfügung gestellt werden, mehr oder weniger die gleichen sind wie diejenigen, die NATO-Operationen zur Verfügung gestellt werden,

K. in der Erwägung, dass die NATO als solche nicht in ESVP-Operationen involviert ist; in der Erwägung, dass die EU, wenn sie eine solche Operation durchführt, entscheidet, ob sie auf die Mittel und Kapazitäten der NATO zurückgreift, und zwar im Rahmen der sogenannten "Berlin-Plus"-Vereinbarungen,

L. in der Erwägung, dass die Zusammenarbeit zwischen der EU und der NATO im Rahmen der "Berlin-Plus"-Vereinbarungen bislang nicht zur allgemeinen Zufriedenheit funktioniert hat, weil es ungelöste Probleme im Zusammenhang mit der Tatsache gibt, dass einige Länder Mitglieder der NATO aber nicht Mitglieder der EU sind,

M. in der Erwägung, dass die NATO und die EU zusätzlich zu den "Berlin-Plus"-Vereinbarungen eine effiziente Krisenbewältigung sicherstellen sollten und besser zusammenarbeiten sollten, um zu ermitteln, welche Maßnahmen sie im Fall einer Krise, wie beispielsweise in Afghanistan und im Kosovo, am besten treffen sollten,

N. in der Erwägung, dass die Beziehungen zwischen der EU und der NATO von beiden Organisationen noch weiter verbessert werden sollten, wobei die EU die europäischen NATO-Verbündeten, die keine EU-Mitgliedstaaten sind, noch stärker an der ESVP beteiligen und die NATO die EU-Mitgliedstaaten, die nicht der NATO angehören, stärker an den Gesprächen zwischen der EU und der NATO beteiligen sollte; in der Erwägung, dass die Beziehungen zwischen der EU und den Vereinigten Staaten gestärkt werden sollten;

O. in der Erwägung, dass die Prozesse der NATO- und der EU-Erweiterung zwar unterschiedlich sind, aber zu einer Stärkung beider Organisationen führen müssen, um Stabilität und Wohlstand auf dem europäischen Kontinent sicherzustellen,

P. in der Erwägung, dass ein wichtiger Aspekt der Beziehungen zwischen der EU und der NATO darin besteht, nationale Anstrengungen zur Entwicklung und zur Bereitstellung militärischer Kapazitäten für die Krisenbewältigung, die sich gegenseitig unterstützen, zu fördern, wodurch wiederum die vorrangige Aufgabe, das Hoheitsgebiet und die Sicherheitsinteressen der Mitgliedstaaten zu schützen, besser durchgeführt werden kann,

Q. in der Erwägung, dass die Synergie zwischen der EU und der NATO in bestimmten militärischen Bereichen durch gemeinsame Pilotvorhaben gestärkt werden könnte,

R. in der Erwägung, dass die gemeinsame Verteidigung Europas auf einer Kombination konventioneller und atomarer Streitkräfte beruht, die tief greifender an die sich wandelnde Sicherheitslage hätten angepasst werden müssen,

S. wie der Erwägung, dass sowohl die EU als auch die NATO derzeit eine Neubewertung ihrer jeweiligen Sicherheitsstrategien (Europäische Sicherheitsstrategie und Erklärung zur Sicherheit des Bündnisses) vornehmen,

T. in der Erwägung, dass durch den Vertrag von Lissabon zivile und militärische Fähigkeiten aller Mitgliedstaaten für die ESVP bereitgestellt werden, eine ständigen strukturierte Zusammenarbeit im Bereich Verteidigung zwischen einer Pioniergruppe von Staaten vorgesehen ist, die Staaten zur schrittweisen Verbesserung der militärischen Fähigkeiten verpflichtet werden, die Rolle der Europäischen Verteidigungsagentur ausgeweitet wird, die Staaten verpflichtet werden, einander im Falle eines Angriffs beizustehen (unbeschadet der Neutralität bzw. der NATO-Mitgliedschaft einiger Mitgliedstaaten), EU-Zielsetzungen ("Petersberger Aufgaben") um die Bekämpfung des Terrorismus ergänzt werden und schließlich auf gegenseitiger Solidarität im Falle einer terroristischen Bedrohung bzw. terroristischer Angriffe oder Naturkatastrophen bestanden wird,

Strategische Übersicht

1. weist mit Nachdruck darauf hin, dass die Daseinsberechtigung der Europäischen Union darin besteht, Frieden innerhalb und außerhalb ihrer Grenzen dadurch zu schaffen, dass sie sich zu wirksamem Multilateralismus und zu Buchstaben und Geist der Charta der Vereinten Nationen bekennt; stellt fest, dass eine effiziente Sicherheitsstrategie die Demokratie und den Schutz der Grundrechte fördert; stellt fest, dass eine ineffiziente Sicherheitsstrategie im Gegenteil die Menschen unnötig leiden lässt; ist der Auffassung, dass die Fähigkeit der EU zur Friedensschaffung von der Entwicklung der richtigen Sicherheitsstrategie bzw. -politik, einschließlich der Fähigkeit zu eigenständigem Handeln, und einer effizienten und ergänzenden Beziehung zur NATO abhängt;

2. fordert die EU daher auf, weiterhin Missionen im Rahmen der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu entsenden, um Konflikte zu vermeiden, Stabilität zu fördern und dort zu helfen, wo dies notwendig ist, und zwar im Rahmen eines gemeinsamen Konsenses zwischen den Mitgliedstaaten der EU oder der strukturellen Zusammenarbeit; ist der Überzeugung, dass es weiterhin notwendig ist, dass die EU und die NATO einen umfassenden Ansatz zur Krisenbewältigung entwickeln;

