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"Das war ein Dienst, kein Unternehmen"

Vor 50 Jahren wurde der Deutsche Entwicklungsdienst gegründet – FDP-Niebel hat ihn abgeschafft. Ein schwerer Fehler, sagen ehemalige Mitarbeiter. Gespräch mit Willi Erl

Von Rolf-Henning Hintze *

Willi Erl war bis 1998 Geschäftsführer des DED. Er ist Mitglied des DED-Freundeskreises und einer der Mitautoren des »Werbelliner Appells«, der die Integration des früheren DED in die gewinn­orientierte GIZ für einen schweren Fehler hält und die Gründung eines neuen Entwicklungsdienstes fordert.

Am Montag vor 50 Jahren ist der »Deutsche Entwicklungsdienst« (DED) gegründet worden. Sein rundes Jubiläum kann er allerdings nicht feiern, weil ihn Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) 2011 aufgelöst und in die »Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit« integriert hat. Sie und Ihr DED-Freundeskreis kritisieren das – warum?

Im Unterschied zur GIZ war der DED ein Dienst, kein Unternehmen. Die Entwicklungshelfer haben sich für eine begrenzte Zeit eingebracht, um basisorientiert und gemeinsam mit unseren Partnern deren Lebensverhältnisse zu verbessern. Im DED selbst wollten und konnten sie in einem hohen Maße mitbestimmen und sich mit ihrer Organisation identifizieren. Wichtig war auch die Vorbereitung auf das Leben und Arbeiten in einer anderen Kultur mit der Orientierung auf Bescheidenheit und Schlichtheit. Für mich hat der DED immer den Hauch des Idealismus und den Anspruch der Solidarität gehabt.

Fast 750 ehemalige Entwicklungshelfer und -helferinnen des DED sowie ehemalige Mitarbeiter sind im Mai zu einer Tagung am Werbellinsee in Brandenburg zusammengekommen. Eine dort vorgelegte Erklärung, der »Werbelliner Appell«, zirkuliert seither unter den Ehemaligen und findet viel Zustimmung. Gefordert wird ein neuer Entwicklungsdienst, der zivilgesellschaftlich getragen und öffentlich mitfinanziert wird. Wie stellen Sie sich das vor?

Ich kann mir durchaus eine Organisationsstruktur vorstellen, in der gesellschaftliche Bewegungen wie die Gewerkschaften oder ATTAC vertreten sind, aber auch Verbände wie der Bundesjugendring und das Konsortium Ziviler Friedensdienst. Es kommt darauf an, wer Interesse zeigt und bereit ist, Verantwortung zu übernehmen.

Es ist schwer vorstellbar, daß die Bundesregierung eine solche Konstruktion akzeptieren würde, aber einmal angenommen, sie täte es: Hätte sie als Geldgeber nicht weiterhin wie beim alten DED das Sagen?

Natürlich hat der Hauptfinanzier besondere Einflußmöglichkeiten. Aber auch in der Trägerkonstruktion des alten DED hatten die nichtfinanzierenden Organisationen Möglichkeiten, die Geschäftspolitik mitzuprägen. Es kommt darauf an, was der Gesellschaftsvertrag vorsieht.

Der DED-Freundeskreis beharrt darauf, daß Entwicklungsdienst »ohne Erwerbsabsicht«, wie es im Entwicklungshelfergesetz heißt, geleistet wird, und zeitlich begrenzt sein soll. Warum halten Sie das für wichtig?

Eine Mitarbeit ohne Erwerbsabsicht halten viele von uns nach wie vor für wichtig, weil es einer Gesellschaft gut ansteht, wenn ihre Bürgerinnen und Bürger einen Teil ihrer Lebenszeit für das Allgemeinwohl einbringen – weltweit. Ein alter Spruch bringt das auf den Punkt: »Dienen« geht vor »Verdienen«.

Unter Bundeskanzler Willy Brandt war Erhard Eppler (beide SPD) von 1968 bis 1974 Entwicklungsminister. Ihm lag daran, die Erfahrungen von Entwicklungshelfern in die Politik seiner Behörde einfließen zu lassen. Dabei schloß er ausdrücklich ein, daß dabei auch Kritik an der deutschen Gesellschaft erwünscht ist. Halten Sie das heute immer noch für relevant?

Epplers Auffassung ist auch heute nicht überholt. Die Erfahrungen derjenigen, die aus dem Entwicklungsdienst zurückkehren, müßten viel intensiver für unsere eigene politische Orientierung genutzt werden. Weltweite Solidarität muß konkret gemacht werden.

Eine wichtige Rolle hat früher im DED die Mitbestimmung der Entwicklungshelfer gespielt. Warum legen Sie darauf so großen Wert?

Die Mitbestimmung hat dem gesamten DED geholfen, sich mit den Projekten, den Partnern und der Arbeit zu identifizieren. Leider gab es eine Phase, in der sie den Politikern suspekt wurde, so daß sie die Spielräume verringerten. Ein neuer Dienst müßte auf aktive Beteiligung der Mitarbeitenden angelegt sein.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 26. Juni 2013


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