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Bei Knopfdruck Mord

Medea Benjamin berichtet über die unheimlichen Drohnenkriege und wachsenden Widerstand

Von Dago Langhans *

Angesichts der Diskussionen über Anschaffung und Einsatz von Drohnentechnologie für die Bundeswehr kommt die Publikation von Medea Benjamin zur rechten Zeit. Sie gibt einen profunden Überblick über die historische Entwicklung, den Militärisch-Industriellen-Komplex und dessen Lobby und informiert über die völkerrechtliche und moralische Debatte hinsichtlich außergerichtlichen Exekutionen durch Drohnen sowie vor allem über den wachsenden internationalen Protest.

Der vom Friedenskandidaten zum Kriegspräsidenten mutierte Barak Obama entschied sich für eine Taktik, »mit deren Hilfe er den Krieg aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit fernhalten konnte«: den Drohnenkrieg. Ein Flugzeug, das per Fernsteuerung tötet – das auch unter komplizierteren Namen bekannt ist wie unbemanntes Luftfahrzeug (unmanned aerial vehicle, UAV), unbemanntes Flugsystem (unmanned aircraft System, UAS) und ferngesteuerter Flugkörper (remotely piloted aircraft, RPA) –, wurde die Waffe seiner Wahl. Entstanden waren diese Geräte bei diversen Armeen während der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts als Trainingsziele für die Flugabwehr. Im Zweiten Weltkrieg und im Korea-Krieg wurden sie von den USA als Lenkwaffen eingesetzt und während des Vietnamkrieges wurden unbemannte Flugkörper zu Spionagezwecken verwendet.

Für den industriellen Durchbruch des Prototyps der Predator-Drohne ist ein israelischer Flugzeugingenieur verantwortlich. Gefördert mit Darlehen der Defence Advanced Research Projects Agency (DARPA), die im Auftrag des US-Militärs und der US-Geheimdienste militärtechnologisch nutzbare Neuentwicklungen betreibt, gelang es Abraham Karem in einem Kleinbetrieb in Südkalifornien 1981, ein unbemanntes Flugzeug, das bis zu 56 Stunden in der Luft bleiben konnte, zu präsentieren. Im Sinne der DARPA beschloss Karem, seine Firma an Hughes Aircraft zu verkaufen, die sie an General Atomics weiterverkaufte, bei der Karem als technischer Berater eingestellt wurde.

1993 veranlasste der damalige CIA-Chef James Woolsey die Bestellung der weiterentwickelten Drohne bei General Atomics. Ab 1994 flog die unbemannte GNAT 750 als Aufklärungssystem über dem früheren jugoslawischen Territorium, gelenkt und gesteuert von einer Crew von einem verlassenen Flugplatz im benachbarten Albanien. Später wurde das Fluggerät mit einem eigenen Kommunikationssystem ausgerüstet, um einen zuverlässigeren Datenaustausch zu ermöglichen. Die nunmehr mit der charakteristischen Frontwulst veränderte Drohne erhielt die Bezeichnung Predator (Raubtier) und wurde ihrem Namen 1999 gerecht, als sie während des NATO-Krieges mit Lenkraketen zu einem Mordgerät umgerüstet wurde.

Als aktuellen Hauptprofiteur des Drohnen-Booms hat Benjamin die Rüstungsschmiede General Atomics ausgemacht – mit einem Gewinn von 661 Millionen US-Dollar 2012. Der wichtigste US-Produzent für Kleindrohnen ist die Firma AeroVironment. Die immensen Wachstumsraten locken natürlich auch die Branchenriesen des Rüstungsgeschäftes. Raytheon liefert neben Software die 250 Kilo-Bombe Paveway und die 50 Kilo-Rakete Monsoon, Lockheed Martin produziert die Hellfire-Raketen. Boeing ist dabei einen neuen Prototyp einer Drohne in Größe eines Kampfjets zu entwickeln, und Northrop Grumman ist bekannt für den Global Hawk, dessen Weiterentwicklung gemeinsam mit EADS zum EuroHawk im letzten Jahr gescheitert ist. Maßgebliche Lobbyarbeit für diesen Teil der Rüstungsindustrie entfaltet die Internationale Vereinigung für unbemannte Fahrzeugsysteme (Association for Unmanned Vehicle Systems International, AUVSI).

Sowohl die Hersteller als auch die Lobbyisten geraten immer stärker in das Blickfeld von US-Friedensaktivisten, zu denen auch Medea Benjamin zählt, die 2002 gemeinsam mit ihrer Kollegin Jodie Evans die von Frauen geführte Friedensorganisation CODEPINK gegründet hat.

Die US-amerikanische Schriftstellerin Barbara Ehrenreich hebt in ihrem Vorwort hervor: »Am Ende des Buches ist man motiviert – und weiß genau, was man zu tun hat, wenn man sich am Widerstand gegen den Drohnenkrieg beteiligen will.«

Medea Benjamin: Drohnenkrieg – Tod aus heiterem Himmel. Morden per Fernbedienung. LAIKA-Verlag. 200 S., br., 19 €.

* Aus: neues deutschland, Freitag, 6. Dezember 2013


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