3. erkennt an, dass die Vielfalt der Interessen in einer Union mit 27 oder mehr Mitgliedstaaten, mit anderen Worten die mosaik-artige Zusammensetzung der EU, dieser einen einzigartigen Charakter verleiht und das Potenzial, in unterschiedlichen Teilen der Welt zu intervenieren, zu vermitteln und zu helfen; fordert, dass das vorhandene Instrumentarium der EU zur Krisenbewältigung weiterentwickelt wird und hofft, dass die militärische Kapazität der EU-Mitgliedstaaten integrierter, kosteneffizienter und militärisch schlagkräftiger werden wird, da die Union nur so über die notwendigen Kräfte verfügen kann, die sie in die Lage versetzen, ihre einzigartigen Möglichkeiten in den Bereichen Konfliktverhütung und Konfliktbewältigung auszuschöpfen und ihre umfassenden zivilen Krisenmanagementmechanismen zu vervollständigen;

4. tritt nachdrücklich für mehr Solidarität unter den EU-Mitgliedstaaten bei der Entwicklung gemeinsamer Sicherheits- und Verteidigungsstrategien ein;

5. ist der Überzeugung, dass eine starke und lebendige europäisch-atlantische Partnerschaft der beste Garant für Sicherheit und Stabilität in ganz Europa sowie für die Achtung der Grundsätze Demokratie, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und verantwortungsvolle Staatsführung ist;

6. ist der festen Überzeugung, dass demokratische Freiheiten und Rechtstaatlichkeit die Antwort auf die Bestrebungen der Menschen in der ganzen Welt darstellen; ist der Auffassung, dass kein Land und keine Nation von einer solchen Perspektive ausgeschlossen werden sollte, da jeder Mensch das Recht hat, in einem demokratischen Rechtstaat zu leben;

7. begrüßt, dass die Europäische Sicherheitsstrategie als Teil des Engagements der Europäischen Union aktualisiert wurde, die europäischen Sicherheitsinteressen festzulegen und zu schützen und einen wirksamen Multilateralismus zu stärken, wodurch der Union eine Strategie zur Bewältigung der Bedrohungen des 21. Jahrhunderts an die Hand gegeben wird; stellt fest, dass ein echter, umfassender und demokratischer Konsens zwischen der Europäischen Union und der NATO ein unverzichtbares Element der Umsetzung dieser Strategie auf der Grundlage eines Konsenses zwischen der EU und den Vereinigten Staaten von Amerika im Bereich der Sicherheitspolitik ist, worin sich ihre gemeinsamen Werte, Ziele und Prioritäten widerspiegeln, namentlich den Vorrang der Menschenrechte und des Völkerrechts;

8. weist mit Nachdruck darauf hin, dass dies angesichts der jüngsten Ereignisse im Kaukasus, des neuen Vorgehens im Rahmen des Konzepts der NATO in Europa, des Regierungswechsels in den Vereinigten Staaten von Amerika und der Aufnahme der Arbeiten an der Überprüfung des strategischen Konzepts der NATO noch mehr an Bedeutung gewinnt;

9. fordert nachdrücklich, dass die parallel laufenden Überarbeitungen der Sicherheitsstrategien der EU bzw. der NATO nicht nur komplementär sondern auch konvergent sein sollten, wobei dem Potenzial des anderen das gebührende Gewicht zu geben ist;

10. ist der Auffassung, dass sowohl die NATO als auch die EU langfristig als gemeinsames Ziel anstreben sollten, für die Einwohner ihrer Mitgliedstaaten und generell eine sicherere Welt im Einklang mit Buchstaben und Geist der Charta der Vereinten Nationen zu schaffen und ebenfalls aktiv massenhaft begangene Gräueltaten und regionale Konflikte, unter denen die Menschen nach wie vor stark leiden, zu verhüten oder entsprechende Maßnahmen zu treffen;

11. weist mit Nachdruck darauf hin, dass alle Demokratien sich gemeinsam für Stabilität und Frieden im Rahmen eines Mandats der Vereinten Nationen einsetzen sollten; bedauert zutiefst, dass die Doktrin der Blockfreiheit, die noch aus der Zeit des Kalten Krieges stammt, die Allianz von Demokratien zum Vorteil undemokratischer und noch nicht wirklich demokratischer Mächte untergräbt; bedauert, dass bestimmte Mitgliedstaaten sich im Namen einer Doktrin der Blockfreiheit ihrer Verantwortung entzogen haben, einen Beitrag zum Schutz der Werte und Freiheiten der demokratischen Welt zu leisten;

12. ist sich der Tatsache bewusst, dass Sicherheit und Entwicklung voneinander abhängig sind und dass es keine klare Abfolge von Ereignissen gibt, um eine nachhaltige Entwicklung in Konfliktgebieten zu erreichen; weist darauf hin, dass in der Praxis alle Instrumente parallel eingesetzt werden; fordert deshalb die Kommission auf, weitere Forschungen über die Bedeutung von aufeinander folgenden militärischen und zivilen Einsätzen in Konfliktgebieten anzustellen und ihre Erkenntnisse in ihre Sicherheits- und Entwicklungspolitik einzubringen;

Zusammenhang zwischen der NATO und der Sicherheitsarchitektur der EU

13. erkennt an, dass die NATO sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart eine wesentliche Rolle in der Sicherheitsarchitektur Europas spielt; stellt fest, dass die Allianz für die Mehrzahl der Mitgliedstaaten der EU, die ebenfalls NATO-Verbündete sind, das Fundament der gemeinsamen Verteidigung ist und bleibt und die Sicherheit Europas als Ganzes, unabhängig von den einzelnen Positionen, die seine Staaten vertreten, weiterhin von der Aufrechterhaltung des transatlantischen Bündnisses profitiert; vertritt daher die Auffassung, dass die gemeinsame Verteidigung der EU in Zukunft möglichst kooperativ mit der NATO erfolgen soll; vertritt die Auffassung, dass die USA und die EU ihre bilaterale Beziehung vertiefen und sie auf Fragen ausdehnen müssen, die zum Bereich Frieden und Sicherheit gehören;

