Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Front gegen Monsterwaffen formiert sich

Internationale Kampagne soll neue Killer-Roboter verhindern helfen

Von Reiner Oschmann *

Robert Gibbs, bis vor zwei Jahren Sprecher von US-Präsident Barack Obama, enthüllte dieser Tage in einem Interview, dass er bei seiner Ernennung verpflichtet worden war, die Existenz eines Programms zum Einsatz von Drohnen im »Krieg gegen den Terror« nicht zuzugeben.

»Als man mich zum Sprecher ernannte, wurde mir gesagt, dass ich nicht einmal den Fakt des Bestehens des Programms zum Einsatz von Drohnen zugeben und nicht sagen darf, dass ein solches Programm existiert«, teilte Gibbs in einem Interview für den Fernsehsender MSNBC mit.

Inzwischen ist der Drohneneinsatz nicht nur zugegeben, die unbemannten Flugobjekte sind sogar zu einer der Hauptwaffen im »Krieg gegen den Terror« erhoben worden. Und während die Öffentlichkeit ihren Einsatz wegen der zahlreichen zivilen Opfer immer heftiger kritisiert, arbeiten Wissenschaftler an mehreren Orten bereits an der Nachfolgegeneration – an sogenannten autonomen Waffen (»autonomous weapons«).

Gegen diese Killer-Roboter, für die es wie im Falle der Drohnen bisher keine eindeutigen völkerrechtlichen Beschränkungen gibt, formiert sich nun eine globale Kampagne. Sie soll im April in London im Unterhaus des Parlaments gegründet werden und zur völkerrechtlichen Ächtung dieser neuesten Generation von Monsterwaffen beitragen.

Wissenschaftler, Friedensnobelpreisträger und Aktivisten der Friedensbewegung gehören nach Angaben des britischen »Guardian« zu den Initiatoren der Kampagne unter dem Namen »Stop the Killer Robots«. Die Kriegführung per Roboter und eigenständig handelnder Waffensysteme werde von Wissenschaftlern forciert. Entsprechende Waffen könnten »binnen eines Jahrzehnts Produktionsreife erlangen«, sagte Dr. Noel Sharkey von der Sheffield University, Experte für Roboter und künstliche Intelligenz, der Zeitung. Solche Waffen hätten nichts mit Science-Fiction zu tun. An ihrer Entwicklung werde »intensiv gearbeitet«.

Die Forschungsabteilung des Pentagons etwa arbeite am unbemannten X47B-Flugzeug mit bisher ungekannter Beweglichkeit. Sharkey erinnerte daran, dass in den USA, wo derzeit 1300 Drohnenpiloten im Einsatz sein sollen, »schon jetzt mehr Drohnenpiloten ausgebildet werden als für klassische Kampfflugzeuge«. Ständig würden »junge Menschen mit außergewöhnlichen Fertigkeiten bei Computerspielen gesucht«.

Sharkey sieht sich nicht als Pazifist, ist aber wie andere besorgt darüber, dass die Entwicklung dieser neuen Systeme faktisch rechtsfrei und ohne Rücksicht auf moralische und völkerrechtliche Konsequenzen erfolgt. Die Waffentechnologie entwickle sich viel schneller als die Prinzipien, die der Genfer Konvention und den Völkerrechtsbestimmungen zugrunde liegen. »Viele Fachleute sind ganz aufgeregt über die neue Waffentechnologie, in den USA, bei BAE Systems (in Großbritannien), in China, Israel und Russland.« Es entstehe eine neue »Multimilliarden- Dollar-Industrie«, obwohl es keinerlei Transparenz und keinen rechtlichen Rahmen dafür gibt. »Das Völkerrecht regelt Kapitulationsbestimmungen, Rechte von Kriegsgefangenen oder Kollateralschäden für Zivilisten. Doch wenn ein Roboter Krieg führt, wer ist dann rechenschaftspflichtig? Ganz sicher nicht der Roboter«, sagt Prof. Sharkey.

»Stop the Killer Robots« soll weit über Britannien hinaus Aktivisten und Gruppen einbeziehen, die bereits erfolgreich für internationale Maßnahmen gegen Streubomben und Landminen eingetreten sind. Die Akteure zielen auf ein ähnliches Abkommen zur Ächtung von Roboterwaffen. Auch die US-Friedensaktivistin Jody Williams hat ihre Teilnahme an der Kampagne in Aussicht gestellt. Für ihren Einsatz zum Verbot von Landminen erhielt sie 1997 den Friedensnobelpreis. Williams, die Vorsitzende der Nobel Women’s Initiative ist, erklärte, die sechs Nobelpreisträgerinnen in der Initiative unterstützten die Forderung nach einem vollständigen Verbot bewaffneter Roboter. »Ich weiß, wir können für die Killer- Roboter das Gleiche schaffen wie bei der internationalen Ächtung von Anti-Personen-Landminen. Wir können sie stoppen, ehe sie aufs Schlachtfeld gelangen.«

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 27. Februar 2013


The Scientists’ Call

... To Ban Autonomous Lethal Robots

As Computer Scientists, Engineers, Artificial Intelligence experts, Roboticists and professionals from related disciplines, we call for a ban on the development and deployment of weapon systems in which the decision to apply violent force is made autonomously.

We are concerned about the potential of robots to undermine human responsibility in decisions to use force, and to obscure accountability for the consequences. There is already a strong international consensus that not all weapons are acceptable, as illustrated by wide adherence to the prohibitions on biological and chemical weapons as well as anti-personnel land mines. We hold that fully autonomous robots that can trigger or direct weapons fire without a human effectively in the decision loop are similarly unacceptable.

Demands within the military for increasingly rapid response times and resilience against communications failures, combined with ongoing investments in automated systems, indicate a trend towards fully autonomous robotic weapons. However, in the absence of clear scientific evidence that robot weapons have, or are likely to have in the foreseeable future, the functionality required for accurate target identification, situational awareness or decisions regarding the proportional use of force, we question whether they could meet the strict legal requirements for the use of force. This is especially true under conditions in which battlefields are not clearly delimited and discrimination between civilians, insurgents and combatants is increasingly difficult.

Moreover, the proliferation of autonomous robot weapons raises the question of how devices controlled by complex algorithms will interact. Such interactions could create unstable and unpredictable behavior, behavior that could initiate or escalate conflicts, or cause unjustifiable harm to civilian populations.

Given the limitations and unknown future risks of autonomous robot weapons technology, we call for a prohibition on their development and deployment. Decisions about the application of violent force must not be delegated to machines.

* Quelle: http://icrac.net/



Externe Links zum Weiterlesen:



Zurück zur Drohnen-Seite

Zur Seite "Neue Waffen und -technologien"

Zur Friedenswissenschafts-Seite

Zurück zur Homepage