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Angst und Interesse

De Maizière sorgt sich um Bundeswehr

Von Arnold Schölzel *

Der Bundesverteidigungsminister macht sich Sorgen um sein Volk: Die »große Mehrheit der Deutschen«, klagte er am Mittwoch auf einer Tagung der Bundesakademie für Sicherheitspolitik in Berlin, fühle sich für sicherheitspolitische Debatten »entweder nicht sachkundig genug, nicht ausreichend informiert oder auch einfach nicht zuständig«. Das müsse sich ändern: »Die Diskussion geht alle an.«

Nun erklärt die »Mehrheit der Deutschen« seit 2001 regelmäßig bei Umfragen, daß sie gegen den Krieg der Bundeswehr und ihrer Verbündeten in Afghanistan ist. Die Hilfe des BND bei der Bombardierung Bagdads 2003 erregte selbst bei den hiesigen publizistischen Hilfstruppen westlicher Ordnungskriege einiges Aufsehen. Über das Massaker von Kundus vor fast genau drei Jahren, das der deutsche Kommandeur mit Lügen und einem kriegsverbrecherischen Befehl herbeiführte, reden Medien, deutsche Justiz und das Ministe¬rium wenig. Dafür wird der damalige Oberst demnächst zum General befördert.

Das sagt mehr aus als Gejammer über angebliches Desinteresse an der Armee. Der Hintergrund ist: Der Umbau der Bundeswehr von einer Wehrpflichtigen- zu einer Interventions-, also Söldnerarmee ist weit vorangeschritten. Deren Aufgabe ist nicht Verteidigung, sondern präventive Aufstandsbekämpfung zur Gewinnung strategischer Positionen in den Habenichtsregionen dieser Welt, d.h. das massenhafte Töten vor allem von Zivilisten – bis sich die jeweilige Bevölkerung den Machtverhältnissen, d.h. der Besatzung, fügt, wie es ein US-Luftwaffengeneral in einem Handbuch für Kriege dieser Art vor einigen Jahren formulierte.

Das permanente Massaker als zentrale militärische Taktik ist schwer an der »Heimatfront« zu popularisieren. Das ist die Schwierigkeit, vor der de Maizière und sein Propagandakorps stehen. Die Kriege, die seine Truppe zu führen hat, sind so dreckig wie die Politik, deren Fortführung sie sind. Da sieht es nach Hilflosigkeit aus, wenn de Maizière in seiner Rede am Mittwoch vorschlug, eine breite Debatte über den Umgang mit Bundeswehr-Veteranen zu führen – mit Kirchen, Gewerkschaften und Unternehmern für »Anschlußverwendung«. In Wirklichkeit verband er das Vorhaben mit einer Drohung, die das Ansinnen komplettiert: »Die traditionelle Unterscheidung zwischen äußerer Sicherheit und Sicherheit im Inneren verliert angesichts neuer Bedrohungen zunehmend ihre Bedeutung.« Das heißt: Nicht das Desinteresse »der Deutschen« ist das Problem, sondern daß bloße Gleichgültigkeit eine Bedrohung darstellt angesichts der Art von Kriegen, die geführt werden sollen. Aber es gibt auch Interesse an der Bundeswehr, wie Bild am Mittwoch mitteilte. Demnach geht das Verteidigungsministerium davon aus, daß sich junge Leute in ärmeren deutschen Regionen aus Angst vor Arbeitslosigkeit bei der Armee bewerben. Das ist die Anleitung zum Handel.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 6. September 2012


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