14. stellt fest, dass die Gefahren für die Sicherheit in der heutigen Welt zunehmend durch Phänomene geprägt werden wie internationaler Terrorismus, Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, gescheiterte Staaten, festgefahrene Konflikte, organisierte Kriminalität, Cyberspace-Gefahren, Umweltschäden und damit verbundene Sicherheitsgefahren, Naturkatastrophen und andere Katastrophen, und dass diese eine noch engere Partnerschaft sowie eine Konzentration auf die Stärkung der zentralen Fähigkeiten von EU und NATO und eine engere Koordinierung in den Bereichen Planung, Technologie, Ausrüstung und Ausbildung erforderlich machen;

15. weist mit Nachdruck auf die zunehmende Bedeutung der ESVP hin, die dazu beitragen wird, die Fähigkeit der EU bei der Bewältigung der Sicherheitsbedrohungen des 21. Jahrhunderts zu schärfen, insbesondere im Rahmen von gemeinsamen zivilen und militärischen Operationen und Krisenmanagementmaßnahmen, die von Krisenverhütungsmaßnahmen über Reformen des Sicherheitssektors bis hin zu Reformen der Polizei und der Justiz gehen;

16. ist der Ansicht, dass die EU und die NATO sich gegenseitig stärken könnten, indem sie Wettbewerb vermeiden und auf der Grundlage einer praktischen Arbeitsteilung eine größere Zusammenarbeit bei Operationen des Krisenmanagements schaffen; ist der Auffassung, dass eine Entscheidung darüber, welche Organisation Streitkräfte entsenden sollte, auf der Grundlage des politischen Willens erfolgen sollte, der von beiden Organisationen hinsichtlich der operativen Bedürfnisse und der politischen Legitimität vor Ort ausgedrückt wird, sowie ihrer Fähigkeit, Frieden und Stabilität zu schaffen; stellt fest, dass die Zusammenarbeit bei der Erarbeitung der neuen europäischen Sicherheitsstrategie und des neuen strategischen Konzepts der NATO für die Erreichung dieses Ziels von ausschlaggebender Bedeutung ist;

17. ist der Auffassung, dass die EU ihre eigenen Sicherheits- und Verteidigungsfähigkeiten entwickeln muss, was eine verbesserte Lastenteilung mit den nicht-europäischen Verbündeten und eine angemessene Reaktion auf diejenigen Sicherheitsherausforderungen und Bedrohungen ermöglichen wird, die nur die EU-Mitgliedstaaten betreffen;

18. fordert die EU auf, das Instrumentarium ihrer Sicherheitsstrategie zu entwickeln, das von diplomatischer Krisenverhütung und Wirtschafts- und Entwicklungshilfe bis zu zivilen Fähigkeiten im Bereich der Stabilisierung und des Wiederaufbaus sowie militärischen Mitteln reicht; ist darüber hinaus der Auffassung, dass das Instrumentarium der "sanften Macht" in der Nachbarschaftspolitik der EU eingesetzt werden sollte;

19. stellt fest, dass die "Berlin-Plus"-Vereinbarungen, die der EU ermöglichen, sich der NATO-Mittel und -Fähigkeiten zu bedienen, jetzt verbessert werden müssen, damit die beiden Organisationen in derzeitigen Krisensituationen, die vielfältige zivile und militärische Reaktionen erfordern, intervenieren und wirksam helfen können; hält es daher für notwendig, die Beziehungen zwischen der NATO und der EU weiter auszubauen und dauerhafte Strukturen der Zusammenarbeit zu schaffen, wobei die Unabhängigkeit und die Autonomie beider Organisationen zu berücksichtigen ist und die Beteiligung aller NATO-Mitglieder und aller EU-Mitgliedstaaten, die eingebunden werden wollen, nicht ausgeschlossen werden darf;

20. fordert die Türkei auf, die Zusammenarbeit zwischen der EU und der NATO nicht weiter zu behindern;

21. fordert die EU auf, bei der Erarbeitung eines Weißbuchs zur Europäischen Sicherheit und Verteidigung auch die Kohärenz der externen Operationen Europas zu prüfen, insbesondere was die Zusammenarbeit mit anderen internationalen Partnern in Krisengebieten anbelangt;

Zusammenarbeit zwischen der NATO und der EU in Fragen der Sicherheit und der Verteidigung

22. begrüßt ausdrücklich die französische Initiative, offiziell zu den militärischen Strukturen der NATO zurückzukehren, sowie die Bemühungen des französischen Ratsvorsitzes innerhalb des Rates der EU, die EU und die NATO stärker zusammenzubringen, um auf die neuen Herausforderungen im Bereich der Sicherheit eingehen zu können; begrüßt die Bemühungen des französischen Ratsvorsitzes, konkrete Initiativen zu verabschieden, mit denen die europäischen Verteidigungskapazitäten zusammengelegt werden können; begrüßt ebenfalls den neuerdings positiven Ansatz der Vereinigten Staaten im Hinblick auf die Konsolidierung der Verteidigungskapazitäten der EU;

23. fordert die Mitgliedstaaten beider Organisationen mit Nachdruck auf, flexibler, zielgerichteter und pragmatischer zu sein bei der Umsetzung der Partnerschaft zwischen der EU und der NATO; unterstützt deshalb den Vorschlag der französischen Regierung zur Einrichtung systematischer Kontakte zwischen den Generalsekretariaten der NATO und dem Rat der EU, insbesondere um Verwirrung zu vermeiden, wenn die EU und die NATO im Rahmen im Rahmen diverser Missionen Seite an Seite und mit einem gemeinsamen Ziel und in einem gemeinsamen Einsatzgebiet arbeiten, wie beispielsweise im Kosovo und in Afghanistan;

