Uran-Munition: Gesundheitsrisiken können nicht ausgeschlossen werden
Soldaten fordern Aufklärung - Eine Stellungnahme des Bundeswehrverbands
Sieh an, der Bundeswehrverband! So kritisch kennt man ihn sonst nicht. In der Frage der Uran-Geschosse kennt er keinen Spaß, geht es doch hier um die Gesundheit der Soldaten, die er vertritt. Da das Verteidigungsministerium sonst sehr viel von dem der Bundeswehr loyal ergebenen Verband hält, dürfte ihm die Kritik von dieser Seite äußerst unangenehm sein. Für uns heißt das aber: Sie muss besonders Ernst genommen werden, weil der Bundeswehrverband sich nicht aus purer Oppositionssucht so ins Zeug legt. Natürlich muss aber auch hier darauf hingewiesen werden, dass der Bundeswehrverband erst hellhörig wird, wenn Gesundheit und Leben der eigenen Soldaten gefährdet sind. Die Gefährdungen der vom Krieg betroffenen Bevölkerung sind ihm genauso egal wie die Frage nach der Rechtfertigung für den Krieg überhaupt.
Die folgende Stellungnahme des Bundeswehrverbands wurde uns am 30. Januar 2001 per e-mail zugesendet. (Danke, Georg!)
In den vergangenen Wochen sind zahlreiche zum
Teil
widersprüchliche Berichte zum Thema Uran-Munition in den
Medien
veröffentlicht worden. Deswegen sieht sich der Deutsche
BundeswehrVerband veranlasst, die Entwicklung und derzeitige
Situation
aus seiner Sicht klarzustellen.
Aufgrund der aktuellen Berichterstattung ist den Soldaten
bewusst
geworden, dass von der in Jugoslawien verschossenen Depleted
Uranium
(DU)-Munition Gesundheitsgefahren ausgehen können. Die
Amerikaner
selbst verharmlosen jetzt die Auswirkungen der verschossenen
Munition
auf die Gesundheit nicht mehr. Die amerikanischen Soldaten
werden
nachhaltig und detailliert auf die Gefahren, die von der
verschossenen
Uran-Munition ausgehen, hingewiesen. Über 40.000 DU-Geschosse
wurden im ehemaligen Jugoslawien seit 1994 zum Einsatz
gebracht. Seit
kurzem kann aufgrund von UNO-Berichten und Erklärungen der
Amerikaner davon ausgegangen werden, dass die verwendeten
Geschosse
nicht aus abgereichertem Natururan, sondern aus
Abfallprodukten von
wieder aufbereitetem Kernmaterial bestehen und somit durch
Plutonium
verunreinigt sind. Die Strahlung, die von der Munition selbst
ausgeht, gilt
als unbedenklich. Da aber die Geschosse beim Aufprall auf ein
Ziel in
der Regel verdampfen und in Feinstaub in die nähere und
fernere
Umgebung gelangen können, kann Uran in den Körper gelangen.
Bei Uran handelt es sich um ein sehr giftiges Schwermetall,
das in
Feinstaub-, Staub- bzw. Dampfform eingeatmet, zu einer Reihe
von
schwerwiegenden Erkrankungen führen kann. Es wurde
festgestellt, dass
durch Nahrung, Trinkwasser oder durch die Atemluft
aufgenommenes
Uran zu Nierenschäden, Nervenschäden oder auch zu
Geburtsschäden bei
den Nachkommen führen kann. Es ist bekannt, dass eine Reihe
von
Substanzen Leukämie auslösen können, so z.B. Benzol und
platinhaltige
Mittel. Wenn die Geschosse aus wieder aufbereitetem
Kernmaterial
bestehen, ist nicht auszuschließen, dass sich auch Plutonium
239 - wenn
auch in geringen Mengen - in den Geschossen befand bzw.
befindet.
