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Bewaffnete Entwicklungshilfe

Hintergrund. Mit der globalen Einsatzbereitschaft der Bundeswehr wird die Zusammenarbeit zwischen staatlicher Entwicklungshilfe und Militär vorangetrieben. Eine Darstellung der aktuellen zivil-militärischen Kooperation

Von Peer Heinelt *

Die im hessischen Eschborn beheimatete Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) gibt eine Zeitschrift mit dem Titel Nah dran heraus, aus der aktuellen Ausgabe kann man so einiges über die Sorgen und Nöte deutscher Entwicklungshelfer erfahren. Christiane Althoff etwa, die im Auftrag des bundeseigenen Unternehmens zwei Jahre lang in Afghanistan Lehrer ausgebildet hat, berichtet hier folgendes: »Nach meiner Rückkehr hatte ich auch mit ganz alltäglichen Problemen zu kämpfen: Mein Körper hatte an Fitneß verloren. Denn Sport war für mich als Frau in einem streng muslimischen Land nahezu unmöglich. Ab und an bin ich im Bundeswehrcamp gejoggt oder habe meine Pilates-DVDs in den Laptop gelegt. Aber das war kein wirklicher Ausgleich zum fettigen Essen und der ständigen Fortbewegung mit dem Auto.« Mit dem Joggen im Bundeswehrcamp lassen es die Mitarbeiter der staatlichen Entwicklungsagentur indes nicht bewenden; nach eigenem Bekunden gelten ihnen die deutschen Streitkräfte seit langem als »Partner in Uniform«.

Mit neuem Namen in den Krieg

Wie weit die Zusammenarbeit zwischen den »Durchführungsorganisationen«, wie Entwicklungsminister und Reserveoffizier Dirk Niebel (FDP) sie nannte, der deutschen Entwicklungspolitik und dem hiesigen Militär mittlerweile gediehen ist, war Ende letzten Jahres Thema im zuständigen Bundestagsausschuß. Den Mitgliedern des Gremiums wurde ein Papier ausgehändigt, in dem das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) Auskunft über die Kooperation des Bundesunternehmens GIZ mit »staatlichen und privaten Sicherheitsdiensten« gibt. Zu Beginn des Textes findet sich eine Aussage Niebels: »Komplexe Konfliktsituationen wie in der Demokratischen Republik Kongo oder in Afghanistan können nicht allein entwicklungspolitisch, diplomatisch oder militärisch gelöst werden. Deshalb verzahnen wir uns eng und bauen Berührungsängste zwischen den Politikfeldern ab.« Die genannten »Berührungsängste« dürften indes längst der Vergangenheit angehören: Schon 2011 hat die aus der Fusion der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), des Deutschen Entwicklungsdienstes (DED) und der gemeinnützigen GmbH Internationale Weiterbildung und Entwicklung (InWEnt) hervorgegangene GIZ mit dem Bundesverteidigungsministerium eine förmliche »Kooperationsvereinbarung« geschlossen. Diese sieht vor, die Truppe mit entwicklungspolitischem Know-how zu unterstützen – etwa durch die Bereitstellung GIZ-eigener »Analyse (n) von Einsatzgebieten« und die »Schulung von Soldaten« in »Islam-sensiblem Verhalten«. Teil des Vertrags ist zudem die »Zusammenarbeit beim Management von Baumaßnahmen«. Umgekehrt läßt die Bundeswehr die GIZ im großen Maßstab an ihrer Infrastruktur teilhaben; sie bietet deren Mitarbeitern »vorbereitende Trainings« und gewährt ihnen Zugang zu »Einsatzliegenschaften«, Betreuungseinrichtungen, Einkaufsmöglichkeiten, Feldpost, Transportkapazitäten, notfallmedizinischer Versorgung sowie zu »Geo- oder Lageinformationen«.

