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Sucht nach Drohnen

Bundesregierung hält den Kauf bewaffneter unbemannter Hightech-Flieger für "zwingend erforderlich". Welche Kriegsszenarien damit geplant werden, wird verschwiegen

Von Knut Mellenthin *

Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière erwartet, daß die US-Regierung in den nächsten Tagen den Verkauf von bewaffneten Drohnen an Deutschland grundsätzlich genehmigen wird. Die Anfrage des Bundesverteidigungsministeriums war schon im Januar 2012 erfolgt. Ob das Geschäft tatsächlich zustande kommen wird, ist jedoch ungewiß, da das Ministerium gleichzeitig auch mit Israel verhandelt.

Die Entscheidung wird voraussichtlich zwischen der USA-amerikanischen Drohne MQ-9 Reaper, früher als Predator B bezeichnet, und der Heron TP, dem bewaffneten Nachfolgemodell der israelischen Aufklärungsdrohne Heron, fallen. Militärtechnisch spricht auf den ersten Blick alles für die Reaper, die schon seit 2007 im Einsatz und bei mehreren hundert Angriffen erprobt ist. Die Heron TP soll erstmals im Gaza-Krieg 2009 eingesetzt worden sein, doch ist diese Angabe ungesichert. Auf jeden Fall hat sie nur einen Bruchteil der Flugstunden der US-amerikanischen Konkurrenz absolviert. Nach einigen Berichten ist ihre Entwicklung noch nicht einmal ganz abgeschlossen. Das könnte allerdings auch Vorteile haben, falls Meldungen zutreffen, daß Israel keine Einwände gegen eine technische Weiterentwicklung dieser Drohne durch die Bundeswehr hätte.

Die wichtigsten Daten der zur Zeit anscheinend favorisierten Reaper: Sie fliegt mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 310 Stundenkilometer und kann eine Höchstgeschwindigkeit von 480 Stundenkilometern erreichen. Beides bedeutet gegenüber dem 1995 in Dienst gestellten Vorgängermodell Predator mehr als eine Verdoppelung. Die militärische »Nutzlast« der Reaper, also das Maximalgewicht an mitgeführten Waffen, soll rund 15mal so groß wie die der alten Predator sein. Möglich sind viele Kombinationen, unter anderem angeblich die Ausstattung mit bis zu 14 Hellfire-Raketen.

Daß die Verfügung der Bundeswehr über eigene bewaffnete Drohnen – drei sollen es fürs erste sein – »zwingend« erforderlich sei, begründen Politiker der Unionsparteien in verlogenem Pathos mit der »Verantwortung für unsere Soldaten«. Besonders hervorgetan hat sich dabei der außenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Philipp Mißfelder: »Wer sich gegen die Anschaffung von Drohnen stellt, verweigert unseren Soldaten den größtmöglichen Schutz, der derzeit denkbar ist.«

Dagegen gibt es zwei schwerwiegende Einwände. Erstens: Bewaffnete Drohnen wurden nicht als Gefechtsfeldwaffen konzipiert und sind für diesen Zweck trotz Weiterentwicklungen nicht optimal. Hauptsächlich werden sie für gezielte und ungezielte Morde außerhalb von Kampfsituationen in nicht erklärten Kriegen mit zweifelhafter völkerrechtlicher Legitimation eingesetzt.

Zweitens: Gefechte, in denen hypothetisch der Einsatz bewaffneter Drohnen vorstellbar gewesen wäre, waren bei den bisherigen Auslandseinsätzen der Bundeswehr äußerst selten. Von 52 deutschen Soldaten, die in Afghanistan im Lauf von über zehn Jahren ums Leben kamen, starben 34 durch »Fremdeinwirkung«. Aber das bedeutet in erster Linie Attentate, Minen, Raketenangriffe und schnelle Überfälle aus dem Hinterhalt. Nur drei Soldaten wurden wirklich während eines Gefechts getötet. Das letzte Mal, daß in Afghanistan überhaupt ein deutscher Soldat getötet wurde, war bei einem Anschlag im Juni 2011.

Sollte die Bundeswehr sich ab Ende 2014 wirklich, wie die Regierung behauptet, auf die Ausbildung afghanischer Kräfte beschränken wollen, wäre mit Gefechten noch viel weniger zu rechnen als in der Vergangenheit. Die entscheidende Frage ist also: Für welche anscheinend geplanten, aber nicht offenbarten realen Kriegsszenarien und Kriegsschauplätze braucht Deutschland bewaffnete Drohnen?

