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Bundesregierung zahnlos

US-Administration verweigert Antworten zu Drohnen und Überwachung. Erlaß des BRD-Innenministeriums gegen Spionage erweist sich als rechtswidrig

Von Mathias Monroy *

Wieder findet ein Ersuchen an die US-Regierung kein Gehör: Das Auswärtige Amt in Berlin hat noch immer keine Reaktion auf Fragen erhalten, die zu Beginn des Sommers an die US-Botschaft geschickt worden waren. Dies teilte die zuständige Staatssekretärin Maria Böhmer Ende vergangener Woche auf Anfrage der Linksfraktion mit. Das Auswärtige Amt wollte erfahren, inwiefern das in Stuttgart ansässige »US Africa Command« für die Steuerung seiner bewaffneten Drohnen auf Infrastruktur in Deutschland zurückgreift. Antworten seien von US-Behörden allerdings »innerhalb weniger Wochen« in Aussicht gestellt worden. Besonderer Druck wird nach inzwischen vier Monaten nicht ausgeübt, die Staatssekretärin erinnere aber »fortgesetzt an die ausstehende Beantwortung«. Die Groteske ähnelt der um den »Fragenkatalog« zum US-Spionageprogramm PRISM, den der damalige Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) 2013 Washington vorgelegt hatte. Nach einem Jahr gestand die Bundesregierung ein, daß sie nicht mehr mit einer Antwort rechne.

Über die Rolle Ramsteins im US-Drohnenkrieg hatten Medien bereits vergangenes Jahr berichtet, im Frühjahr wurden die Angaben von dem ehemaligen US-Drohnenpiloten Brandon Bryant bestätigt. Dieser habe täglich mit dem US-Kommando in Ramstein telefoniert, ohne eine dort befindliche Relaisstation sei der US-Drohnenkrieg in Afrika nicht denkbar. Auf mehrfache Nachfragen des Linkspartei-Abgeordneten Andrej Hunko zog sich die Bundesregierung bisher auf den Standpunkt zurück, US-Präsident Barack Obama habe persönlich versichert, daß von Deutschland aus keine Angriffe in Afrika oder Asien geflogen würden. Das hatte so aber auch keiner der Journalisten oder Abgeordneten behauptet, statt dessen ging es in den Berichten um digitale Infrastruktur in Ramstein.

Die frühere wie auch die jetzige Bundesregierung wollten die Enthüllungen zur Spionage der USA und Großbritanniens aussitzen – wohl, um keine Aktivitäten eigener Geheimdienste preisgeben zu müssen. Der frühere Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) schrieb im August vergangenen Jahres Geschichte mit dem voreiligen »Beenden« der Affäre. Sein Amtskollege Friedrich attestierte der digitalen Spitzelei von NATO-Verbündeten einen »edlen Zweck«. Wenige Tage später erklärte der Innenminister, Sicherheit sei ein »Supergrundrecht«. Berichte, daß ein US-Geheimdienst das Nokia-Handy der Kanzlerin abhört, kommentierte ein Regierungssprecher mit den Worten, der Kanzlerin sei bewußt, »daß das ein dickes Brett ist, das es da zu bohren gilt« und bat um Geduld.

Mehrere Zeitungen hatten im Herbst 2013 berichtet, daß deutsche Behörden Aufträge an US-Firmen vergeben, obwohl deren Mutterhäuser in den USA mit Geheimdiensten kooperieren. Hierzu gehören beispielsweise CSC Solutions und Booz Allen Hamilton, für die auch Edward Snowden gearbeitet hatte. Die Bundesregierung wollte sich aber weiterhin darauf verlassen, daß die Firmen wie in Verträgen versprochen keine Geheimnisse verraten. Nach Berichten über die Beteiligung von CSC Deutschland an der Entwicklung des »Bundestrojaners«, der »elektronischen Patientenakte« und einem Backup-Konzept für das Bundesverwaltungsamt gab das Innenministerium schließlich einen »No-Spy-Erlaß« heraus. Bieter sollen bereits im Vergabeverfahren die Erklärung unterzeichnen, »heimliche Abflüsse schützenswerter Informationen« an ausländische Nachrichtendienste zu unterbinden.

Allerdings hatte die Vergabekammer des Bundes bereits im Juni Bedenken angemeldet. Das Gremium war in einem Vergabeverfahren des Bundesinnenministeriums angerufen worden, nachdem ein Bieter aufgrund des neuen Erlasses abgelehnt worden war. Die Juristen der Kammer kamen zu dem Schluß, daß die Entscheidung rechtswidrig sei, Kriterien für die Eignung eines Bieters könnten demnach nicht »durch den Auftraggeber beliebig erweitert werden«. Die zulässigen Eignungsanforderungen und Ausschlußgründe seien überdies in europäischen Richtlinien festgelegt.

* Aus: junge Welt, Montag 22. September 2014


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