Plutonium 239 in den Körper aufgenommen bedeutet, dass noch
ein
tausendstel Gramm (mg) die riesige Strahlenbelastung von rund
50
Sievert (Sv) zur Folge hätte und ein Millionstel Gramm immer
noch 50
tausendstel Sievert (mSv). Nach der entsprechenden EU-Norm
und der
neuen Strahlenschutzverordnung liegt die Höchstgrenze für
strahlenexponierte Personen bei 20 mSv pro Jahr. Damit wäre
die
Strahlenbelastung durch ein Millionstel Gramm PU 239 immerhin
noch
2,5 mal so hoch wie die Obergrenze für Personen, die aus
beruflichen
Gründen Umgang mit Strahlen haben. Eingeatmetes Plutonium
lagert sich
in der Lunge, den Knochen und der Leber ein. Die Einnahme
über den
Magen ist etwa 10tausend mal weniger gefährlich als über die
Lunge. Bei
der Verunreinigung mit Plutonium in den Geschossen ist eine
gesundheitliche Gefährdung somit viel wahrscheinlicher als
nur durch
Uran.
In einem Schreiben des BMVg vom 22. April 1997 wird die
Strahlenexposition bei Bw-Soldaten an oder in unmittelbarer
Nähe von
Orten/Zielen, die einem Beschuss durch DU-Munition ausgesetzt
waren,
bezüglich der äußeren Bestrahlung durch Strahlung von auf dem
Boden
abgelagerten DU sowie äußere Strahlenexposition durch Beta-
und
Gammastrahlung radioaktiver Partikel in der Luft , Inhalation
von
Staubpartikeln, Hand-/Mundaufnahme sowie die Aufnahme über
Nahrung,
die von entsprechenden Orten stammt, als vernachlässigbar
gering
bezeichnet. Das geringe Risiko sei durch Verbot des Essens,
Trinkens
und Rauchens bzw. durch Tragen der ABC-Schutzmaske
unmittelbar an
Verdachtsorten vermeidbar.
Zu Verdachtsorten war jedoch der Truppe z.B. im Kosovo bis
Anfang
Oktober 1999 nichts bekannt.
Nicht unterschätzt wurde allerdings die Gefährdung in Folge
der Toxizität
von DU, allerdings - wie bei der Strahlenexposition - durch
Einhaltung
elementarer Grundsätze (an Verdachtsorten nicht Essen,
Trinken,
Rauchen), sowie durch Tragen der ABC-Schutzmaske bei
Staubaufwirbelung als vermeidbar bezeichnet. Eine potentielle
Gefährdung, so dass Schreiben, könne durch das Vorhandensein
schwarzen Staubs vermutet werden. Davon kam bei der Truppe
nichts an,
obwohl sich schon seit 1995 Bundeswehrsoldaten in
kontaminierten
Gegenden aufhalten mussten. Aus dieser Zeit stammt auch die
erste
bekannte Leukämieerkrankung eines vom DBwV betreuten
deutschen
Unteroffiziers, der als Ursache Auswirkungen der DU-Munition
nicht
ausschließt.
Bereits 1998 stellten die Amerikaner alles wissenswerte zur
DU-
Munition ins Internet
(www.grafenwoehr.military.army.savety.de). Die
Gefährlichkeit der DU-Munition wurde dabei keineswegs
verschwiegen
oder herunter gespielt. Das BMVg wertete erst von den
Amerikanern
überreichte Unterlagen aus, die es 1999 erhielt. In einem
Schreiben des
BMVg vom 21. Juli 1999 wurde daraufhin festgestellt, dass die
größte
Gefahr für Soldaten der Bundeswehr im Kosovo nicht von der
DU-
Munition, sondern von Blindgängern und Minen ausgehe. So sei
eine
gesundheitliche Beeinträchtigung durch die DU-Munition sowohl
wegen
der radiologischen (Strahlenbelastung) als auch der toxischen
(giftigen)
Eigenschaften des Urans als Schwermetall eher
unwahrscheinlich. Dies
gelte auch für Uran als angebliche Ursache für das oft
zitierte "Golf-
Kriegs-Syndrom". Es sei nicht automatisch mit einer
Gesundheitsbeeinträchtigung zu rechnen, wenn eine oder
mehrere
vorgesehenen Schutzmaßnahmen nicht durchgeführt wurden. In
dem
Schreiben heißt es allerdings, dass die Aufnahme von
DU-Partikeln in
den Körper wegen der radiologischen und toxischen Wirkung
durch
Tragen einer Staubmaske und Händewaschen vor dem Essen zu
vermeiden
ist. Empfohlen wurde, sich nicht an zerstörte Fahrzeuge zu
lehnen und
kein Material mitzunehmen. Auch wird erwähnt, dass die
Inhalation,
solange kein Staub aufgewirbelt wird, unkritisch sei. Bei
DU-Verdacht
sei Essen und Trinken einzustellen, bei schwarzem Staub
Gummiüberschuhe anzuziehen, bei Staubaufwirbelungen seien
ABC-
Schutzmaske, Staubmaske, notfalls feuchtes Taschentuch zu
tragen.