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 2. Mai 2013


"Nur" Optionen auf den fliegenden Sensenmann

Bundesregierung mag vor den Wahlen nicht über problematische Rüstungsaufträge für US-Kampfdrohnen reden

Von René Heilig **


Vor den Bundestagswahlen will die Regierung keine neue Aufregung wegen zweifelhafter Rüstungsgeschäfte erzeugen. Doch heimlich werden beispielsweise beim Kauf von Drohnen Tatsachen geschaffen. Per Kaufanfrage in Washington.

»In der Debatte über die Beschaffung von Drohnen rate ich zur Gelassenheit und zu wenig Aufgeregtheit«, sagte Thomas de Maizière (CDU) bei seinem jüngsten Besuch in USA. Bislang setzt die Bundeswehr nur unbewaffnete Drohnen zur Aufklärung ein. In Israel leaste man Heron-Systeme, die in Afghanistan fliegen.

Der Verteidigungsminister geht davon aus, dass es im Mai eine Antwort der US-Regierung auf die deutsche Kaufanfrage für Kampfdrohnen geben wird. Doch natürlich weiß er, dass die Entscheidung über den sogenannten Foreign Military Sale bereits am 10. April gefallen ist. Und zwar im erwarteten Sinne. De Maizière setzt dennoch weiter auf Verschleierung, betont, dass er gerne mehrere Optionen habe und dass noch »viele Fragen geklärt und geprüft« werden müssten, bevor drei US-Sensenmänner - »Reaper« genannt - mit dem deutschen Kreuz am Rumpf fliegen und weltweit eingesetzt werden können. Friedensaktivisten und die Linksfraktion im Bundestag sprechen sich gegen den Drohneneinsatz aus, Experten warnen vor einer Entwicklung, die mörderische Einsätze automatisiert. Intelligente Kampfdrohnen, ausgestattet mit selbstlernender Software, würden schon in naher Zukunft ohne das Zutun von Menschen Feuerentscheidungen treffen können. Doch darüber mag die Regierung nicht debattieren, jedenfalls nicht vor den Wahlen.

Eine der von de Maizière angedeuteten Fragen lautet, wie weit der europäische Rüstungskonzern EADS mit der Entwicklung seiner Kampfdrohne wirklich ist. Vom Hauslieferanten der Bundeswehr ist man einiges an Verzögerung gewohnt. Beispiel: Militärtransporter A 400 M.

Ein nicht vorgeschobenes Hindernis für den Einsatz der US-Kampfdrohnen könnte die Weigerung des Verkäufers sein, technische Details preiszugeben, die für eine Zulassung des Kampfroboters im deutschen Luftraum aber offengelegt sein müssen.

Jüngst kam deshalb Zwist bei einem anderen Drohnenkauf auf. Es geht um Aufklärungsdrohnen. Bereits am 22. April hat Thomas Kossendey, Staatssekretär im Verteidigungsministerium, dem Verteidigungsausschuss des Bundestages einen Sachstandsbericht zum System EuroHawk übermittelt. Das basiert auf der US-Entwicklung GlobalHawk, wurde jedoch von der deutschen Industrie modifiziert. Die Dinger sind groß wie ein Passagierjet. Neun sollten beschafft werden. Doch: »Hinsichtlich des Erwirkens einer Muster- und Verkehrszulassung« bei der Bundeswehr sind nach aktueller Bewertung »erhebliche Risiken und Mehrkosten festgestellt worden«. Das sei, so schreibt Kossendey weiter, im Wesentlichen der Tatsache geschuldet, dass der dem EuroHawk zu Grunde liegende US-Typ »aufgrund des Einsatzbedarfs der USA ständig weiterentwickelt wurde. Entsprechende Nachweise dieser Weiterentwicklungen sind jedoch bislang nicht oder nicht ausreichend dokumentiert worden.«

Verschoben wurde auch die Entscheidung über einen Kauf von 176 »Eagle V«-Fahrzeugen. Die schuss- und minensicheren Wagen werden von der Truppe in Afghanistan benötigt. Möglicher Hintergrund der Verschiebung: Das Fahrzeug wird von einem Unternehmen des US-Konzerns General Dynamics produziert. Die deutschen Firmen Rheinmetall und Krauss-Maffei-Wegmann kamen mit ihrem AMPV nicht zum Zuge. Das Fahrzeug ist angeblich rund 300 000 Euro teurer.

** Aus: neues deutschland, Donnerstag, 2. Mai 2013


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