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Kompatible Kriegstechnik

US-Armee und Bundeswehr probten in Sachsen-Anhalt für den Ernstfall. Vermehrt Truppenbewegungen in Ostdeutschland

Von Susan Bonath *

Der Krieg in der Ukraine tobt weiter, die USA ziehen Truppen in der Region zusammen. Immer öfter passieren Soldaten der mächtigsten Militärnation auf ihrem Weg ins Baltikum den Osten Deutschlands. Nicht nur das: Auf dem Truppenübungsplatz Altmark des Gefechtsübungszentrums (GÜZ) in Sachsen-Anhalt probten in dieser Woche 120 US-Rekruten gemeinsam mit ebenso vielen Bundeswehrsoldaten den Ernstfall. Damit halten sich dort erstmals in der über 80jährigen Geschichte des rund 270 Quadratkilometer großen Militärareals amerikanische Truppen auf. Und, wie die Bundeswehr andeutete, wird es solche Übungen nun öfter geben.

Nach Informationen dieser Zeitung handelt es sich um eine Kompanie aus Fort Stuart im US-Bundesstaat Georgia. Diese gehört zu einem 3.000 Mann starken Kontingent, das die USA in den baltischen Staaten einsetzen wollen. Der deutsche Brigadegeneral Hartmut Renk sprach gegenüber Reportern des MDR Sachsen-Anhalt von einer »Experimentalübung«. Man habe herausfinden wollen, ob amerikanische und deutsche Waffensysteme sowie die jeweilige technische Ausstattung miteinander kompatibel sind. Das Kriegsgerät müsse »aufeinander abgestimmt sein und harmonieren«. Die ersten Übungen hätten dies bereits bestätigt. Dies sei ein »Meilenstein zur Festigung« der NATO-Allianz.

Der Chef der amerikanischen Militärs, Patrick Kinsman, betonte gegenüber Reportern des MDR Sachsen-Anhalt, dieses Training sei »sehr wichtig vor dem Hintergrund der Krise in der Ukraine«. Es sei »ein Beispiel dafür, wie die NATO-Verbündeten überall in Europa ihre Einsatzsatzbereitschaft erproben«. Kinsmans Angaben zufolge ist seine Kompanie derzeit im bayrischen Grafenwöhr stationiert. Von dort reiste sie am Montag zu dem viertägigen Manöver an.

Das GÜZ in der Colbitz-Letzlinger Heide nördlich von Magdeburg zeigt damit einmal mehr seine Bedeutung für die Ausbildung von NATO-Truppen für Kriegseinsätze mit deutscher Beteiligung. Seit mehr als zehn Jahren erhalten Soldaten dort ihren letzten Schliff, unmittelbar bevor sie ins Ausland geschickt werden. Der vom Rüstungskonzern Rheinmetall betriebene Übungsplatz, den die Bundeswehr erst vor einem Jahr durch einen Grundstückstausch mit dem Land Sachsen-Anhalt um 40 Quadratkilometer erweitert hat, gilt als einer der modernsten und größten Europas. In zwei Jahren, 2017, soll dort die künstliche Metropole »Schnöggersburg« eingeweiht werden. In der derzeit im Bau befindlichen rund 6,5 Quadratkilometer großen Stadt sollen zwischen Hochhäusern, Industrie- und Elendsvierteln, einem Flughafen, einem Stadion und U-Bahntunneln Soldaten für Kampfeinsätze in urbanen Gebieten ausgebildet werden. Die dafür veranschlagten Kosten revidierte ein Bundeswehrsprecher vor einigen Wochen gegenüber jW von 100 auf rund 130 Millionen Euro.

Aber auch in anderen Gegenden Ostdeutschlands wurden zuletzt immer wieder US-Truppenbewegungen beobachtet, so etwa am vergangenen Sonnabend im brandenburgischen Güldendorf in der Nähe von Frankfurt (Oder). Dort registrierten Anwohner eine mit zehn schweren Tanklastzügen durchrollende Einheit der amerikanischen Streitkräfte. Ebenso erregten US-Truppen vor einigen Tagen in Sachsen Aufsehen. Dort bezogen deren Soldaten in der Bundeswehrkaserne Frankenberg kurzzeitig Quartier. Nach Angaben der Bundeswehr war die Einheit auf dem Weg zu einem Manöver in Litauen gewesen. Außerdem, so ein Sprecher des Militärs, trainiere die US-Armee derzeit Landfahrten der Truppe zwischen ihren Standorten in Deutschland und dem Baltikum. Ein Sprecher des Landeskommandos Brandenburg erläuterte zu Beginn dieser Woche gegenüber der Märkischen Oderzeitung (MOZ), derlei Truppentransporte seien »gängige Praxis«. Das Bundesverteidigungsministerium müsse diese jedoch genehmigen.

Was man im Westen gewohnt ist, sorgt im Osten der Republik nicht ohne Grund für Wirbel. Laut des 1990 zwischen den alliierten Siegermächten, der BRD und der DDR abgeschlossenen Zwei-plus-vier-Vertrages, der den Weg zum Anschluss ebnete, dürfen US-Truppen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR »weder stationiert noch dorthin verlegt werden«. Allerdings ist darin das Abhalten von Manövern nicht explizit untersagt. Das hat die US-Armee auch lange nicht getan. Dies ist jetzt vorbei.

* Aus: junge Welt, Samstag, 2. Mai 2015


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