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Umkämpfte Drohnen

Experten präsentierten im Bundestag völlig gegensätzliche Einschätzungen zum Thema bewaffnete Flugroboter *

Kampfdrohen oder keine Kampfdrohnen? Die Diskussion um die Anschaffung der unbemannten Waffensysteme wird seit Jahren geführt – am Montag waren Experten in einer Bundestagsanhörung dran.

Berlin. Der Bundeswehrverband hat sich für die Beschaffung von bewaffneten Drohnen für die deutschen Streitkräfte ausgesprochen. Der Schutz der Soldatinnen und Soldaten »ist für uns das zentrale Argument«, sagte der Verbandsvorsitzende André Wüstner in der ARD. »Im Krieg geht es leider nicht um Fairness, das muss man immer wieder sagen. Es ist nicht wie bei der Fußball-Weltmeisterschaft. Sondern es geht darum, zu überleben.« Die Unterschiede zu anderen Verteidigungssystemen seien nicht extrem. Auch andere Waffen würden vom Bildschirm aus eingesetzt. Ein Luftwaffenpilot starte aus bis zu 200 Kilometern Entfernung einen Marschflugkörper und sehe dabei weniger als ein Drohnenpilot.

»Ein Verzicht auf Distanzwaffen gefährdet das Leben der eigenen Soldaten«, sagte er. »Der Trend geht in Richtung bewaffneter oder bewaffnungsfähiger Drohnen«, erklärte Wüstner in der Anhörung zum Thema Drohnenbeschaffung vor dem Verteidigungsausschuss des Bundestage. Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hellmut Königshaus (FDP), empfahl die Anschaffung bewaffneter Flugroboter. Auch verantwortliche Militärs wiederholten ihre Position, dass man die Technik benötige, um eine Fähigkeitslücke zu schließen.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte am Rande der Veranstaltung, es gehe ihr um den Schutz der Soldaten im Einsatz. »Es geht nicht um autonome Killerdrohnen.« Die Ministerin will sich im Laufe der Woche positionieren.

Dagegen warnten Gutachter aus Instituten der Friedens- und Konfliktforschung davor, mit der Einführung solcher Kampfmittel die Tür zur automatisierten Kriegsführung noch weiter aufzustoßen. Marcel Dickow von der Stiftung Wissenschaft und Politik erklärte in seiner Stellungnahme: »Bewaffnete, unbemannte Luftfahrzeuge stehen am Beginn einer Kette zukünftiger Entwicklungen, die einerseits die räumliche und zeitliche Entgrenzung der Gewaltausübung begünstigen.«

Die Fraktionen der LINKEN und der Grünen lehnen die Beschaffung einhellig ab. Auch der Hans-Peter Bartels, Chef des Verteidigungsausschusses, hält mit seinen Vorbehalten nicht hinterm Berg. Dabei macht er nicht nur ethische Momente geltend. Momentan, so sagte Bartels am Montag erneut im »Deutschlandfunk«, reichten die Mittel der Bundeswehr aus. Das Militär verfüge über Jagdbombergeschwader und Kampfhubschrauber zur Unterstützung der Bodentruppen.

Neue operative Anforderungen, die eine Ausstattung mit bewaffneten Drohnen rechtfertigen, gebe es nicht. Zugleich jedoch spricht sich der SPD-Politiker für die Entwicklung einer eigenen europäischen Drohne aus. Die brauche man, um die vorhandene und künftige Aufklärungstechnik nutzen zu können. Doch Bartels hält es nicht »für völlig unvorstellbar, dass es ein Szenario geben könnte, in dem man bewaffnete Drohnen brauchen kann«.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 1. Juli 2014


Mehr Drohnen wagen

Kurze Debatte im Bundestag über Anschaffung bewaffneter Flugroboter für die Bundeswehr. Die retten Leben, erklärt ein General. Und die Industrie drückt auf’s Tempo

Von Jörg Kronauer **


Ein bißchen Ethik muß sein. Am Montag hat sich der Verteidigungsausschuß des Bundestages mit der möglichen Beschaffung von Kampfdrohnen befaßt. Auf der Tagesordnung standen »völker-, verfassungsrechtliche sowie sicherheitspolitische«, aber eben auch »ethische Fragen«, die die Anwendung ferngesteuerter Tötungsroboter betreffen. Kampfdrohnen sind nicht sonderlich beliebt: Letztes Jahr sprachen sich bei einer Infratest-dimap-Umfrage zwei Drittel der Befragten gegen ihre Verwendung bei der Bundeswehr aus. Um Widerstände zu schwächen, hatte die Bundesregierung eine »breite Debatte« zum Thema angekündigt. Jetzt aber drängt die Zeit.