Besonders enge Beziehungen pflegt die GIZ zudem mit der Führungsakademie der Bundeswehr und der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS). Laut BMZ finden an der Führungsakademie regelmäßig »gemeinsame Übungen« von Entwicklungshelfern und Soldaten statt, bei denen das »zivile und militärische Zusammenwirken« in aktuellen und potentiellen Operationsgebieten der deutschen Streitkräfte trainiert wird. Zu den Themen der »ressortübergreifenden« Zusammenarbeit zählen »Nahrungsmittelkrisen«, »Finanzkrisen«, »Migration« oder »Rohstoff-Governance«. Die BAKS, der bundeseigene militärpolitische Thinktank, lädt regelmäßig GIZ-Mitarbeiter als Referenten zu seinen sechsmonatigen »Seminaren für Sicherheitspolitik« ein, bei denen sich hochrangige Militärs, Beamte des Bundesinnenministeriums, des Bundes­kriminalamts, des Bundesnachrichtendienstes und des Verfassungsschutzes mit Managern hiesiger Großkonzerne über die Leitlinien deutscher »Geopolitik« abstimmen (siehe jW-Thema vom 6.7.2012). Nicht ohne Stolz verweist das BMZ nach wie vor auf eine anno 2009 von GTZ und BAKS durchgeführte »Kooperationsveranstaltung« über den »Umgang mit nichtstaatlichen Gewaltakteuren«. Im Sprachgebrauch der genannten Institutionen werden hierunter »Rebellen« und »Befreiungsbewegungen« in den Ländern des globalen Südens verstanden, die das Gewaltmonopol des Staates in Frage stellen, »Territorialkontrolle« ausüben und »politische Machtansprüche« formulieren. Über deren Befehlsstrukturen, materielle Ressourcen, Bewaffnung und Rückzugsräume umfassend informiert zu sein, das hält man nach eigenen Angaben für »unverzichtbar«, um – etwa im Falle einer Militärintervention – seine »jeweiligen Ziele zu erreichen«.

Entwicklungsminister Niebel, der seine Verbundenheit mit der Truppe gerne durch das demonstrative Tragen der sogenannten Gelben Schleife zum Ausdruck bringt, zeigte sich seinerseits bereits kurz nach Amtsantritt davon überzeugt, daß »Entwicklungshilfe« und Aufstandsbekämpfung zwei Seiten derselben Medaille sind. In Afghanistan etwa müßten die »Aktivitäten unserer Hilfsorganisationen (…) dort konzentriert werden, wo die Bundeswehr aktiv ist«, ließ der Ressortchef wissen. All die entwicklungspolitisch engagierten Gutmenschen, die daraus messerscharf auf einen Trend zur Militarisierung der Entwicklungspolitik schlossen, watschte Niebel mit der launigen Bemerkung ab, sie sollten sich einmal Zeugnis darüber ablegen, wer ihre diversen Projekte eigentlich finanziere: »Wenn mit deutschen Steuermitteln Aufgaben erfüllt werden müssen, dann müssen sie auch im Rahmen des deutschen politischen Ziels durchgeführt werden. (…) Überall da, wo Steuermittel eingesetzt werden, bestimmt die Bundesregierung die Aufgaben, die erfüllt werden müssen. Und wenn sich da keine Nichtregierungsorganisation für finden sollte, gibt es staatliche Durchführungsorganisationen, die diese Aufträge erfüllen, um das gemeinsame Ziel zu erreichen.« Dieses wiederum bestehe darin, »den Aufbau zu intensivieren und dadurch den Taliban den Boden zu entziehen«.

Strategische Gemeinsamkeiten

Erst Anfang März dieses Jahres präsentierte Niebel der Öffentlichkeit ein neues »Strategiepapier« seines Hauses, das sich ausdrücklich zu einer engen Kooperation mit der Bundeswehr im Rahmen militärischer Operationen bekennt. Es trägt den Titel »Entwicklung für Frieden und Sicherheit« und trifft Aussagen zum Umgang mit von Bürgerkriegen und ökonomischen Krisen betroffenen »fragilen Staaten« der sogenannten dritten Welt. Bezeichnenderweise stuft das BMZ mehr als die Hälfte seiner »Partnerländer« als »fragil« ein; bei ihnen handele es sich um potentielle »Drehscheiben für internationalen Drogen- und Waffenhandel sowie Terrorismus«, heißt es. Da die besagten »fragilen Staaten« somit ein »Risiko« für die »globale Sicherheit« darstellten, wird einmal mehr eine enge Verzahnung von Entwicklungs-, Außen- und Militärpolitik gefordert. Erfreut verweist das Ministerium in diesem Zusammenhang auf die Implementierung zahlreicher »zivil-militärischer Schnittstellen«, die als besonders »relevant« für den Erfolg der deutschen Entwicklungspolitik erachtet werden. Wie der vermeintliche Erfolg konkret aussieht, wird auch gesagt; als solcher gilt den Autoren des Strategiepapiers unter anderem der »Aufbau Afghanistans«.