24. betont, dass die EU ein entscheidender NATO-Partner ist, was die Strategien betrifft, die der NATO ermöglichen, sich aus komplexen Konfliktgebieten zurückzuziehen, da sie über eine spezifische Kombination verfügbarer Instrumente verfügt, zivile Operationen durchführt, Sanktionen verhängt, eine Politik der humanitären Hilfe, der Entwicklung und des Handels verfolgt sowie einen politischen Dialog führt; fordert deshalb die EU-Mitgliedstaaten, die auch Mitglieder der NATO sind, auf, ihre Bemühungen zur Errichtung eines Rahmens für die integrierte Zusammenarbeit zwischen der NATO und der EU im Vorgriff auf die Ratifizierung des Vertrags von Lissabon wesentlich zu verstärken;

25. ist sich der entscheidenden Bedeutung einer Verbesserung der Zusammenlegung nachrichtendienstlicher Erkenntnisse zwischen den NATO-Verbündeten und den EU-Partnern bewusst;

26. stellt fest, dass EU-Bürger Missionen unterstützen, die das menschliche Leid in Konfliktregionen lindern sollten; stellt fest, dass die Bürger über die Missionen der EU und der NATO und deren Ziele nicht ausreichend informiert sind; fordert die EU und die NATO daher auf, die Bevölkerung besser über ihre Missionen und die Rolle zu informieren, die diese Missionen bei der Schaffung von Sicherheit und Stabilität weltweit spielen;

27. stellt fest, dass sich sowohl die NATO als auch die Europäische Union zur Festigung ihrer Zusammenarbeit darauf konzentrierten sollten, ihre Basisfähigkeiten zu stärken, die Interoperabilität zu verbessern und ihre Lehrsätze, Planungen, Technologien, Ausrüstungen und Ausbildungsmethoden abzustimmen;

Operationelles Hauptquartier der EU

28. unterstützt die Schaffung eines operationellen EU-Hauptquartiers unter der Leitung des Vizepräsidenten der Kommission/des Hohen Vertreters, das den Auftrag hat, die militärischen ESVP-Operationen zu planen und durchzuführen;

29. weist mit Nachdruck darauf hin, dass die Erfahrung bei Operationen der EU gezeigt hat, dass eine dauerhafte Planungs- und Befehlskapazität für EU-Operationen die Wirksamkeit und die Glaubwürdigkeit der Operationen der EU steigern würde; weist mit Nachdruck darauf hin, dass das vorgeschlagene Hauptquartier der EU eine Lösung für dieses Problem darstellt; weist erneut darauf hin, dass eine solche Struktur angesichts des doppelten zivilen und militärischen Engagements der EU nicht die zweite Ausgabe einer Struktur wäre, die andernorts bereits existiert; weist ferner darauf hin, dass das Hauptquartier der NATO hauptsächlich der militärischen Planung dient, wohingegen die EU Erfahrung bei der Planung und Durchführung sowohl ziviler als auch militärischer und zivil/militärischer Operationen besitzt, die kein anderer globaler Akteur derzeit erfolgreich durchführen kann;

30. weist mit Nachdruck darauf hin, dass ein Hauptquartier der EU eine Ergänzung zu den derzeitigen Befehlsstrukturen der NATO darstellen und die transatlantische Integrität der NATO nicht untergraben würde;

31. schlägt vor, dass jeder Mitgliedstaat, der Mitglied der NATO ist, in einer Vereinbarung der NATO diejenigen Streitkräfte gesondert angeben sollte, die nur für EU-Operationen eingesetzt werden dürfen, um zu verhindern, dass ein derartiger Einsatz durch NATO-Mitglieder, die nicht EU-Mitgliedstaaten sind, blockiert wird; ist der Auffassung, dass eine Verdopplung beim Einsatz dieser Streitkräfte verhindert werden sollte;

Kapazitäten und Militärausgaben

32. ist der Auffassung, dass sowohl die EU als auch die NATO vor der Herausforderung stehen, die gleiche nationale Reserve von Ressourcen in Bezug auf Personal und Kapazitäten in Anspruch zu nehmen; fordert EU und NATO auf zu gewährleisten, dass diese begrenzten Ressourcen zur Bewältigung der schwierigen Herausforderungen in der heutigen Zeit so gut wie möglich genutzt werden, wobei Doppelarbeit vermieden und Kohärenz gefördert werden soll; ist der Auffassung, dass der strategische Lufttransport, ein besonderes Beispiel für ein relativ knappes und teures operationelles Gut, eine Gelegenheit für Zusammenarbeit zwischen den EU- und den NATO-Mitgliedstaaten sein sollte; fordert die EU-Mitgliedstaaten auf, militärische Fähigkeiten zusammenzulegen, sich zu teilen und gemeinsam zu entwickeln, um Verschwendung zu vermeiden, Skalenvorteile zu schaffen und die industriellen und technischen Grundlagen der europäischen Verteidigungsindustrie zu stärken;

33. ist der Auffassung, dass nicht nur die militärischen Ressourcen sehr viel effizienter genutzt werden sollten, sondern dass auch höhere Investitionen in die Verteidigung auf der Ebene der EU-Mitgliedstaaten für die Interessen der europäischen Sicherheit von ausschlaggebender Bedeutung sind; fordert einen spürbaren Anstieg des Anteils der gemeinsamen Kosten bei jeder Militäroperation der NATO und der EU; stellt fest, dass sowohl was die Größenordnung angeht als auch was die Effizienz der Verteidigungsausgaben betrifft, ein großer Unterschied zwischen den europäischen Mitgliedern der NATO auf der einen Seite und den Vereinigten Staaten auf der anderen Seite besteht; fordert die EU auf, einen gerechteren Anteil an der Last zu tragen; fordert ferner die USA auf, mehr Bereitschaft an den Tag zu legen, ihre europäischen Verbündeten zu Fragen im Zusammenhang mit Frieden und Sicherheit zu konsultieren;

