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License to kill? Yes!

Gericht rechtfertigt Tötung von US-Bürger per Drohne *

Ein New Yorker Gericht hat erstmals die rechtliche Grundlage für einen Drohnenangriff auf einen US-Bürger in Jemen veröffentlicht.

Die USA haben ein bislang geheimes Dokument veröffentlicht, das den tödlichen Drohnenangriff auf einen US-amerikanischen Terrorverdächtigen im Ausland rechtfertigt. Laut der Begründung des US-Justizministeriums verstieß der Angriff gegen den Prediger Anwar al-Awlaki in Jemen im Jahr 2011 nicht gegen die US-Verfassung. Diese garantiert jedem US-Bürger, der einer Straftat beschuldigt wird, das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren.

Die Tötung eigener Bürger sei dann gerechtfertigt, wenn sie eine unmittelbare Bedrohung für die USA darstellten und sie nicht zu fassen seien, hieß es in dem 41 Seiten langen Dokument. Awlaki wurden Verbindungen zum Terrornetzwerk Al Qaida nachgesagt. Durch US-Drohnen kamen mindestens drei weitere Amerikaner ums Leben. Die US-Regierung unter Präsident Barack Obama hatte jahrelang versucht, das Papier unter Verschluss zu halten. Es wurde nun nach einer Klage der Bürgerrechtsorganisation ACLU und der »New York Times« öffentlich gemacht.

Die ACLU lobte die Entscheidung als Schritt zur Transparenz: »Nur wenige Fragen sind wichtiger als die, wann die Regierung das Recht hat, die eigenen Bürger zu töten.«

* Aus: neues deutschland, Mittwoch 25. Juni 2014


Obama darf US-Bürger mit Drohnen killen

Bürgerrechtler setzen Veröffentlichung eines geheimen Memorandums gerichtlich durch

Von Rainer Rupp **


Mit vielen mittels Schwärzung zensierten Stellen ist am Montag ein brisantes Drohnen-Memorandum der Obama-Administration, gegen deren massiven Widerstand veröffentlicht worden. Aus dem vom Juli 2010 datierten und 67 Seiten umfassenden Dokument 1 geht hervor, daß das US-Justizministerium unter Umgehung des Rechtsweges mit abenteuerlichen juristischen Konstruktionen und fadenscheinigen Argumenten und unter totaler Mißachtung geltender internationaler und US-amerikanischer Gesetze versucht hat, dem willkürlichen Mord an US-Bürgern im Ausland durch den Einsatz von Drohnen ein »legales« Mäntelchen umzuhängen. Unter anderem ist dort auch zu lesen, daß »die Realität des Kampfgeschehens« bestimmte Anwendungen von Gewalt »notwendig und angemessen« macht, auch wenn sie gegen US-Bürger gerichtet ist, die ein Teil feindlicher Kräfte geworden sind. Daher lautet die Empfehlung des Justizministeriums: »Angesichts dieser Realitäten soll man es mit der Einhaltung des Rechtswegs nicht so genau nehmen.«

Da das Wir-können-US-Bürger-mit-Drohnen-killen-Memorandum des US-Justizministeriums streng geheim gehalten wurde, hatten nach Bekanntwerden seiner Existenz US-Jura-Professoren, die American Civil Liberties Union, eine Bürgerrechtsorganisation, in der sich Rechtsanwälte zusammengeschlossen haben, und die New York Times unter Berufung auf das Gesetz über Informationsfreiheit vor Gericht auf Veröffentlichung geklagt. Es sei unmöglich, die Behauptung der Regierung von der Legalität der Drohnen-Tötungen zu überprüfen, solange der Text des Memorandums nicht bekanntgemacht werde. Angesichts der Wahrscheinlichkeit eines bevorstehenden exponentiellen Anstiegs von Drohnenangriffen, darunter auch auf islamistennahe US-Bürger im Irak, hat das US-Bundesgericht der Klage stattgegeben.

** Aus: junge Welt, Mittwoch 25. Juni 2014

Der Link zum Doikument:

Das hier zitierte Memorandum kann hier heruintergeladen werden:
MEMORANDUM FOR THE ATTORNEY GENERAL (July 16, 2010) [externer Link]

Zynische Rechtfertigung

Olaf Standke über die Legitimierung von Killerdrohnen durch das Weiße Haus ***

Vor einem Jahr hat die Washingtoner Regierung erstmals eingestanden, dass bei Drohnenangriffen in Pakistan und Jemen nicht nur der bekannte islamistische »Hassprediger« Anwar al-Awlaki, sondern noch drei weitere USA-Bürger getötet worden sind. Das Weiße Haus legt die Regeln für Attacken fliegender Killerroboter gegen mutmaßliche Terroristen weitaus »großzügiger« aus, als sich das viele in den Vereinigten Staaten vorstellen konnten. Solche gezielten Tötungen sind im Verständnis von Präsident Barack Obama völlig legal, selbst wenn es sich bei den Zielen um Landsleute handelt, die keinen unmittelbaren Anschlag planen.

Nun hat ein Bundesberufungsgericht der Klage von Bürgerrechtlern und der »New York Times« nachgegeben und ein Geheimdokument aus dem Justizministerium zum Fall Awlaki allen zugänglich gemacht. Es ist eine Legitimationsschrift für staatlich organisierte Morde auf fremden Territorium, auch an eigenen Bürgern, ohne Anklage, ohne Prozess – das hat man in Washington bislang nur Despoten und Diktaturen vorgeworfen. Wie all das »vereinbar mit dem internationalen Recht« sein kann, bleibt ein zynisches Geheimnis der Rechtfertigungsjuristen. Zumal von den Militärs völlig unschuldige zivile Opfer ausdrücklich in Kauf genommen werden dürfen, solange ihre Zahl nicht »unverhältnismäßig« ist.

*** Aus: neues deutschland, Mittwoch 25. Juni 2014 (Kommentar)


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