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"Niebel verbiegt Entwicklungspolitik"

"Werbelliner Appell" übt vehemente Kritik an Minister. Gründung von neuem Dienst gefordert

Von Rolf-Henning Hintze *

Massive Kritik an Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) enthält ein Aufruf, der am Sonntag auf einer Tagung von über 730 ehemaligen Entwicklungshelfern und Mitarbeitern des Deutschen Entwicklungsdienstes (DED) vorgestellt wurde. Der »Werbelliner Appell« – genannt nach der dreitägigen Tagung am Werbellinsee – wendet sich gegen die von Niebel durchgesetzte Auflösung des vor 50 Jahren gegründeten DED und fordert die Gründung eines entsprechenden Dienstes. Eine solche zivilgesellschaftlich getragene Einrichtung solle qualifizierten und motivierten Menschen die Möglichkeit bieten, sich auf Zeit »in einer zunehmend vom Raubbau an Mensch und Natur gezeichneten Welt für die Schaffung gerechter und nachhaltiger Strukturen einzusetzen«.

Der DED habe durch die Eingliederung in die »Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit« (GIZ) »seine Identität verloren«, heißt es in dem Appell. Auf Weisung des Entwicklungsministeriums seien erfolgreiche Programme des DED ersatzlos gestrichen worden. Bei der gegenwärtigen Tätigkeit der GIZ würden unverzichtbare Prinzipien der DED-Arbeit »nicht zuletzt aufgrund der wachstumsorientierten Unternehmenskultur der GIZ, der exorbitant hohen Verwaltungsgemeinkosten und des Top-down-Beratungsansatzes über Bord geworfen«.

Als Merkmale, die den DED früher einmal ausgezeichnet hätten, nennt der Appell solidarisches Lernen und Helfen, Mitbestimmung der Mitarbeiter, Hilfe zur Selbsthilfe vor Ort, Partner- und Zielgruppenorientierung nicht nur als Lippenbekenntnis, Bemühungen um eine Stärkung der Zivilgesellschaft und »mit den Partnern gemeinsam erarbeiteten innovativen Problemlösungsansätze«.

Im Unternehmen GIZ könne ein von solchen Werten geprägter Entwicklungsdienst jedoch nicht überleben, deshalb gelte es, ihn neu zu schaffen. Die Initiatoren streben eine zivilgesellschaftliche, öffentlich mitfinanzierte Trägerstruktur an.

Der Werbelliner Appell soll weiteren früheren Helfern und DED-Mitarbeitern zugeleitet werden, die ihn bis zum 24. Juni unterschreiben können, um ihn dem Ministerium zu übergeben. Der DED-Freundeskreis, der zusammen mit einer »Initiative ded50« die Tagung organisiert hatte, vertrat in einer Erklärung die Ansicht, das von Niebel geführte Ministerium verbiege die Entwicklungspolitik mit ihrem solidarischen Auftrag »und funktioniert sie zur Außenwirtschaftspolitik um«. An der Tagung hatten auch der frühere DED-Geschäftsführer Willi Erl sowie zeitweise der frühere Entwicklungsminister Erhard Eppler teilgenommen.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 29. Mai 2013

Hinweis

Über die Adresse www.ded-freundeskreis.de kommt man zum Werbelliner Appell.




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