34. erkennt den beträchtlichen potenziellen Beitrag der Europäischen Verteidigungsagentur, die durch den Vertrag von Lissabon gestärkt wird, zu einem kosteneffizienten Beschaffungswesen und einer gesteigerten Interoperabiliät von Rüstungsgütern an;

Kompatibilität zwischen NATO- und EU-Mitgliedschaft

35. besteht darauf, dass alle Mitgliedstaaten der EU unterschiedslos an gemeinsamen Treffen der EU und der NATO teilnehmen müssen; weist mit Nachdruck darauf hin, dass Einigkeit der Werte und Sicherheitsvorkehrungen ein wesentlicher Faktor ist, der Frieden, Stabilität und Wohlstand in Europa garantiert;

36. schlägt vor, dass die Verbündeten der NATO, die der EU beitreten wollen, stärker in die Arbeit der ESVP und die der Europäischen Verteidigungsagentur einbezogen werden sollen;

37. weist darauf hin, dass das Problem der Kompatibilität zwischen Nichtmitgliedschaft in der EU und Mitgliedschaft in der NATO sowie das Problem der Nichtmitgliedschaft in der NATO und der Mitgliedschaft in der EU angegangen und bewältigt werden muss, damit die funktionierende der Zusammenarbeit zwischen EU und NATO nicht beeinträchtigt wird;

38. bedauert insbesondere die Tatsache, dass das zyprische Problem weiterhin die Entwicklung der Zusammenarbeit zwischen EU und NATO belastet;

39. legt Zypern als einem EU-Mitgliedstaat nahe, seine politische Haltung zu seiner Mitgliedschaft in der Partnerschaft für Frieden zu überdenken, und fordert die NATO-Mitgliedstaaten auf, sich der Ausübung ihres Vetorechts gegen die Mitgliedschaft in der NATO von EU-Mitgliedstaaten zu enthalten;

40. begrüßt, dass die Verbündeten auf dem NATO-Gipfel in Bukarest den Beitrag eines stärkeren und fähigeren Europas anerkannt haben, und dass die Allianz für eine künftige Erweiterung offen bleibt; stellt fest, dass die Politik einer europäischen Perspektive und somit eines östlichen Partnerschaftsprojekts für die Länder der europäischen Nachbarschaftspolitik im Osten für ihre demokratische und rechtsstaatliche Entwicklung von überaus großer Bedeutung ist;

41. ist der Auffassung, dass hinsichtlich künftiger Erweiterungen der NATO jeder Fall individuell geprüft werden sollte; würde sich allerdings aus Gründen der europäischen Sicherheitsinteressen gegen eine Erweiterung der Organisation um Länder wenden, in denen die Mitgliedschaft nicht die Unterstützung der Bevölkerung hat oder in denen es ernste ungelöste territoriale Streitigkeiten mit ihren Nachbarn gibt;

42. stellt fest, dass für viele der Nachbarn der EU die Mitgliedschaft in der NATO als auch die Mitgliedschaft in der EU realistische und vereinbare Ziele sind, wenn dies auch nur langfristig gilt;

43. ist der Ansicht, dass die Zusammenarbeit zwischen Russland und der EU eine beispiellose Intensität erlangen würde, wenn Russland ein wirklich demokratisches Land wird; fordert Russland daher auf, sich zu einer echten Demokratie zu wandeln, in der Rechtsstaatlichkeit herrscht, und Gewaltanwendung -- in welcher Form auch immer -- als Mittel zur Verwirklichung politischer Ziele aufzugeben; stellt fest, dass die von Russland vorgeschlagenen bilateralen Sicherheitsvereinbarungen die Integrität der Sicherheitsarchitektur der EU schwächen einen Keil in die Beziehungen zwischen der EU und den Vereinigten Staaten treiben würden;

44. sieht erwartungsvoll den Möglichkeiten entgegen, die der bevorstehende Gipfel der NATO zum 60. Jahrestag in Straßburg und Kehl für die Verjüngung des Bündnisses und die Stärkung seiner Beziehung zur Europäischen Union bietet;

45. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Parlamenten der NATO-Länder und der EU-Mitgliedstaaten, der Parlamentarischen Versammlung der NATO sowie dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, der NATO, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und des Europarates zu übermitteln.

Fußnoten:
  1. ABl. C 33 E vom 9.2.2006, S. 580.
  2. ABl. C 314 E vom 21.12.2006, S. 334.
  3. ABl. C 74 E vom 20.3.2008, S. 670.
  4. Angenommene Texte, P6_TA(2008) 0255.
  5. Angenommene Texte, P6_TA(2008) 0256.

BEGRÜNDUNG

"...Gleichgültigkeit ... kommt dem Aggressor zugute, nie dem Opfer, dessen Leiden noch größer wird, wenn er oder sie sich verlassen fühlt. Der politische Gefangene in seiner Zelle, die hungrigen Kinder, die heimatlosen Flüchtlinge -- reagiert man nicht auf ihr Leiden, lindert man nicht ihre Einsamkeit, indem man ihnen einen Funken Hoffnung gibt, bedeutet dies, dass man sie aus dem menschlichen Gedächtnis streicht verwehren wir ihnen ihre Menschlichkeit, betrügen wir uns um unsere eigene."
Elie Wiesel, Überlebender des Holocaust

Am Tag bevor die Nazis vor 70 Jahren das Sudentenland besetzten, kam Premierminister Chamberlain zurück ins Vereinigte Königreich, nachdem er sich mit Hitler getroffen hatte und wedelte mit dem Münchner Abkommen: "Ich glaube, das bedeutet Frieden für unsere Zeit". Wunschdenken kann tödlich sein.