Grundlage des Dokuments sind dem BMZ zufolge die gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt und dem Bundesverteidigungsministerium erarbeiteten ressortübergreifenden Leitlinien für eine »kohärente Politik« gegenüber »fragilen Staaten«. Analog den Ausführungen des Entwicklungsministeriums werden »fragile Staaten« darin als »große Herausforderung für die globale Sicherheit« beschrieben: »Sie bilden grenzüberschreitende Destabilisierungspotentiale, dienen als Umschlagplätze für illegalen Waffen-, Drogen-, Menschen- und Kulturguthandel, als Rückzugsräume für terroristische Netzwerke, und sie bedrohen den legalen Handelsverkehr.« Wie die Autoren des BMZ-Strategiepapiers behaupten auch die der »Leitlinien« einen »untrennbaren Zusammenhang von Sicherheit und Entwicklung« und bekennen sich zu einem »vernetzten Ansatz« der Entwicklungs-, Außen- und Militärpolitik im Interesse eines »internationalen Krisenmanagements«. Bei »krisenhaften Entwicklungen« in aller Welt könnten beispielsweise »länder- oder regionenspezifische Task Forces« aus Mitarbeitern des BMZ, des Auswärtigen Amts und des Verteidigungsministeriums unter »Einbeziehung von Thinktanks und externer fachlicher Expertise« gebildet werden. Diese sollen eine »frühzeitige Lage- und Machtstrukturanalyse« der jeweiligen Krisenregion vornehmen und eventuell dort vorhandene »Kooperationspartner« ausfindig machen, heißt es. Explizit beruft man sich in den »Leitlinien« auf das 2006 von der Bundesregierung verabschiedete »Weißbuch zur Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr«, das die Truppe als »Instrument« zur weltweiten Durchsetzung »deutscher Interessen« definiert. Folgerichtig gilt darin ein »robustes Profil« des »internationalen Engagements mit militärischer und/oder polizeilicher Komponente« als Grundlage für »Stabilisierungs- und Entwicklungserfolge«.

Das Beispiel Afghanistan

Es verwundert vor diesem Hintergrund nicht, daß die von der GIZ praktizierte »zivil-militärische Zusammenarbeit« in Afghanistan am weitesten fortgeschritten ist. Bereits kurz nach dem Einmarsch der westlichen Besatzungstruppen anno 2001 wurde die damalige GTZ für die Bundeswehr tätig. Wie einer Selbstdarstellung zu entnehmen ist, »unterstützte« man die Truppe zunächst bei »Bauvorhaben« in Kabul, um dann – parallel zur Übernahme der Kommandogewalt durch das deutsche ISAF-Kontingent – seinen Arbeitsbereich auf den Nordosten des Landes auszudehnen: »Kernstück war die komplette Planung und Erstellung der Liegenschaft für die Bundeswehr in Kundus (…) Diese umfaßt Unterkünfte, Stabs- und Funktionsgebäude, ein Rettungszentrum, Straßennetz sowie ein Ver- und Entsorgungssystem, einschließlich einer Kläranlage und Wasseraufbereitung. Auf der Grundlage der militärischen Bedarfsanforderungen berücksichtigte die GTZ bei der Planung angepaßte ortsübliche Bauweisen und die Nutzung lokaler Ressourcen. Die Ausführung der Baumaßnahmen erfolgte – soweit wie möglich – mit lokalen Unternehmen und Arbeitskräften, die bei Bedarf qualifiziert wurden.« Dabei kam der Entwicklungsagentur nach eigenen Angaben zugute, daß sie »aufgrund ihrer langjährigen Zusammenarbeit mit der Bundeswehr mit den Rahmenbedingungen (…) für den Bau von Einsatzliegenschaften vertraut ist und die Funktionsabläufe der Wehrverwaltung kennt«.

Gleichzeitig führte die GTZ in den afghanischen Nordostprovinzen »rasch sichtbare Maßnahmen des Wiederaufbaus«, sogenannte Quick Impact Projects, durch. Diese hatten erklärtermaßen ausschließlich den Zweck, die gesellschaftliche »Akzeptanz« für die deutschen Besatzer zu erhöhen und der Truppe so ein »sicheres Umfeld« zu verschaffen (Stichwort »Force Protection«). Begleitend wurde Anfang 2006 vom Bundesverteidigungsministerium und betreut durch die GTZ eine gemeinsame Studie in Auftrag gegeben. In der später als militärische Verschlußsache klassifizierten Studie wurde gefragt, inwieweit Bundeswehr-Einheiten für »Operative Information« zur Unterstützung der »Öffentlichkeitsarbeit« der GTZ herangezogen werden könnten. Nach ausgiebigen »Feldforschungen« unter dem Schutz der Truppe kamen die Wissenschaftler des Sonderforschungsbereichs 700 der FU Berlin, Jan Koehler und Christoph Zürcher (siehe jW-Thema vom 15.9.2008), zu folgenden Schlüssen: Zum einen müsse die Bundeswehr die GTZ »noch stärker (…) hinsichtlich Informationsbeschaffung und Analyse unterstützen«; dies liege »im militärischen Eigeninteresse«, da die Kooperation mit der Entwicklungsagentur helfe, »das Lagebild zu verbessern« und die Verbindung zur afghanischen Bevölkerung »zu verstetigen«. Zum anderen solle die auf psychologische Kriegführung spezialisierte Truppe für »Operative Information« eine »gezielte PR-Begleitung« der GTZ-Projektarbeit übernehmen. Schließlich stünden hierfür ein von den Psychokriegern betriebener Radiosender und eine von diesen publizierte Zeitung zur Verfügung.

