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Euro im "Währungskrieg"

Von Christa Luft *

Der Verzicht auf eine koordinierte Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik in der Euro-Zone gehört zu den Geburtsfehlern der Gemeinschaftswährung. Er legte den Keim für die ausgebrochene Krise. Auch ein Jahrzehnt nach Start des gemeinsamen Geldes ist dessen Fehlkonstruktion nicht behoben. Das bietet Finanzjongleuren und Spekulanten eine Angriffsfläche. Hedgefonds wetten gegen den Euro und wittern den großen Reibach. Inzwischen kursiert das Wort vom »Währungskrieg«.

Von Anfang an war der Euro der US-Finanzwirtschaft ein Dorn im Auge. Sollte dieser doch nach Intention seiner deutschen und französischen Väter dem Dollar als Weltleitwährung Paroli bieten, ja, ihm schließlich den Rang ablaufen. Würde das passieren, wäre den USA bei der Möglichkeit einer hemmungslosen Verschuldung in eigener Währung und im Greenback-Drucken zur Schuldenbedienung eine Hürde gesetzt. Auch verlören sie an Einfluss im Dollar-fakturierten Öl-Handel.

Irrig die Annahme, dass solche Fakten nicht Interessen hervorbrächten, um deren Durchsetzung subtil gerungen wird. Nicht auszuschließen ist daher, dass die mächtige US-Bank Goldman Sachs bewusst Sand ins Euro-Getriebe streute, als sie dem weder realwirtschaftlich noch monetär Euro-reifen Griechenland half, Milliardendefizite zu verbergen und so Hellas den Weg in die Währungsunion bahnte. Nach Angaben der »New York Times« ließen sich die Wall-Street-Banker die Kosmetik mit 300 Millionen Dollar vergüten. Der Schwindel flog auf, Griechenland steht als erstes Mitglied der Euro-Zone akut vor dem Staatsbankrott und bringt das gesamte Konstrukt ins Wanken.

In den Interessenkontext der US-Finanzwirtschaft passt auch, dass die Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) jüngst neun von 17 Euro-Ländern und den Euro-Krisenfonds in der Bonität herabgestuft hat. Damit sät sie Zweifel in die Fähigkeit betreffender Staaten, ihre Schulden zurückzahlen zu können und verunsichert Investoren. Ratingagenturen werden von der Finanzwirtschaft bezahlt, sind also von ihr abhängig und vertreten deren Interessen. S&P spielt die Euro-Länder gegeneinander aus. Deutschland bekommt immer noch Bestnoten. De facto wird schon ein Zerfall des gemeinsamen Währungsraumes in einen Nord- und einen Süd-Euro suggeriert. Die Wall-Street drängt die Euro-Länder, die angelsächsischen Prinzipien der US-Wirtschafts- und Finanzpolitik zu übernehmen, so etwa das Gelddrucken, um Banken zu retten und dafür auch Inflation in Kauf zu nehmen.

Wem die Kette derartiger Vorgänge auffällig erscheint, dem wird gern Verschwörungstheorie vorgehalten, auch von antiamerikanischem Reflex ist die Rede. Solche oberflächlichen Urteile lenken ab vom Kernproblem, der Rivalität zwischen der transatlantischen und der kontinentaleuropäischen Finanzindustrie. Mit dem amerikanischen Volk hat das nichts zu tun. Das leidet auch darunter.

Die Außenangriffe auf das gemeinsame Geld können nur abgewehrt werden, wenn die Euro-Länder mit der Koordinierung wichtiger Politikfelder ernst machen, Handelsungleichgewichte abbauen, ein europäisches Investitionsprogramm auflegen und sich z. B. durch gemeinsames Einstehen für die Schulden von der Macht der Finanzmärkte befreien.

[In der wöchentlichen nd-Wirtschaftskolumne erläutern der Philosoph Robert Kurz, der Ökonom Harry Nick, die Wirtschaftsexpertin Christa Luft und der Wirtschaftsprofessor Rudolf Hickel Hintergründe aktueller Vorgänge.]

* Aus: neues deutschland, 23. Januar 2012


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