Wenn wir über wesentliche Fragen unserer Sicherheit nachdenken, und insbesondere wenn wir Leitlinien dafür aufstellen, sollten wir Visionen haben und unabhängig genug sein, um aus alten Interessen auszubrechen.

Am Beginn des 21. Jahrhunderts steht die Welt vor vielen alten und neuen Herausforderungen im Bereich der Sicherheit, die das Leben vieler Menschen bedrohen und viel menschliches Leid verursachen. Die Europäische Union hat ein einzigartiges Potenzial und die Pflicht, einen Beitrag zur Stabilität der Welt zu leisten. Im vergangenen Jahrzehnt hat die EU im Rahmen der Entwicklung der ESVP ein nennenswertes Potenzial ziviler und militärischer Instrumente erworben, um dieses Ziel erfüllen zu können und hat jetzt begonnen, in vielen unterschiedlichen Teilen der Welt Missionen durchzuführen.

Obwohl die EU im Rahmen der Entwicklung der ESVP-Missionen nachgewiesen hat, dass sie ein globaler Akteur ist, sind diese Operationen doch vor allem ziviler Natur und konzentrieren sich auf Konfliktverhütung und Verwaltungsaufgaben in Postkonfliktsituationen. Deshalb sind Zusammenarbeit und Synergie zwischen EU und NATO von wesentlicher Bedeutung, um das gemeinsame Ziel der Förderung des Friedens und der Stabilität auf der ganzen Welt zu verfolgen. In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, dass 94 % der EU-Bevölkerung Mitglied der NATO sind, und dass eine Mehrzahl der Mitgliedstaaten der EU auch Mitglieder der NATO sind, die Allianz jedoch der wichtigste Rahmen für die gemeinsame Verteidigung in Europa bleibt.

Es gibt viele Felder, in denen die Beziehung zwischen der EU und der NATO ergänzt werden muss. Eine Komplementarität, die jedoch oft durch technische und politische Hindernisse stark beeinträchtigt wird. Ziel dieses Berichts ist es daher, Lösungen für die Zukunft für eine wiederbelebte Beziehung EU-NATO vorzulegen, mit der die heutigen Herausforderungen im Bereich der Sicherheit wirksam angegangen werden können.

Das erste Problem betrifft die Grenzen der EU bei der Schaffung einer Krisenmanagementmission. Derzeit verfügt die EU nicht über eine dauerhafte Planungs- und Befehlsstruktur. Es gibt drei Möglichkeiten für die EU, ein Hauptquartier für ihre Krisenmanagementmissionen zu wählen. Die erste Möglichkeit besteht darin, unter den fünf nationalen Hauptquartieren, die der EU zur Verfügung stehen, zu wählen, was eine erhebliche Verzögerung bedeuten würde und Effizienzverluste was die Fähigkeit der EU betrifft, auf Notsituationen zu reagieren. Die zweite Möglichkeit ist, SHAPE im Rahmen der "Berlin-Plus"-Vereinbarungen zu nutzen, was Verhandlungen zwischen der EU und der NATO voraussetzt und die Organisation einer Ad-hoc-Befehlskette erfordert (im Rahmen von Althea nahmen die Verhandlungen zwischen der EU und der NATO mehr als acht Monate in Anspruch). Diese Option macht eine rasche Reaktion also unmöglich. Die dritte Möglichkeit schließlich besteht darin, das operationelle Zentrum in Brüssel zu nutzen, aber nur unter der Voraussetzung, dass die beiden anderen nicht zur Verfügung stehen. Das operationelle Zentrum der EU ist keine ständige Struktur, es kann innerhalb von fünf Tagen aktiviert werden und innerhalb von 20 Tagen für Operationen mit bis zu 2 000 Soldaten volle Leistungsfähigkeit erreichen. Das Problem besteht darin, dass die Aktivierung des operationellen Zentrums die Unterstützung des EU-Militärstabes erfordert, die daher für wichtige Tätigkeiten wie strategische Planung in Krisenfällen, militärische Strategieplanung usw. nicht zur Verfügung steht. Diese Mängel schränken die Effizienz und die Glaubwürdigkeit der Operationen der EU erheblich ein.

Um hier Abhilfe zu schaffen, wird in diesem Bericht die Errichtung eines Hauptquartiers der EU vorgeschlagen. Zur Maximierung der Effizienz und der Koordinierung sollte dieses Hauptquartier seinen Sitz in Brüssel haben und unter der Leitung des Generalsekretärs des Rates/des Hohen Vertreters der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik stehen. Dadurch ist eine wirksame Umsetzung politischer Optionen und Entscheidungen in militärische Maßnahmen für die politischen Führungskräfte möglich. Es sei jedoch mit Nachdruck darauf verwiesen, dass das Hauptquartier der NATO in erster Linie der militärischen Planung dient, das Hauptquartier der EU sich jedoch vor allem mit zivilen und zivil-militärischen Operationen befasst. Die EU ist der einzige globale Akteur, der solche Operationen in diesem Bereich erfolgreich durchführen kann.

Zweitens beeinträchtigt die ineffiziente Verwendung militärischer Kapazitäten sowohl die Funktionsfähigkeit der ESVP als auch der NATO. Die 27 Mitgliedstaaten geben zusammen 200 Milliarden Euro für Verteidigung aus; trotz dieser Mittel haben die Europäer jedoch nicht genug Soldaten, die über die erforderlichen Fähigkeiten verfügen. Die Mitgliedstaaten haben nahezu 2 Millionen Mitarbeiter in ihren Streitkräften, die EU kann jedoch kaum 60 000 Soldaten in der ganzen Welt stationieren und auf Dauer einsetzen. Daher ist es wichtig und eine unabdingbare Voraussetzung, dass die Mitgliedstaaten ihre militärischen Mittel besser nutzen. Es ist ebenfalls eine traurige Tatsache, dass die europäischen NATO-Mitglieder keinen fairen Anteil übernehmen, weder was Ausgaben betrifft, noch was das Personal betrifft. In dem Bericht wird hier eine Änderung gefordert: die Vereinigten Staaten sollten nicht der Zahlmeister der Allianz sein.

