Einmal "weltwärts" und zurück
Erste Teilnehmer des entwicklungspolitischen Freiwilligendienstes zogen in Potsdam Bilanz
Von Kai Walter *
Entwicklungspolitscher Freiwilligendienst soll mehr sein als ein
bezahlter Aufenthalt in einem Entwicklungsland. Jugendliche sollen
Erfahrungen sammeln und diese nach ihrer Rückkehr in Deutschland
einfließen lassen. Unter dem Titel »undjetzt?!« fand Anfang August in
Potsdam eine erste Konferenz zur Vernetzung und Information von
Rückkehrern statt. Mehr als hundert Ehemalige kamen.
Sich trauen, Erwartungen brechen, keine Angst zu Versagen. Das war die
Botschaft von Klaus Werner-Lobo an die Teilnehmer von »undjetzt?!« in
Potsdam. Werner-Lobo begann seinen Vortrag mit einer Demonstration. Mit
vor der Brust verschränkten Armen stand er mitten auf der Bühne und
schaute wortlos ins Publikum. Im großen Saal herrschte Ruhe - lange. So
lange, bis eine Stimme rief: »Anfangen.« Der österreichische
Globalisierungskritiker Werner-Lobo wollte mit seinem unkonventionellen
Beginn Macht demonstrieren. Macht, die ihm die Zuhörer gaben, als er die
Erwartungen an einen Vortragsbeginn brach und durch Nichtstun mehr
Aufmerksamkeit erreichte als durch ein Feuerwerk von Aktionen.
Werner-Lobo erzählte den jungen Leuten, wie er mit seiner
journalistischen Arbeit dafür kämpft, dass die Ärmsten dieser Erde nicht
weiter nur die Verlierer der Globalisierung bleiben. Er erzählte, wie er
auf Missstände im Süden hinweist und wie er versucht, den Menschen in
den Industrieländen ihre Verantwortung dafür klar zu machen. Und
Werner-Lobo antwortete auch auf die Fragen, was junge Menschen denn tun
könnten: Informieren, organisieren und engagieren lautet seine Formel.
Der Vortrag von Klaus Werner- Lobo war einer der Höhepunkte der ersten
Konferenz für Rückkehrer aus dem Freiwilligendienst. Initiiert und
organisiert wurde »undjetzt?!« von ehemaligen Freiwilligen, die sich in
verschiedenen Vereinen und Netzwerken organisieren.
Durch das vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (BMZ) geförderte Freiwilligenprogramm »weltwärts« haben seit
Anfang 2008 mehr junge Menschen die Möglichkeit, Erfahrungen in
Entwicklungsländern zu sammeln. Nun gibt es auch mehr Rückkehrer, die
nicht nur in den Alltag zurückkehren wollen, sondern Wege suchen, um
ihre Erfahrungen zu nutzen und sich weiterhin zu engagieren. Das Konzept
für eine Konferenz, die auf diesen Bedarf eingeht, hielt auch das BMZ
für förderungswürdig und finanzierte die Veranstaltung zu 68 Prozent.
Zwischen drei Monaten und einem Jahr hatten die Teilnehmer der Konferenz
in Entwicklungsländern in Asien, Afrika oder Lateinamerika ganz
persönliche Erfahrungen gesammelt. Aber was hat der Freiwilligendienst
gebracht und was kann man nach der Rückkehr tun? Wie kann man die
Erfahrungen nutzen? Und wo findet man Gleichgesinnte?
