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Fliehkräfte

Imperialismus, aber mit gutem Gewissen: Zum Kinostart von "Blood Diamond"

Im Abspann des Abenteuerfilms »Blood Diamond« steht ein moralischer Appell: »Please resist conflict diamonds« – bitte widerstehen Sie der zarten Versuchung, wohlfeile Diamanten aus Konfliktgebieten zu kaufen. Die Diamantenindustrie versichert heute, daß 99 Prozent der Diamanten auf dem Weltmarkt »conflict free« seien. Noch immer stammen 65 Prozent aller gehandelten Diamanten aus afrikanischen Ländern. Angeblich klebt aber kein Blut mehr an ihnen. Der Imperialismus ist dem eigenen Ideal nach gewissermaßen politisch korrekt geworden? Ist das die Botschaft?

Die Botschaft ist wohl eher, daß die letzte politische Figur der westlichen Welt vom aufgerüttelten, kritischen Konsumenten abgegeben wird. Gilt wohl auch für den Kinogänger, der sein Abenteuerspektakel vorzugsweise mit politisch gutem Gewissen hinnimmt.

Nichtdestotrotz hat es um den Film auch direkte politische Kontroversen gegeben. So protestierte der weltweit größte Diamantenkonzern De Beers aus Südafrika energisch gegen die Darstellung des Diamtenhandels in dem Film und erklärte, daß es keinerlei Ähnlichkeiten mit dem fiktiven Unternehmen gebe, das im Film Van der Kaap genannt wird.

Hintergrund des Films ist der Bürgerkrieg in Sierra Leone, der vor allem mittels Diamantenschmuggel finanziert wurde. Leonardo DiCaprio jagt als aus Simbabwe (er sagt natürlich immer noch Rhodesien) stammender Söldner einem riesigen Rohdiamanten hinterher, den ein armer Fischer (Djimon Hounsou), von der revoltierenden Miliz zum Diamantenschürfen gezwungen, zufällig gefunden hat. Für die Jagd besorgt er sich Presseausweise von einer US-amerikanischen Journalistin (Jennifer Connelly).

Früher, zu Zeiten von Filmen wie »König Salomons Diamanten« nach dem klassisch imperialistischen Abenteurroman von Rider Haggard, war der weiße Abenteuerer in Afrika noch unabhängig, die Frau an seiner Seite noch lediglich Behinderung und Belohnung zugleich. Afrika war auf Folklore der netten und/oder gefährlichen »Eingeborenen« und seine Landschaft reduziert. Nun verkörpert die Frau, Journalistin, das (weiche) politische Gewissen (sie ist weniger politisch engagiert als ein psychologischer Kriegsgefahrjunkie). Und die afrikanische Folklore im Mainstreamkino besteht aus Prostitution und Grausamkeiten des Bürgerkriegs: Kindersoldaten, abgehackte Hände, zerstörte Dörfer.

Statt Lagerfeuern und Speeren gibt's jetzt brennende Autos, Maschinengewehre und Bierflaschen. Der Bürgerkrieg als zeitgenössische Variante der alten Kannibalenkarikaturen. Natürlich ist das Bürgerkriegsszenario nichts als ein Vorwand für die Beziehung zwischen weißem Mann und weißer Frau in Afrika. Wie man es so oft schon gesehen und für widerlich befunden hat. Allerdings mit dem neueren melodramatischen Dreh, daß die Liebesgeschichte unvollständig, symbolisch angedeutet bleiben muß, weil der Söldner sich diesmal für die armen Schwarzen aufopfert, natürlich nicht ohne im letzten Augenblick noch eine Nachricht per Handy zur Geliebten zu senden. Harter Kitsch vor dem Hintergrund des Bürgerkriegs- und Söldnerterrors.

Die politischen Zusammenhänge kann man aus dem Film natürlich nur sehr indirekt herauslesen. In der Schlußszene wird Djimon Hounsou geladen, vor einer UN-Versammlung über seine Erfahrungen zu sprechen. Er wird mit großem Applaus begrüßt; in dem Moment aber, da er dann wirklich hätte beginnen können zu sprechen, bricht der Film ab. Ihm genügt das Bild vom Afrikaner, der als möglicher Sprecher seiner Sache vage anerkannt ist. Was dieser zu sagen hätte, ist im Moment dieser großzügigen Anerkennung bereits unwichtig geworden. Diese scheinheilige Abstraktionsbewegung – die reine Ausflucht – ist wohl die Wirklichkeit des sogenannten Empowerment. Es ist nichts weiter als der gute alte Paternalismus.

Eine andere politische Querverbindung ist weniger naheliegend und wesentlich lustiger. Der Vertreter des großen Diamantenkonzerns, der in London lässig aus dem Rolls steigt, um dem armen Fischer den Riesenblutdiamanten mit einem millionenschweren Koffer voller Pfundnoten abzukaufen, wird von Martin Sheen gespielt, der Typ also, der in »The Queen« Anthony Blair verkörpert. Anthony Blair kauft Blutdiamanten mit Schwarzgeld. Köstlicher Imperialismus.

Tina Heldt

"Blood Diamond – Dieser Stein nimmt dir alles", USA 2006, Regie: Edward Zwick, 143 min, Kinostart am 25. Januar 2007

* Aus: junge Welt, 25. Januar 2007


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