Drittens haben sich bestimmte Konflikte zwischen Mitgliedern der NATO und der EU, wie z. B. der Konflikt über die Teilnahme Zyperns am Treffen der NATO und der EU und die Zusammenarbeit der Türkei bei Operationen der EU und der NATO, als wichtige Hindernisse für eine wirksame Zusammenarbeit zwischen der Allianz und der EU erwiesen. Es wäre der Kompatibilität zwischen den beiden Organisationen förderlich, wenn alle Mitgliedstaaten der EU an gemeinsamen Sitzungen der EU und der NATO teilnehmen würden. Genauso wichtig ist es, dass die Mitglieder der NATO, die der EU beitreten wollen, in der Europäischen Verteidigungsagentur zumindest den Status eines assoziierten Mitglieds erhalten. Sie sollten ebenfalls stärker in die Strukturen der ESVP eingebunden werden. Nur indem die Spannungen zwischen den Mitgliedstaaten der NATO und der EU beseitigt werden, wird es möglich sein, eine wirksame Zusammenarbeit zwischen der EU und der NATO zu erreichen.

Schließlich kann die Rolle Russlands nicht ignoriert werden, wenn es um die Zukunft der Beziehungen zwischen der EU und der NATO geht. Die jüngste Krise in Georgien hat leider die Bereitschaft Russlands gezeigt, eine aggressive und destabilisierende Außenpolitik zu verfolgen. Im Lichte dieser Ereignisse sowie angesichts des russischen Vorschlags für einen neuen "Sicherheitspakt" sollte die EU deutlich machen, dass es zwar sehr wünschenswert ist, dass der Dialog mit Russland über die Sicherheit Europas offen bleibt, sie jedoch keinen Plan akzeptieren wird, mit dem darauf abgezielt wird, einseitige Sicherheitsinteressen zu verfolgen und die Sicherheitsarchitektur Europas, die auf dem Schutz der demokratischen Freiheiten durch die Transatlantische Allianz basiert, zu umgehen oder in Frage zu stellen.

Schlussbemerkungen

Einige der Ideen in diesem Bericht werden vielleicht nicht in naher Zukunft umgesetzt, wir sollten jedoch versuchen, über die nächsten Wahlen hinaus zu schauen. Wir würden uns selbst betrügen, wenn wird der Auffassung wären, dass die menschliche Natur sich in den letzten paar 1 000 Jahren zum Besseren gewendet hat. Der Mensch möchte immer noch Macht über seinen Nachbarn ausüben, sowohl auf individueller als auch auf kollektiver Ebene, was oft zu katastrophalen Folgen für das Wohl aller führt. Nur echte Demokratien können versuchen, diese menschliche Tendenz umzukehren und unsere selbstsüchtigen Anstrengungen zum Wohle aller umzukehren. Sogar die fortgeschrittensten Demokratien haben keine ideale Gesellschaft, die einzige Abhilfe, die hier jedoch möglich ist, ist mehr Demokratie!

Die EU ist ein Erfolg in der Geschichte der Menschheit, in der die Menschen versuchen, in dem "Fremden" ein anderes einzigartiges menschliches Wesen zu sehen, einen Partner und keinen Konkurrenten. Nur nach und nach bilden wir ein weltweites menschliches Team, einen "Globus ohne Grenzen". Die EU muss sich weiterentwickeln, weil die Welt um uns sich schneller ändert, als wir Politiker reagieren können. Unsere Langsamkeit führt zu überflüssigem menschlichen Leid, aber wir können die Schmerzen nur fühlen, wenn sie uns persönlich betreffen. Wir müssen Schreie in der Entfernung hören und reagieren. Das ist nicht nur unsere moralische Pflicht, sondern liegt auch in unserem langfristigen Interesse. Möchten wir nicht auch, dass jemand uns zu Hilfe eilt, wenn wir weinen? Wir sollten ehrlich sein und aus unserer schmerzlichen Geschichte lernen. Dank ihrer mosaik-artigen Struktur teilt die EU die Welt nicht in zwei Teile wie andere Großmächte, und dies gibt der EU eine einzigartige Gelegenheit, Frieden zu schaffen. Um diese Aufgabe zu erfüllen, sind die Fähigkeiten eines Schiedsrichters und eines Arztes von wesentlicher Bedeutung, ohne eine militärische Dimension ist die EU jedoch wie ein Hund der bellt, aber nicht beißt.

Wollen wir menschliches Leid lindern, sollte die Menschheit eines Tages einen verbindlichen Verhaltenskodex besitzen, der von einer internationalen Armee durchgesetzt wird. Wir wollen kein neues Ruanda. Eine Art abgeänderte "Blauhelm"-Streitkraft, unter der Schirmherrschaft einer vollständig reformierten UN. Diese wäre die einzige Macht mit Atomwaffen. Nach dem zweiten Weltkrieg hätte niemand vorhersehen können, welche Fortschritte wir in Europa erzielen würden. Das gleiche gilt für die Zukunft. Wir sollten Vertrauen haben in unsere Fähigkeit, Hindernisse zu überwinden, wobei das größte Hindernis unsere Kurzsichtigkeit ist. Die einzige Antwort auf weltweite Probleme ist eine Art "Weltregierung", eine weltweite Armee wird im Laufe meines Mandats jedoch nicht mehr geschaffen werden...

