Und jetzt auch noch Plutonium! Der Skandal um die NATO-Munition nimmt kein Ende
Aktuelles und Wissenswertes zum giftigsten Stoff der Welt
Am 16. Januar 2001 platzte eine neue Bombe in die Diskussion um die Uran-Munition: Schweizer Wissenschaftler haben in der NATO-Munition im Kosovo auch Spuren von Plutonium gefunden. Nun war aber auch dies von den USA bereits im Dezember 2000 offiziell bekannt gegeben worden. Dennoch war die Aufregung auch hier zu Lande so groß, dass selbst Scharping verärgert reagierte und den Geschäftsträger der US-Botschaft in Berlin, Terry Snell, einbestellt und "umfassende Informationen seitens der USA über Munition aus abgereichertem Uran verlangt". Die sei ihm auch "uneingeschränkt" zugesagt worden.
Ebenfalls am 16. Januar wurde vorab über eine Monitor-Sendung informiert, die die ARD am 18. Januar ausstrahlen wollte. In der Mitteilung hieß es:
Die auf dem Balkan durch NATO-Kampfflugzeuge
verschossene Uranmunition enthält krebserregendes Plutonium.
Dies berichtet das ARD-Magazin MONITOR am kommenden
Donnerstag, 18. Januar, um 21.45 Uhr im Ersten.
MONITOR liegt eine Untersuchung des amerikanischen
Verteidigungsministeriums vom Dezember 2000 vor, in der
festgestellt wird, dass "das abgereicherte Uran, das dem
US-Verteidigungsministerium vom US-Energieministerium zur
Munitionsherstellung übergeben wurde, Spuren von Plutonium
enthalten kann."
Der Grund: Das jetzt auf dem Balkan verschossene Uran ist ein
Abfallprodukt aus Anlagen der US-Militärs zur
Atomwaffenproduktion. Laut US-Energieministerium, das diese
Atomanlagen betreibt, wird das für die Munition verwendete
Uran
dabei zwangsläufig ("routinely") mit Plutonium verunreinigt.
In
einem Schreiben, das MONITOR vorliegt, hatte das US-
Energieministerium bereits im Januar 2000 darauf hingewiesen,
"dass das abgereicherte Uran Spuren von Plutonium enthält."
Plutonium ist eine hochgiftige Substanz, die bereits in
geringsten
Mengen stark krebserregend ist. Professor Wolfgang Köhnlein,
stellvertretender Vorsitzende der Strahlenschutzkommission
der
Bundesregierung, hält es für möglich, dass die vermehrt
aufgetretenen Leukämie-Fälle unter NATO-Soldaten sowie die
Erhöhung der Krebsrate unter der Zivilbevölkerung in manchen
Regionen Bosniens auf das Plutonium in der US-Munition
zurückzuführen sind: "Schon kleinste Mengen von Plutonium
können erhebliche gesundheitliche Schäden hervorrufen."
Mehrere Studien der US-Armee, die MONITOR vorliegen,
bestätigen, dass die im Bosnien- und im Kosovo-Krieg
verschossene Uran-Munition Krebs hervorrufen kann. In
Tierversuchen haben Militärwissenschaftler am Armed Forces
Radiobiology Research Institute (AFRRI) in Bethesda,
Maryland bereits 1998 nachgewiesen, dass verschossene
Uranmunition die Ursache für Krebs sein kann. Am gleichen
Forschungsinstitut hat man in der Zwischenzeit auch
nachgewiesen, dass abgereichertes Uran auch menschliche
Zellen
zu Krebszellen mutiert.
Plutonium (Pu)
Plutonium ist ein künstliches radioaktives Element, dessen Isotop Plutonium-239 in Kernreaktoren aus dem nicht spaltbaren Isotop Uran-238 erzeugt wird.
Plutonium-239 ist in metallischer Form relativ ungefährlich, weil die Alphastrahlung nur aus den oberflächlichen
Kernen an die Umgebung abgegeben werden kann, es sich selbst gegen die Strahlung abschirmt.
Sehr gefährlich sind allerdings Plutoniumverbindungen oder Plutoniumstäube, weil sie - inkorporiert - zum
einen als Gifte wirken können, zum anderen die Alphastrahlung direkt in das lebende Gewebe emittiert wird und dort ihre volle Wirkung "entfalten" kann.
Plutonium eignet sich zum Bau von Atombomben und als
Kernbrennstoff. In der Natur kommt es nur in sehr geringen
Mengen vor. Plutonium entsteht als gefährliches
Nebenprodukt der Atomkraftwerke, wenn Uranatome zur
Energieerzeugung im Reaktor gespalten werden. Bedingt
durch seine Alpha-Strahlung ist es außerordentlich giftig - vor
allem, wenn es als Staub eingeatmet wird. In der Lunge kann
Plutonium Krebs hervorrufen.
Dringt es in Wunden ein, verbindet es sich mit Eiweißen des
Blutplasmas und lagert sich in Leber und Knochenmark ab.
In letzterem kann Plutonium Leukämie auslösen. Schon die
Einwirkung weniger millionstel Gramm führt zu tödlichen
Strahlenschäden.
Das 1941 entdeckte Schwermetall hat eine Halbwertzeit von
24000 Jahren, das heißt, nach dieser Zeit ist erst die Hälfte
der Radioaktivität abgeklungen.
Zwei Büchertipps:
1995 erschien die zweite Auflage einer Broschüre, die Till Bastian im Auftrag der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung (IPPNW) verfasst hat.
