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Obamas Schattenkrieg

Erste internationale Drohnen-Konferenz in Washington

Von Max Böhnel, New York *

Am Wochenende versuchen in Washington zum ersten Mal Menschenrechtsorganisationen und Friedensgruppen, die US-amerikanische Öffentlichkeit auf fliegende Killer- und Überwachungsroboter im In- und Ausland aufmerksam zu machen.

Über die tödlichen Drohnenangriffe des US-Militärs in Afghanistan und Pakistan werden heute in einer Kirche unweit des Weißen Hauses pakistanische Überlebende Zeugnis ablegen. Neben der Anhörung von Experten, die die Drohnen-Schattenkriege der USA in rechtlicher, technischer und politischer Hinsicht untersuchen, geht es den Konferenzorganisatoren auch um Widerstandsperspektiven, die diese neue Art der Kriegsführung stoppen sollen. Prominenter Teilnehmer ist der pakistanische Anwalt Mirsa Schahsad Akbar, dem die US-Behörden nach mehrmaliger Visumsverweigerung erst nach Protesten die Einreise nun doch erlaubten. Er hat als Vertreter von Hinterbliebenen der Drohnenopfer den Auslandsgeheimdienst CIA verklagt und fordert Entschädigung.

Erwartet werden auch Anwälte von ehemaligen Guantanamo-Inhaftierten und der Investigativjournalist Chris Woods, der zielgerichtete CIA-Drohnenangriffe auf Gruppen von Zivilisten in Pakistan dokumentiert hat. Der durch Washington sanktionierte Tod aus der Luft fand Hunderte Opfer in Irak, Afghanistan, Pakistan, Jemen und Somalia. Gegen diese Angriffe gehen in den betroffenen Ländern bereits Tausende Menschen auf die Straßen.

Prominenteste Vertreterin der USA-Antikriegsbewegung am Wochenende ist die Codepink-Mitgründerin Medea Benjamin. Sie veröffentlicht zeitgleich ein Buch zum Thema Drohnen und Pentagon. Darüber hinaus berichten Bürgerrechtler und Internetexperten über den Einsatz und die Verbreitung von Drohnen bei der Überwachung innerhalb der USA selbst.

Die Vereinigten Staaten sind das Herstellerland Nummer eins und der größte Lieferant von militärischer und ziviler Drohnentechnologie, gefolgt von Israel. Das Militär des Nahoststaats überwacht seit mindestens zehn Jahren die besetzten und abgeriegelten palästinensischen Gebiete mit unbemannten Flugkörpern und vollzieht vom Himmel über dem Gazastreifen aus Hinrichtungen mit Drohnenraketen - sogenannte Kollateralschäden, sprich Massaker an Zivilisten, inbegriffen. An dritter Stelle unter den Herstellern folgt China.

Die NATO-Länder sind in die US-Schattenkriege direkt mit eingebunden. Trotzdem regt sich dort kein nennenswerter Widerstand. Und das, obwohl der Drohnenkrieg von Protagonisten als eine neue, »saubere« Art der Kriegsführung bezeichnet wird, vergleichbar einem Videospiel. Die Bush-Regierung hatte nach den Anschlägen vom 11. September 2001 die Drohnenüberwachung im Nahen Osten, in Südasien und Afrika ausgeweitet und erste »gezielte Tötungen« angeordnet. Unter Präsident Obama entwickelten die USA ein weltweites Netz für Drohnenüberwachung und -anschläge. Wie die »Washington Post« Ende vergangenen Jahres berichtete, gibt es inzwischen »Dutzende von geheimen Einrichtungen«. Von zwei Operationsbasen innerhalb der USA aus würden Militärs an Videobildschirmen Abschusshebel betätigen. In »mindestens sechs Ländern auf zwei Kontinenten« würden die Bilder, die die Drohnen einfangen, von US-amerikanischem Personal analysiert. Schätzungen gehen davon aus, dass in den vergangenen Jahren etwa 3000 Menschen geheimen US-Drohnenangriffen zum Opfer gefallen sind.

US-amerikanische Bürgerrechtler sind besorgt, dass die Drohnentechnologie nun auch innerhalb der USA vermehrt eingesetzt wird. Schon jetzt bemühen sich Polizeichefs, die Flugüberwachung, das Department of Homeland Security und der Grenzschutz um mehr Mittel zum Erwerb der Technologie. Ungeklärt sind allerdings noch die Kompetenzen für die Nutzung des Luftraums. Denn noch beansprucht die kommerzielle Luftfahrt den Raum für sich.

* Aus: neues deutschland, Samstag, 28. April 2012


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