Aufstandsbekämpfungsstrategien

2009 wurde zudem bekannt, daß die Entwicklungsagentur in Afghanistan nicht nur für die deutschen Streitkräfte tätig war: In der hart umkämpften Provinz Urusgan baute sie im Auftrag des niederländischen ISAF-Kontingents eine 40 Kilometer lange Straße. Nach Angaben der GTZ sollte der Verkehrsweg den vor Ort ansässigen Bauern den Zugang zum Markt in der Provinzhauptstadt Tarin Kut ermöglichen und als »Signal« dafür fungieren, daß »der Westen seine Wiederaufbauversprechen entgegen der Taliban-Propaganda tatsächlich hält«. Es gehe darum, formulierte GTZ-Projektleiter Gert Both nahezu wortgleich mit Bundeswehrveröffentlichungen, »die Herzen und Köpfe zu gewinnen und die Bevölkerung wegzuholen von Taliban und Terroristen«. Die in Urusgan aktiven Rebellen dürften den Straßenbau allerdings nicht nur aufgrund dieser Aussage als Infrastrukturprojekt zugunsten einer forcierten Aufstandsbekämpfung interpretiert haben – bekanntlich werden befestigte Transportrouten sowohl von einheimischen Bauern als auch von Militärpatrouillen genutzt. Recherchen des Journalisten und Mitbegründers des Rheinischen Journalistenbüros Karl Rössel zufolge gehörte die Entwicklungsagentur in den 1990er Jahren zu den Durchführungsorganisationen des »Bondoc Development Program« auf den Philippinen. Im Rahmen des Projekts wurden zunächst Transportwege für das philippinische Militär in einem Operationsgebiet der maoistischen Guerilla New People’s Army (NPA) gebaut. Entlang des entstandenen Straßennetzes organisierte die GTZ dann »Musterdörfer«, deren Bewohner ökonomische Unterstützung erhielten. So sollte etwa die Aufschüttung künstlicher Riffe aus Autoreifen dazu beitragen, die Fischereiwirtschaft zu fördern. Als Gegenleistung mußten die Bewohner der »Musterdörfer« die Straßen ihres jeweiligen Bezirks kontrollieren und Aktivitäten der Rebellen an die lokalen Militärbehörden melden.

Integraler Bestandteil erfolgreicher Aufstandsbekämpfung ist der Aufbau einheimischer Repressionsorgane. Folgerichtig engagiert sich die aus der GTZ hervorgegangene GIZ in Afghanistan eigenen Angaben zufolge denn auch dafür, der dortigen Polizei »eine gute Ausbildung, Ausstattung und Infrastruktur« zuteil werden zu lassen. Seit 2008 hat die Entwicklungsagentur für sie Akademien, Trainingszentren und Hauptquartiere in Kabul, Masar-i-Scharif, Kundus und Faisabad errichtet. Gleichzeitig wurde 11000 Polizisten in den von der Bundeswehr besetzten Nordprovinzen des Landes Lesen und Schreiben beigebracht. Damit einhergehend vermittelte ihnen die GIZ nach eigenem Bekunden einschlägiges »Fachwissen«; so lernten sie etwa, »geltendes Recht anzuwenden« und sich »selbständig Informationen zu beschaffen«. Gemeinsam mit dem von der Bundesregierung nach Afghanistan entsandten »Deutschen Polizei-Projektteam« und der EU-Polizeimission EUPOL nimmt die Entwicklungsagentur für sich in Anspruch, bis heute insgesamt mehr als 50000 Afghanen zu Polizisten ausgebildet zu haben. Unerwähnt bleibt dabei in der Regel, daß jährlich tausend Angehörige der einheimischen Repressionskräfte bei Anschlägen und bei Kämpfen mit Aufständischen ihr Leben verlieren. Die von der GIZ lancierten Fernsehspots, Radiosendungen und Großflächenplakate, die für eine »rechtsstaatlich« orientierte und »bürgernahe« Polizei werben, hatten offenbar bisher nicht die gewünschte Wirkung.