David Hansen aus Hamburg kam vor zwei Jahren aus Südafrika zurück. Ein
Jahr lang hatte der heute 22-Jährige dort als Freiwilliger gearbeitet
und zurück in Hamburg wollte er weiter etwas für die Menschen in
Südafrika und anderen Entwicklungsländern tun. Vor einem Jahr hat er in
Hamburg einen Verein gefunden, bei dem er gemeinsam mit anderen
engagierten Jugendlichen entwicklungspolitisch tätig sein kann. Bei »Go
Ahead! - Bildung für Afrika« werden Projekte erdacht und durchgeführt,
deren Ziel es ist, mehr Bildungsmöglichkeiten für Menschen in
Entwicklungsländern zu schaffen. »Ich bin in allen möglichen Verteilern
und so habe ich von der Konferenz erfahren«, erklärt der
Wirtschaftstudent. Nach Potsdam sei er gekommen, um noch mehr aktive
Ehemalige zu treffen und zu hören, was woanders gemacht wird.
Zwei Tage lang konnten die Rückkehrer in einem umfangreichen
Workshopprogramm von Experten mehr über Entwicklungspolitik und
-zusammenarbeit erfahren. In mehr als vierzig Workshops ging es unter
anderem um Themen wie Wirkung von Entwicklungszusammenarbeit, Web 2.0
for development, Millenniumsentwicklungsziele und Globales Lernen.
Viel Raum für den Austausch von Erfahrungen und Diskussionen über
Möglichkeiten des Engagements boten Open Space-Veranstaltungen, für
welche die Konferenzteilnehmer selbst Themen vorschlugen. Von generellen
Fragen wie »Wie schaffe ich eine gerechtere Welt?« über Diskussionen zu
Freiwilligenportalen wie volunity.net ging es bis hin zur konkreten
Auseinandersetzung darüber, wie man eine entwicklungspolitische
Diskussion an die Hochschulen bringen kann. »Es gibt so viele Leute, die
was machen wollen, aber nicht wissen wie, und wo sie sich hinwenden
können«, sagte David Hansen in der Diskussion zur Frage »Was tun an der
Hochschule?« Bei allem Enthusiasmus müsse jedoch bedacht werden, dass
andere Studierende oder die Öffentlichkeit für entwicklungspolitische
Veranstaltungen oft schwer zu mobilisieren sind. Man müsse deshalb
entsprechende Methoden und Medien finden, um einen Bezug zu solchen
Themen für Menschen herzustellen, die bisher nichts damit zu tun hatten.
Beim Markt der Möglichkeiten nutzten auch Akteure wie die Kreditanstalt
für Wiederaufbau (KfW) und die Gesellschaft für Technische
Zusammenarbeit (GTZ) die Gelegenheit, mit interessierten Rückkehrern in
Kontakt zu kommen. Die Vertreterin der KfW hätte sich ein kompakteres
Format des Marktes gewünscht, da die Konferenzteilnehmer am zweiten Tag
durch parallel stattfindende Open Space-Angebote anderweitig gebunden
waren und nur sporadisch vorbeikamen.
Christian Wienberg, einer der Hauptinitiatoren, bekräftigte im Resümee
nochmals das Anliegen der Konferenz: »Es ging nicht primär darum,
persönliche Dinge der Teilnehmer aufzuarbeiten. Wir wollten gemeinsam
darüber nachdenken, was man nach der Rückkehr tun kann.« Am Abschlusstag
verfassten die Teilnehmer eine Erklärung, in der sie sich für eine
Verbesserung von »weltwärts« aussprechen, wobei vor allem auch mehr
Mitspracherecht für die Freiwilligen im Bereich der Programmgestaltung
und der Organisation angestrebt wird. Die Ehemaligen wollen sich an der
weiteren Gestaltung von Freiwilligendiensten aktiv beteiligen und
deswegen die Vernetzung der Rückkehrer stärken. »Ihr müsst euch keine
Sorgen machen, dass ihr vielleicht wenige seid«, sagte Klaus Werner-Lobo
den Rückkehrern. Es seien immer wenige gewesen, von denen in der
Menschheitsgeschichte Veränderung ausgegangen sei. Diese wenigen hätten
sich jedoch informiert, organisiert und engagiert.
* Aus: Neues Deutschland, 18. August 2009
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