Den Weg den wir noch vor uns haben ist sehr sehr lang, sehr sehr schwierig, aber das ist zweitrangig; das Einzige, was wichtig ist, ist, dass wir in die richtige Richtung gehen. Wir müssen uns über die alltäglichen politischen Konflikte hinwegsetzen und uns von unseren Vorfahren inspirieren lassen. Als 1943 der Krieg tobte, setzte sich Jean Monnet für eine radikale und zu dieser Zeit unrealistische Forderung nach europäischer Einheit ein. Er war fest davon überzeugt, dass, wie Lamartine einmal sagte, "Die Utopien sind of nur vorzeitige Wahrheiten". Wenn wir an der Spitze stehen wollen, müssen wir in diesem Geiste fortfahren.

MINDERHEITENANSICHT

eingereicht gemäß Artikel 48 Absatz 3 der Geschäftsordnung

GUE/NGL-Fraktion

Obwohl wir vorbehaltlos für eine engere Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und einer sich immer aggressiver verhaltenden NATO eintreten, kritisieren wir vor allem aufs Schärfste, dass das Parlament in dem Bericht
  • sich für eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen der NATO und der EU einsetzt, indem die "Berlin-Plus"-Vereinbarungen, die der EU ermöglichen, sich der NATO-Mittel und
  • Fähigkeiten zu bedienen, verbessert werden sollen, damit die beiden Organisationen in Krisensituationen militärisch intervenieren können;
  • sich für dauerhafte Strukturen der Zusammenarbeit zwischen der EU und der NATO einsetzt;
  • fordert, dass die bestehenden militärischen Kapazitäten der EU weiter ausgebaut werden und die EU-Mitgliedstaaten mit Nachdruck auffordert, mehr in die Verteidigung zu investieren;
  • bereit ist, Georgien und der Ukraine den Aktionsplan für die Mitgliedschaft in der NATO zu gewähren (wie im Entwurf festgeschrieben);
  • die Schaffung eines operationellen EU-Hauptquartiers unterstützt;
  • sich für die absichtliche Vermischung ziviler und militärischer Kapazitäten einsetzt;
  • erklärt, dass die strategische Kernwaffen letztendlich Garant der militärischen Sicherheit sind und bleiben sollten;
  • die so genannten humanitären Interventionen unterstützt,
und fordern
  • eine zivile EU;
  • die strikte Trennung zwischen NATO und EU;
  • die Abschaffung der Kernwaffen;
  • Ausgabe der für militärische Zwecke vorgesehenen Mittel für zivile Zwecke.
  • die Abschaffung der NATO!
Unterzeichner:
  • Tobias Pflüger,
  • Willy Meyer Pleite
  • ErikMeijer
  • Ve(ra Flasarovà
  • Kyriacos Triantaphylides
  • AdamAdamouos
  • Athanasios Pafilis
  • Pedro Guerreiro

Quelle: Website des Europäischen Parlaments; www.europarl.europa.eu

Weiterer Schritt auf dem Weg zur Militärunion

Das Europäische Parlament hat heute (19. Feb.) zwei Berichte verabschiedet, die einen großen Schritt in Richtung einer Europäischen Militärunion darstellen: Zum einen den Bericht des baden-württembergischen Abgeordneten Karl von Wogau (CDU) zur "Europäischen Sicherheitsstrategie", und zum anderen den Bericht des in Frankreich gewählten finnischen Konservativen Ari Vatanen "über die Rolle der NATO im Rahmen der Sicherheitsarchitektur der EU".

Dazu erklärt der Europaabgeordnete der Linksfraktion (GUE/NGL) im Europäischen Parlament, Tobias Pflüger (DIE LINKE.), Mitglied des Auswärtigen Ausschusses und Koordinator der Linksfraktion GUE/NGL im Unterausschuss Sicherheit und Verteidigung:

"Insbesondere die von uns in der gestrigen Debatte (vgl. angehängte Rede) vorgetragene Kritik einer immer enger werdenden Zusammenarbeit zwischen EU und NATO wird offensichtlich im Europäischen Parlament von vielen gehört. Dies zeigt das Ergebnis der Schlussabstimmung mit der der Bericht über die EU-NATO-Zusammenarbeit (293 dafür, 283 dagegen bei 40 Enthaltungen) leider knapp angenommen wurde. Wesentlich für dieses knappe Ergebnis waren der im Parlament entwickelte Druck und die inhaltlich vorgetragene Kritik.

Das Europäische Parlament hat jedoch explizit unsere Änderungsanträge, die die Grundlage des Internationalen Völkerrechts wiedergeben (Gewaltverbot, Souveränität), ebenso abgelehnt wie unseren Änderungsantrag, der auf ein globales Atomwaffenverbot abzielte. Lediglich die von uns eingebrachte allgemein gehaltene Formulierung, "dass alle politischen Maßnahmen der Europäischen Union im Einklang mit dem Völkerrecht stehen müssen" wurde knapp mit 294 zu 280 Stimmen angenommen!

Mit 285 zu 269 Stimmen nimmt sich allerdings die Mehrheit des Europäischen Parlaments nun heraus, Zypern als einen Mitgliedstaat der Europäischen Union dazu zu drängen der "Partnerschaft für den Frieden" der NATO beizutreten.

Somit ist klar, dass einerseits die noch engere EU-NATO-Zusammenarbeit äußerst umstritten ist und andererseits im Europäischen Parlament derzeit eine knappe Mehrheit dafür vorhanden ist.

Umso wichtiger ist nun die Kampagne "No to NATO - No to War" und der Protest und Widerstand gegen den 60. Geburtstag in Strasbourg, Kehl und Baden-Baden am 3./4. April. Die NATO steht eben nicht für Frieden, die NATO steht für Krieg."

Quelle: Newsletter des Büros von Tobias Pflüger MdEP


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