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Wenig frisches Geld für Afrika

Entwicklungsminister präsentiert "Sonderinitiative" zur Hungerbekämpfung. Kritiker monieren Ignoranz gegenüber Bedürfnissen von Kleinbauern

Von Jana Frielinghaus *

Gerd Müller klingt aufrichtig, wenn er Hunger als »Skandal« bezeichnet. Am Dienstag stellte der CSU-Politiker in Berlin gemeinsam mit Bärbel Dieckmann, Präsidentin der Welthungerhilfe, eine »Sonderinitiative Eine Welt ohne Hunger« vor, am Nachmittag begann eine zweitägige Konferenz zum Thema.

Was der konkrete Inhalt des neuen Förderprogramms ist, ging aus Müllers Statements allerdings nur vage hervor. Auch eine an die Presse verteilte farbige Broschüre gibt wenig Auskunft über das, was etwa in 13 geplanten »Grünen Innovationszentren zur Förderung ländlicher Wertschöpfung« in afrikanischen Staaten und in Indien passieren soll, deren Aufbau das Ministerium unterstützen will.

Tatsache sei, so Müller, dass schon heute ausreichend Lebensmittel erzeugt werden, um acht bis zehn Milliarden Menschen zu ernähren. Das größte Problem sei aber – neben der Verschwendung von Nahrung in den Industriestaaten – ein gravierender Mangel an Lagerkapazitäten, Konservierungs- und Trocknungsmöglichkeiten sowie an Transportinfrastruktur. In etlichen afrikanischen Ländern und in Indien verderben deshalb jedes Jahr 30 bis 60 Prozent der Ernte von Kleinbauern, sagte Bärbel Dieckmann.

Sie wies darauf hin, dass vier von fünf Hungernden im ländlichen Raum leben. Die Menschen müssten in die Lage versetzt werden, einen Teil ihrer Erzeugnisse zu verkaufen, um durch die Einnahmen Gesundheitsvorsorge und den Schulbesuch ihrer Kinder finanzieren zu können, betonte Dieckmann.

Die Pläne von Minister Müller laufen unterdessen auf das Altbekannte deutscher sogenannter Entwicklungspolitik hinaus. Es brauche eine »Grüne Revolution«, war von ihm zu hören. Für das entwicklungspolitische Engagement der BRD in Afrika sollen künftig 1,3 Milliarden Euro pro Jahr bereitstehen, 100 Millionen mehr als bisher. Dies hatte Müller am Freitag im Bundestag angekündigt. Ein Teil davon ist auch für die »Sonderinitiative« vorgesehen. Mit ihr soll unter anderem die Erforschung und der Einsatz wassersparender und bodenschonender Anbaumethoden finanziert werden. Als entscheidendes Problem sehen Ministerium und Welthungerhilfe fehlende Landeigentums- und -nutzungsrechte für Kleinbauern und kündigen an, für deren Sicherung eintreten zu wollen. Zudem werde man »gezielt« auf eine Verbesserung der Stellung der Frauen hinwirken, betonte Müller. Derzeit seien sie häufig benachteiligt, was den Zugang zu Anbauflächen betrifft.

Vertreter von Hilfsorganisationen äußerten Skepsis gegenüber den Plänen des Ministeriums. Es bestehe die Gefahr, dass einmal mehr auf »konzerndominierte Produktketten« gesetzt werde, sagte der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes entwicklungspolitischer Nichtregierungsorganisationen (VENRO), Bernd Bornhorst, am Dienstag in Berlin. Und Marita Wiggerthale vom Entwicklungshilfeverband Oxfam erklärte, Müller habe habe an den »Bedürfnissen und Prioritäten marginalisierter Kleinbauern« vorbeigeplant. Vieles an der neuen Initiative sei zudem »alter Wein in neuen Schläuchen«. Überwiegend würden damit bereits laufende Projekte lediglich ausgeweitet.

Für die Innovationszentren stehen laut Ministerium über drei Jahre verteilt rund 80 Millionen Euro zur Verfügung. Sie sollen in Äthiopien, Benin, Ghana, Indien, Kamerun, Kenia, Malawi, Mali, Nigeria, Sambia, Togo und Tunesien entstehen, ob eines in Burkina Faso hinzukommt, werde derzeit geprüft.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 25. März 2015


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