Objekte sollten nicht betreten oder bestiegen, Material nur
mit
Handschuhen berührt werden. Bei Besteigen des eigenen
Fahrzeugs sei
Erdstaub von Kleidung und Schutzwerk abzuklopfen, Schuhwerk
abzuwaschen u.ä. Derartige Informationen haben zahlreiche
Soldaten im
Einsatzgebiet bis heute nicht erhalten oder nicht
registriert.
Entsprechend sorglos war das allein auf Kampfgefährdung
(Beschuss,
Minen) ausgerichtete Verhalten. So ist es nicht
verwunderlich, dass erste
Soldaten bereits über Vergiftungserscheinungen klagen, die
trotz
intensivster Untersuchungen die Ursache und die
Behandlungsmöglichkeit nicht erkennen lassen. (..)
Die Gesellschaft für Strahlenschutz e.V. warnt vor dem
Forschungsbericht "Überprüfung von Schutzmaßnahmen beim
Deutschen
Heereskontingent KFOR" vom Januar 2001, den das BMVg in
Auftrag
gegeben hatte. Es ging dabei um Untersuchungen zur
Uranausscheidung
im Urin. Die Abwiegelung des Verteidigungsministers zur
Uranmunititon
unter Hinweis auf den Bericht habe keine wissenschaftliche
Grundlage,
rügt die Gesellschaft für Strahlenschutz. (..)
Aus der Pressemitteilung des BMVg vom 04.01.2001 "Keine
Kranken
durch Uranmunition" geht hervor, dass Verteidigungsausschuss
und
Bundestag sowohl 1999 als auch 2000 mehrfach informiert
wurden. Von
Informationen an die Truppe ist dabei aus gutem Grund nicht
die Rede.
Von der bis heute durchgehaltenen verharmlosenden
Öffentlichkeitsarbeit des BMVg fühlen sich die Soldaten
brüskiert, die
den Gesundheitsrisiken im Einsatz ausgesetzt waren, ohne es
zu wissen.
Es zeichnet sich ab, dass hier, wie schon vor 20 Jahren bei
den
radarstrahlgeschädigten Soldaten, eine vor allem juristische
Blockadepolitik betrieben wird. Damit wird wohl bezweckt,
Kosten, die
durch Anerkennung der Gesundheitsbeeinträchtigung als
Wehrdienstbeschädigung, d.h. durch Rentenzahlung und
medizinische
Betreuung entstehen, zu vermeiden. Was schlimmer ist, ist die
Vertuschung bei der Gefahrenanalyse und die unterbliebene
Umsetzung
von Sicherheitsinformationen für die Truppe. (..)
Immerhin können sich jetzt alle Soldaten und Reservisten, die
aufgrund
ihres Einsatzes auf dem Territorium der ehemaligen
Volksrepublik
Jugoslawien eine Exposition gegenüber DU vermuten, bei einer
Sanitätseinrichtung oder Arztgruppe Betriebsmedizin der
Bundeswehr
untersuchen lassen und einer freiwilligen vorsorglichen
Untersuchung
unterziehen. Anhand der Untersuchungsergebnisse wird die beim
Heeresunterstützungskommando eingerichtete Studiengruppe
Biomonitoring (Tel.: 0261/896-4893) entscheiden, ob bei
hinreichendem Verdacht eine weitere spezifische Untersuchung
gemäß
den Vorgaben dieser Studiengruppe abzugeben ist. Unter der
Telefonhotline 0261/896-2909 ist zum Thema DU von 8 bis 22
Uhr
ständig ein Arzt zu erreichen. Daneben besteht das Angebot
der
Internationalen Vereinigung der Ärzte gegen den Atomkrieg
(IPPNW),
sich für eine Langzeitstudie registrieren zu lassen
(030/6930244).
Die Soldaten erwarten, dass die Verharmlosungspolitik beendet
wird. (..)
Der DBwV fordert eine Beweislastumkehr: Der Dienstgeber muss
beweisen, dass es keinen Zusammenhang zwischen dienstlicher
Verwendung und Erkrankung gibt. (..)
Weitere Beiträge zu den DU-Geschossen
Zurück zur Homepage