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Deutscher Sensenmann

Bundeswehr will bewaffnete Drohnen

Von Rüdiger Göbel *

Auf Befehl von Friedensnobelpreisträger Barack Obama sind an diesem Mittwoch im Südosten des Jemen fünf Menschen getötet worden. »Mutmaßliche Al-Qaida-Kämpfer«, heißt es in den hiesigen Presseberichten. Im Nordwesten Pakistans waren am vergangenen Freitag mindestens 15 Menschen per US-Drohnenangriff ermordet worden – »mutmaßliche Aufständische«. Am 19. August starben mindestens zwölf Menschen bei drei Attacken mit ferngesteuerten Killermaschinen – »mutmaßliche Kämpfer«. Die Liste läßt sich lange fortsetzen, in keinem einzigen Fall hat das US-Militär zugegeben, Zivilisten ermordet zu haben. Die »mutmaßlichen Terroristen« werden weder angeklagt, noch wird ihnen ein Prozeß gemacht. Allenfalls ein kurzer, das Todesurteil steht von vornherein fest.

Drohnen sind in den letzten Jahren zu einer bevorzugten Waffe der Militärs geworden. Ende Mai hatte die New York Times gemeldet, daß allein in Pakistan seit 2004 über 300 Angriffe mit unbemannten Flugobjekten geflogen wurden. Das gemeinnützige Londoner »Bureau of Investigative Journalism« geht von bisher bis zu 3250 Drohnenopfern aus – darunter 175 Kinder. Das Long War Journal schätzt, allein in Obamas Amtszeit sind in Pakistan und im Jemen 2000 Menschen durch Drohnen getötet wurden.

Was CIA und U.S. Air Force haben, will jetzt auch die Bundeswehr. Die deutsche Luftwaffe drängt auf eine Entscheidung über die Anschaffung bewaffneter Drohnen. Geht es nach den Militärs, soll der Bundestag noch in diesem Herbst eine entsprechende Entscheidung treffen. Dies sei nötig, damit im Oktober 2014 ein Ersatz für die bisherige Leasinglösung mit Israel bereitstehe. Im Armeesprech von Luftwaffeninspekteur Karl Müller heißt das: »Ich erwarte, daß wir im Oktober 2014 bruchfrei eine vergleichbare Fähigkeit haben.«

Im Afghanistan-Krieg setzt die Bundeswehr derzeit unbewaffnete Aufklärungsdrohnen ein. Im Oktober 2014 läuft ein Leasingvertrag für die israelische Drohne »Heron 1« aus. Für die Bundeswehr die Gelegenheit, danach Drohnen anzuschaffen, die mit Luft-Boden-Raketen oder Präzisionsbomben bewaffnet werden können. Favorisiert werden offensichtlich die »marktverfügbaren« Drohnen vom Typ »Predator B« – besser bekannt unter ihrem ehrlichen Namen »Reaper«, »Sensenmann«.

In den USA werden die Todeslisten vom Präsidenten persönlich genehmigt. Die Agentur dapd merkt zur bundesdeutschen Debatte an: »Natürlich ist es schwer vorstellbar, daß so etwas in Deutschland geschieht, falls die Bundeswehr bewaffnete Drohnen erhält. Weder würden Kanzlerin Angela Merkel wohl Todeslisten vorgelegt, noch würden deutsche Soldaten in irgendeinem Befehlsbunker – vielleicht in der Eifel – Drohnen steuern und mit Raketen auf Terrorverdächtige feuern.« Warum ist das eigentlich so schwer vorstellbar? Bis vor wenigen Tagen war auch schwer vorstellbar, daß für die Bundesregierung jeder Muslim in der BRD ein potentieller Schläfer ist, nach dem per Plakatanschlag gefahndet wird.

* Aus: junge Welt, Freitag, 31. August 2012


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