Wir zitieren aus der Vorbemerkung des Buches:
Während der
Arbeit am Text wurden plötzlich mehrere spektakuläre Fälle
von wirklichem oder vermeintlichem Plutonium- Schmuggel
bekannt - und das Thema, zuvor eher eine Angelegenheit für
Spezialisten, stand im wahrsten Wortsinne über Nacht im
Brennpunkt öffentlichen Interesses. Dieses Interesse ist,
bedenkt man die Gemeingefährlichkeit, von der hier die Rede
sein muß, allerdings auch durchaus angebracht. Doch das
Jahr 1994 eignete sich auch in eher hintergründiger Manier als
Dreh- und Angelpunkt einer Betrachtung zum Thema
menschlicher Größenphantasien und blindwütiger
Fortschrittsgläubigkeit.
Denn auch wenn wir die Geschichte wissenschaftlicher
Vorhersagen - oder sollten wir lieber gleich sagen:
anmaßender Selbstüberhebung - rückblickend studieren
wollen, dann ist 1994 ein durchaus wichtiges Jahr gewesen.
Nehmen wir zum Beispiel eine Umfrage zur Hand, die die
Zeitschrift "Naturwissenschaftliche Rundschau" 1967 unter
nach ihren Zukunftsprognosen befragten wissenschaftlichen
Experten veranstaltete.' Nach dieser Expertise sollte just 1994
das Jahr sein, in dem ein umfassender Impfschutz gegen alle
Krankheiten und Seuchen erstmals möglich werde ...
Daß die Realität anders aussieht, wissen wir heute, wir
kennen die Realität des Jahres 1994, die mit solchen
Prognosen nicht das geringste gemein hat!
Andere Prognosen der Umfrage: 1982 werde eine permanente
Mondbasis mit zehn Astronauten besetzt sein; 1985 werde
jedes Kind dieser Erde eine Schule besuchen; 1990 werde der
Mensch das Weltklima nach Gutdünken gestalten können ...
In ähnlicher Weise gibt die Geschichte des Ultragiftes
Plutonium allen denkbaren Anlaß, an jenen Experten zu
zweifeln, die uns auch heute noch machbare Wunder
versprechen, alle Risiken unter Kontrolle wissen wollen und
ansonsten stets verkünden, daß Angst ein schlechter Ratgeber
sei. Vor solchen Experten kann man gar nicht genug Angst
haben.
Till Bastian: PLUTONIUM oder Wer Pandoras Büchse öffnet
Im Auftrag der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung. Zweite, erweiterte und aktualisierte Auflage - Berlin 1995
(Die Broschüre ist zu Beziehen über:
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialerVerantwortung (IPPNW) e.V.
Körtestraße 110, 10967 Berlin
Das zweite Buch trägt den Titel "Plutonium - der giftigste Stoff der Welt".
Es handelt sich um eine Dissertation von Benno Splieth. Nach seinem Medizinstudium
befasste er sich in seiner Doktorarbeit mit dem menschlichen Stoffwechsel in Verbindung mit der schwierigen Dosisberechnung von Plutonium im menschlichen Körper. Angeregt dazu wurde er von einem Fabrikarbeiter in einer Belgischen
Atomforschungsanstalt in Mol (EURATOM). Dieser hatte 1980 einen Unfall, in dem er mit
radioaktivem Plutonium in Kontakt kam. Acht Jahre später starb er an Blutkrebs.
Benno Splieth fand heraus, dass sich die Niedrigdosisbestimmung schwieriger darstellte, als er es
am Anfang vermutete. Im Gegensatz zur damaligen Lehrmeinung steht heute zumindest
inoffiziell fest, daß auch niedrigste Dosen tödlich sein können:
"...Plutonium ist eine der
giftigsten dem Menschen bekannten Substanzen überhaupt. Man muß es, um zu Tode zu
kommen, nicht grammweise zu sich zu nehmen (wie Rattengift) - es auch nicht in
Milligramm dosieren (wie manche Medikamente), sondern Akuteffekte mit Entzündungen
(Pneumonitis) und Strahlenfibrose der Lunge treten schon im Mikrogrammbereich auf,
wenn also nur etliche Millionstel Gramm eingeatmet werden. Langzeiteffekte, wie Jahre
oder Jahrzehnte später auftretender Lungenkrebs, können jedoch schon bei
Nanogramm-Mengen (0,000 000 001 g) auftreten. (...)"
Untersuchungen ergaben, dass
3240 Milliardstel Gramm von in die Lungenbläschen eingeatmeten Plutonium 239
ausreichten, um bei nahezu 100 Prozent der damit belasteten Hunde zum vorzeitigen
Krebstod zu führen. Doch nicht diese Tatsachen allein veranlassten Benno Splieth zum
Schreiben dieses Buches. Vielmehr ließ ihn die Bestürzung über das lebhafte Desinteresse der
verantwortlichen Regierungen und Gesellschaften aktiv werden. Wenn schon
diese Instanzen nicht aufklären, so müssen es eben andere tun.
Die Themen des Buches:
Menschenversuche, Grenzwertkonzepte, medizinische Auswirkungen von
Niedrigstdosen, Aufdeckung von allgemeinen Wissenslücken, Ursachen der
Expertenstreite, Fragwürdigkeit der deutschen Strahlenschutzkommission,
Beschwichtigungspolitik, Beispiele von Fahrlässigkeiten im Umgang mit Plutonium, Menschen- und Tierversuche mit Plutonium, Radioaktivität in der Umwelt u.v.a.m.
Benno Splieth: Plutonium - der giftigste Stoff der Welt, rororo-Verlag.
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