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Pilotprojekt weiße Weste

Konzerne haben PR-Potenzial der Entwicklungszusammenarbeit entdeckt

Von Benjamin Beutler *

Seitdem das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) vom FDP-Politiker Dirk Niebel geleitet wird, ist das »innovative Instrument« der öffentlich-privaten Partnerschaften, kurz »Public Private Partnerships« (PPP), zur Speerspitze deutschen Engagements in Übersee geworden: Das Budget solcher Maßnahmen wurde von 48 auf 60 Millionen Euro aufgestockt.

Staat und Privatwirtschaft arbeiten im Ausland gemeinsam am »Aufbau von Infrastruktur« mit dem Schwerpunkt Wasserversorgung und Abfallwirtschaft. Über die »Gesellschaft für technische Zusammenarbeit« (GTZ) steuert das BMZ Geld, Kontakte, Expertisen und Know-how zu dieser verschleierten Privatisierungsstrategie bei, was der Minister eine »Win-Win-Situation« nennt. Nach Abschluss der Anschubfinanzierung gehen alle Betreiberrechte an das Unternehmen aus Deutschland. In Brasilien etwa hat das hessische Unternehmen »Enviro Chemie« in Rio de Janeiro eine Kläranlage zu 50 Prozent vom BMZ bezahlt bekommen, der Umsatz der mittelständischen Firma ist von 20 auf 70 Millionen Euro gestiegen.

Große Multis nutzen PPP zudem als grünen Deckmantel. An einem der größten Industrie-Standorte Mexikos hat Chemie-Gigant BASF zusammen mit den vor Ort operierenden Energie-Riesen Shell, Total und Mitsui unter GTZ-Leitung der Küstenstadt Altamira eine Müllkompostierungsanlage errichtet. Seit 2006 soll die Bevölkerung im Bundesstaat Tamaulipas durch Umweltkampagnen zu »guten Bürgern« in Sachen »Umweltbewusstsein« erzogen werden, so die GTZ. BMZ und Unternehmen, deren Kerngeschäft weltweit für Ölpesten, Rohstoffkonflikte und Raubbau an der Natur verantwortlich ist, feiern ihr »Pilotprojekt« für die »Menschen in Altamira« als »Erfolgsgeschichte«.

»Greenwashing« oder nachhaltige Verbesserung der Lebensumstände? Es reicht ein Blick unter die weiße Weste. Altamira versinkt weiter im Müll, noch immer arbeitet die Müllanlage nicht, Korruptionsvorwürfe gegen den Bürgermeister reißen nicht ab, es gibt zu wenig Müllautos und Kippen. Rund 20 Umweltunfälle werden von lokalen Umweltschutzgruppen pro Jahr registriert; Grundwasser, Böden und Luft verpesten weiter.

BASF Mexiko – Produzent von Millionen Tonnen Plastikmüll – präsentiert sich mit Hilfe seiner PR-Abteilung »Nachhaltige Entwicklung« dennoch als »integraler Bestandteil der Gesellschaft«, der neben wirtschaftlichen und sozialen Verbesserungen auch zum Schutz der Umwelt beitragen will.

Haben die Konzerne die Umwelt lieben gelernt? In den 70er Jahren hatte der damalige BASF-Chef Bernhard Timm nach »unerhörten Vorwürfen gegen die Industrie« als erster zur »publizistischen Gegenmaßnahme« geblasen. Die Behörden hatten damals in Fischen des Rhein-Main-Gebietes »Farbstoffe der BASF« entdeckt. Angesichts dieser »unerfreulichen Situation« wurde eine Umwelt-Strategie ersonnen. Es sei »unternehmenspolitisch wichtig«, durch »aktives Vorgehen die Behörden zu einer kooperativen Einstellung zu veranlassen«. Die Volksvertreter gelte es »davon abzuhalten, unter dem Eindruck der öffentlichen Diskussion zu stark belastende Auflagen zu machen«. In Altamira dürfte diese Strategie unter tatkräftiger Mithilfe des BMZ aufgegangen sein.

* Aus: Neues Deutschland, 29. November 2010


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