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Bald Freiheit für Marihuanakonsumenten?

In den karibischen Staaten nimmt die Debatte um Legalisierung bestimmter Drogen Fahrt auf

Von Hans-Ulrich Dillmann, Santo Domingo *

Uruguay hat die Legalisierung von Marihuana schon im Parlament gebilligt. In der Karibik sind einige Länder entschlossen, diesem Beispiel zu folgen – allen voran Puerto Rico.

Beim diesjährigen Karneval in der puertoricanischen Hafenstadt Ponce ließen ein paar mit Pailletten und Strass behangene Teilnehmer des Kostümumzuges schon mal den Blick in die Ferne schweifen. Einen überdimensionalen Joint mit der Aufschrift »Lass es wachsen« präsentierten sie den Schaulustigen bei der Festparade. Zukunftsträume noch für die Kiffer auf der viertgrößten Karibikinsel, die mit den USA frei assoziiert ist. Aber der Traum könnte schon bald Wirklichkeit werden. Denn mehrere Mitglieder des Parlaments wollen jetzt das gesetzliche Verbot des Marihuanakonsums aufheben – wenn auch vorerst nur »zu medizinischen Zwecken«. Eine entsprechende Studie hat der Senat der einstigen spanischen Kolonie beschlossen.

Puerto Rico macht den Vorreiter, aber die Mehrzahl der 15 Mitgliedsstaaten der Karibischen Gemeinschaft (Caricom), bei der Puerto Rico nur einen Beobachterstatus hat, steht einer möglichen Legalisierung der berauschenden Pflanze mit ihren Heilwirkungen inzwischen auch aufgeschlossen gegenüber. »Ich glaube, es ist an der Zeit, dass Caricom auf regionaler Ebene sich dieses Themas sensibel, konzentriert und ohne Hysterie annimmt«, plädierte der Premierminister von St. Vincent und den Grenadinen, Ralph Gonsalves, für eine Debatte über einen liberaleren Umgang mit dem derzeit illegalen Hanfkonsum innerhalb der Caricom.

Der Staat, zu den Inseln Unter dem Winde gehörig, zählt zum Commonwealth. In seinem Schreiben betont Gonsalves die Notwendigkeit der Entkriminalisierung, denn »der Missbrauch und die damit verbundene Bestrafung des Anbaus, Besitzes und Verkaufs hat Auswirkungen auf die Gesundheit, den Reichtum und die Sicherheit unserer Bevölkerung.« Wie aus Kreisen der Caricom-Verwaltung bekannt wurde, hat der derzeitige Caricom-Vorsitzende, der Premierminister von Trinidad und Tobago, Kamla Persad-Bissessar, den Vorschlag seines Kollegen von den Nachbarinseln aufgegriffen und das Thema auf die Sitzung der Karibikstaaten im Februar 2014 auf die Tagesordnung gesetzt.

Die Initiative ist nicht selbstlos, denn ein Viertel aller Häftlinge auf St. Vincent und den Grenadinen ist wegen des Konsums oder des Handels mit Marihuana verurteilt worden. Würde die Gesetzgebung liberalisiert, leerten sich nicht allein die Gefängnisse von St. Vincent, sondern auch in Dominica, Saint Kitts und Nevis sowie St. Lucia. In St. Lucia ist ein Drittel der straffällig gewordenen Frauen wegen Drogenbesitzes verurteilt worden. Während in St. Kitts und Nevis der Anteil der Drogenkriminalität an der Gesamtstatistik bei vier Prozent liegt, liegt St. Vincent mit elf Prozent in der Karibik.

Auch in Jamaika, für dessen Rasta-Community das Kiffen eine spirituell-religiöse Frage ist und wo der Marihuanakonsum zwar seit 1903 unter Strafe steht, aber von der Polizei nicht nur bei den Rastafaris stillschweigend geduldet wird, regen sich liberale Stimmen.

Der angesehene jamaikanische Mediziner Henry Lowe, einer der Pioniere auf dem Gebiet der medizinischen Anwendung von Hanf, hat in der Tageszeitung »Jamaica Gleaner« Mitte September von der sozialdemokratischen Regierung gefordert, eine Studie über die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Vorzüge des Anbaus und der Verarbeitung des im Land Ganja genannten Heilkrautes zu geben. Unternehmer träumen davon, kosmetische und pharmazeutische Hanfprodukte »Made in Jamaica« vertreiben zu können – auch die chronisch leere Staatskasse könnte so eine kräftige Einnahmenspritze erhalten, wird argumentiert. Und der Gesundheitstourismus sei eine lukrative Marktlücke.

Im Tourismus haben Rastas bereits die Marktlücke erkannt. Sie bieten Touristen Ausflüge zu den Ganja-Feldern in den jamaikanischen Bergregionen an. Besucher müssen allerdings zuvor mit dem Reiseführer einen Joint rauchen – möglicherweise um sicherzustellen, dass sich nicht Polizisten unter die »Hanfurlauber« mischen.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 15. Oktober 2013


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