Zivil-militärische Besatzung

Fraglich ist auch, ob ein Projekt der GIZ mit dem Ziel, die Opiumproduktion am Hindukusch zu reduzieren und »den illegalen Handel auf den bekannten Transportrouten einzudämmen«, Erfolg haben wird. Zusammen mit dem Bundeskriminalamt (BKA) will man nach eigenen Angaben die »Kommunikations-, Analyse- und Fahndungsfähigkeiten« der Repressionsdienste in Afghanistan und seinen Anrainerstaaten verbessern und deren »Kompetenzen« auf den Gebieten »Forensik«, »Informationsvermittlung« und »Grenzkontrollen« stärken. Abgesehen davon, daß unter dem Deckmantel der Antidrogenpolitik oftmals schlicht Aufstandsbekämpfung betrieben wird, dürften afghanische Bauern in aller Regel nur deshalb Schlafmohn anbauen, weil sie keine anderen Einkommensquellen haben. Die vielbeschworene »Entwicklungshilfe« hat hieran nichts geändert, verfolgt sie doch in erster Linie das Ziel, neben Militär und Polizei vor allem die Profite deutscher Konzerne zu entwickeln – selbst unter widrigsten Bedingungen: Nicht ohne Grund ist die GIZ Teil der »Global Player Initiative« des BKA, die es sich laut BMZ zur Aufgabe gemacht hat, mit Rat und Tat »deutsche Großunternehmen« zu unterstützen, »die an internationalen Brennpunkten starke Interessen haben«.

Aufgrund der politischen Ausrichtung der GIZ wird ihr Personal immer wieder zur Zielscheibe von Attacken aufständischer Gruppen. Die naheliegende Schlußfolgerung, zumindest die Kooperation mit Besatzungstruppen und Repressionsorganen einzustellen, um die eigenen Mitarbeiter zu schützen, wird jedoch schon lange nicht mehr gezogen. Statt dessen setzt die Entwicklungsagentur nach eigenen Angaben auf ein »professionelle (s) Sicherheits- und Krisenmanagement«, das die Erstellung »kritische (r) Szenarien« beinhaltet und »geeignete Denk- und Handlungsmodelle« für Bedrohungssituationen vorgibt. In »Hochrisikoländern« reiche dies jedoch nicht aus, heißt es. Hier helfe nur die »Einstellung von hauptamtlichen Sicherheitsberatern und die Einrichtung von ständig besetzten Sicherheitsbüros«. Oftmals ist selbst das nicht genug, und so arbeitet die GIZ nach Angaben des BMZ an etwa der Hälfte ihrer weltweiten Standorte mit privaten Sicherheitsfirmen zusammen, die »Dienstleistungen zum Schutz sowie zur Be- und Überwachung von Personen und Objekten erbringen«.

In Afghanistan führt die Entwicklungsagentur darüber hinaus ein »Projekt im Bereich Risikomanagement« durch, an dem auch die KfW-Entwicklungsbank, die Friedrich-Ebert-Stiftung, die Konrad-Adenauer-Stiftung, die Heinrich-Böll-Stiftung, der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) und die Zentralstelle für Auslandsschulwesen (ZfA) beteiligt sind. Gemeinsam will man eine »Akzeptanzstrategie« erarbeiten, die durch »Maßnahmen im operativ relevanten Umfeld« zur »Erhöhung der gesellschaftlichen Anerkennung« der beteiligten Organisationen beiträgt und so das »Risiko von Angriffen« vermindert. Um »gute Beziehungen zur lokalen Bevölkerung aufzubauen«, sei es notwendig, nicht nur »Sinn und Zweck« der eigenen Vorhaben »zu erläutern«, sondern sich auch »konfliktsensibel« und »kulturell angepaßt« zu verhalten, heißt es. Für den Fall, daß die projektierte »Akzeptanzstrategie« nicht zum Erfolg führt, hat die GIZ allerdings schon vorgesorgt – mittels detaillierter »Evakuierungspläne«.

* Peer Heinelt ist Politologe und lebt als freier Autor in Frankfurt/Main. Zuletzt erschien von ihm am 3.4.2013 an dieser Stelle ein Beitrag über den sogenannten Heimatschutz in der BRD.

Aus: junge Welt, Donnerstag, 11. Juli 2013



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