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Militär mit Munitionsmanko

Waffen- und Munitionsdiebstähle bei der Bundeswehr nicht aufgeklärt

Von René Heilig *

Die Bundesregierung verharmlost Sicherheitslücken bei der Bundeswehr. Den Alarmruf setzte die Linksabgeordnete Katrin Kunert ab.

Vor Kasernen und Depots hat die Bundeswehr Schilder aufgestellt. »Militärischer Sicherheitsbereich« steht darauf. Das Betreten »ist verboten«, es wird sogar vor »Schusswaffengebrauch« gewarnt. So abschreckend das klingt – weder Pilz- noch andere Sammelwütige lassen sich von ihren Vorhaben abbringen.

Am 7. Februar ereignete sich in der Fallschirmjäger-Kaserne im nieder-sächsischen Seedorf der bislang größte Munitionsdiebstahl in der Geschichte der Bundeswehr. Zwischen 4.30 Uhr und 7 Uhr, so ermittelte man, wurden rund 40 Kisten mit Munition gestohlen. Mehr als 32 000 Schuss der gängigen Kaliber im Gesamtgewicht von rund einer halben Tonne verschwanden. Bislang ist nicht eine Patrone wieder aufgetaucht.

Doch der »Schwund« ist nicht so einzigartig, wie man meint. Zwischen 2003 und 2013 gab es laut Auskunft der Bundesregierung »44 Fälle des Diebstahls, die nicht im Zusammenhang mit einer Einbruchshandlung stehen«. In »25 Fällen seien Waffen, in fünf Fällen Waffenteile und in 14 Fällen Munition entwendet worden«.

Wer nun allerdings glaubt, dass die Bundeswehr, deren Militärpolizei, Feldjäger genannt, und der Militärische Abschirmdienst (MAD) unermüdlich ermitteln würden, irrt. Die Zahlen stammen aus dem Bundeskriminalamt. Das BKA ist jedoch damit grundsätzlich nur im Rahmen seiner kriminalpolizeilichen Zentralstellenfunktion befasst. Die »Zentraldatei des BKA »Waffen/Sprengstoff Falldatei Bundeskriminalamt Waffen« (FBK Waffen)« basiere auf Angaben, die die sachbearbeitenden Dienststellen (überwiegend aus den Bundesländern dem BKA per Formblatt übermitteln.

Da die gesammelten Daten keinen beruflichen Hintergrund möglicher Täter oder eine Differenzierung nach Bundeswehrstandorten aufweisen, kann man eigentlich speziell zum Manko beim Militär nichts halbwegs Vernünftiges sagen, meint die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Frage der Linksabgeordneten Katrin Kunert. Nicht einmal, wenn gestohlene Waffen oder Munition aus Bundeswehrbeständen wieder auftauchen, ist man in der Lage, sie einem bestimmten Verband oder Standort zuzuordnen.

Die Bundeswehr mag ja einiges von den Preußen geerbt haben, die Gründlichkeit war wohl nicht dabei.

Nun hat das Bundeskriminalamt auch gegenüber Abgeordneten immer wieder bestätigt, dass Rechtsextemisten besonders waffenaffin seien. Folglich ergibt sich Kunerts Frage, ob möglicherweise aus diesem politischen Bereich »Langfinger« kommen, wie von selbst. Grundsätzlich prüfe der MAD bei Bekanntwerden von Munitions- oder Waffendiebstahl, ob zu möglichen Tatverdächtigen beim MAD oder anderen Sicherheitsbehörden Erkenntnisse mit Extremismusbezug vorliegen, heißt es im Bürokratenholperdeutsch. Mehr noch. Hat man keinen Tatverdächtigen zur Verfügung, prüfe man, ob extremismusverdächtige Bundeswehrangehörige im örtlichen Umfeld der Tat bekannt sind.

Entsprechende Erkenntnisse lägen aber zu den bekannten Fällen nicht vor, beruhigt die Regierung. Kunststück, denn in der »deliktorientiert aufgebauten Polizeidatenbank im Bereich Waffen/Sprengstoff wird eine politische Motivation nicht systematisch abgebildet«.

Doch auch was den Bereich der Organisierten Kriminalität betrifft, kann das Militär nichts sagen. Denn dafür ist der MAD nicht zuständig. Klartext: Wir wissen nichts und daran ist auch nichts zu ändern. Schon deshalb ist Vorsorge so wichtig.

Der MAD führte 138 000 Sabotageschutzüberprüfungen durch. »Die vorbeugende Sabotageschutzüberprüfung ist eine gesetzliche Maßnahme zur Abwehr terroristischer Bedrohungen und zum Schutz besonders festgelegter, sicherheitsempfindlicher Dienststellen und Einrichtungen der Bundeswehr«, sagt das Verteidigungsministerium.

Was kann man noch tun wider den »Schwund« an Waffen und Munition? Man kontrolliert »Veränderungen des Standortes von Munitionsbehältern«, verbessert die »Sichtüberwachung«, nimmt »baulich-technische Maßnahmen zur Absicherung der Munitionsbehälter« vor und organisiert eine »vermehrte Bestreifung durch Wachpersonal«.

Die Abgeordnete Kunert meint, dass die Aufklärungsquote sie keinesfalls beruhigt. Nur in 17 Fällen konnten Tatverdächtige ausgemacht werden und in zehn tauchte Diebesgut wieder auf.

* Aus: neues deutschland. Montag, 28. Juli 2014


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