Zum einen will die Industrie endlich loslegen und braucht Planungssicherheit. Klar ist: Die Bundeswehr soll neue Drohnen erhalten – zunächst 16 Stück bis 2023. Noch unklar ist, welche Drohnen beschafft werden. Berlin bevorzugt im Grundsatz – wie auch sonst in der Rüstungsindustrie – eine »europäische« Lösung: mit Beteiligung deutscher Firmen, vor allem aber unabhängig von den USA. Dafür hat Airbus Defence gemeinsam mit Dassault Aviation (Frankreich) und Alenia Aermacchi (Italien) ein Konzept erstellt. Mitte Mai teilten die Konzerne mit, man sei bereits im Gespräch mit den Verteidigungsministerien in Paris, Rom – und Berlin. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen war das ein wenig peinlich: Da gebe es ja noch die unerledigte Sache mit der »breiten Debatte«, die man führen müsse, wandte sie pikiert ein.

Wie weit die Dinge tatsächlich gediehen sind, kann man zwei Antworten der Bundesregierung auf Anfragen des Abgeordneten Andrej Hunko (Die Linke) entnehmen, die in den vergangenen Tagen übermittelt wurden. Demnach dringen Airbus, Dassault und Alenia auf einen Vertrag noch in diesem Jahr. In einer 24monatigen »Definitionsphase« soll dann entschieden werden, was die »europäischen« Drohnen alles können sollen, also etwa, ob man sie bewaffnen will. Eigentlich gilt das als ausgemacht. Die »Definitionsphase« – Kosten: schlappe 60 Millionen Euro – soll direkt in die »Entwicklungsphase« übergehen; Kosten: nach oben offen.

Weil das alles aber noch ein paar Jährchen dauern wird, dringt die Bundeswehr auf eine »Übergangslösung«. Die Zeit drängt auch hier: Die deutschen Truppen nutzen in Afghanistan zur Zeit die israelische Spionagedrohne »Heron 1«; allerdings läuft der Leasingvertrag dafür im März 2015 aus. Um in der Zeit, bis – womöglich – Airbus und Co. ihr unbemanntes Flugzeug fertig haben, nicht drohnenlos dazustehen, will die Bundeswehr einige Flugroboter kaufen. Für sie sei »konzeptionell eine Bewaffungsfähigkeit« gefordert, teilt das Verteidigungsministerium mit; man will also auch kurzfristig Kampfdrohnen haben. Im Gespräch sind neben »Heron«, die problemlos bewaffnet werden können, auch US-amerikanische »Predator« – genau die, die am Hindukusch im Tötungseinsatz sind.

Weil die Zeit drängt, mußte nun also schnell die »breite Debatte« her. Vier breite Stunden nahm sich der Verteidigungsausschuß am Montag Zeit. Die Verteidigungsministerin hörte dem Vernehmen nach brav zu, was die neun Experten – darunter gerade einmal zwei Kritiker – zu sagen hatten. Generalleutnant Hans-Werner Fritz etwa mahnte, wer die Einsatzrealität kenne, »weiß, wie lange sich eine Minute anfühlen kann, in der möglicherweise der Tod eintreten kann«; Drohnen könnten deutschen Soldaten das ersparen, mithin Leben retten. Darüber, wie sich die Minute bis zum Tod auf der anderen Seite der Front anfühlt, berichtete Fritz nichts. Ministerin von der Leyen will sich nun rasch entscheiden – wie es in ihrem Ministerium heißt, für Kampfdrohnen.

** Aus: junge Welt, Dienstag, 1. Juli 2014


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