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Teure Militärreklame

Sorge um den Nachwuchs: Bundeswehr gibt dieses Jahr zehn Millionen Euro für Personalwerbung aus. Hauptgewinner ist der Springer-Konzern

Von Frank Brendle *

An den Personalsorgen der Bundeswehr wird der Rücktritt des Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg am Dienstag nichts ändern. Und auch nichts an den horrenden Summen, die in die Nachwuchswerbung gestopft werden. Die Bundeswehr erhöht den dafür vorgesehenen Etat im laufenden Jahr um weitaus mehr, als bisher bekannt war. Während in der Öffentlichkeit eine angeblich 4,8 Millionen Euro teure Werbekampagne diskutiert wird, deren Hauptnutznießer der Springer-Konzern ist, zeigen aktuelle Zahlen des Verteidigungsministeriums, daß für 2011 insgesamt über zehn Millionen Euro eingeplant sind, um bevorzugt unter Jugendlichen zu werben. Das teilte gestern die Linken-Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke mit, der das Ministerium eine umfangreiche Anfrage beantwortet hatte.

Alleine für »personalwerbliche Anzeigen« sind 5,7 Millionen Euro ausgewiesen. Gegenüber dem Jahr 2009 – damals waren es noch unter vier Millionen – ist das eine Steigerung um fast 50 Prozent. Für weitere Werbemaßnahmen sind ebenfalls durchweg höhere Ausgaben vorgesehen: Die mobilen Reklametruppen der Bundeswehr, die bei Messen, Ausstellungen und auf öffentlichen Plätzen für ihren »Arbeitgeber« werben, verschlingen weit über zwei Millionen Euro. Die Militärs organisieren außerdem besondere Veranstaltungsformate für Jugendliche – Musikveranstaltungen, Sportlertreffen, Schülerzeitungsseminare – wofür rund eine Million Euro eingeplant sind. Weitere Kosten entstehen durch Kooperationen mit Jugendzeitschriften oder Sportvereinen, den Bundeswehr-Auftritt in neuen sozialen Medien und die Erstellung von Werbefilmen. Zusammengezählt kommt man auf rund zehn Millionen Euro. Nicht darin enthalten sind die Kosten für Jugendoffiziere und Wehrdienstberater sowie für »allgemeine« Formen der Öffentlichkeitsarbeit: klassische Propagandaarbeit durch den Pressestab der Bundeswehr, Auftritte von Militärkapellen oder öffentliche Gelöbnisse.

Die gewachsene Reklametätigkeit zeugt von der Sorge der Personalstrategen, daß sich nach dem Wegfall der Wehrpflicht nicht ausreichend qualifizierte Freiwillige für den Kriegsdienst melden. Den jährlichen Personalergänzungsbedarf an Mannschaften und Zeitsoldaten gibt das Verteidigungsministerium mit 27000 jungen Männern und Frauen an. 15000 davon sollen »freiwillige Wehrdienstleistende« sein – doch die Bewerbungen gehen bislang kaum über zehn Prozent dieses Solls hinaus. Interne Skandale und das tödliche Risiko des Afghanistan-Einsatzes scheinen abzuschrecken. Das Übertünchen der Mißstände mit Reklameanzeigen soll bis Jahresende in drei Phasen ablaufen. Neu ist der Schwerpunkt auf Fernsehwerbung. Fast 1,4 Millionen Euro sind nach Ministeriumsangaben dafür eingeplant, vor zwei Jahren waren es gerade mal 5700 Euro. In der Anfangsphase der diesjährigen Werbekampagne gehen vier Wochen lang sämtliche Gelder – die Bundeswehr sprach vorige Woche von 600000 Euro – an die Springer-Medien Bild, Bild am Sonntag und deren Internetausgaben. Jelpke sprach von einem »üblen Deal« zwischen dem »Plagiatsminister« und dem Medienkonzern, der Guttenberg – letztlich erfolglos – lange unterstützt hatte. Die Düsseldorfer Agentur Zenithmedia GmbH hat bereits 244000 Euro kassiert. Jelpke will jetzt eine detaillierte Auflistung aller Medien verlangen, in denen das Militär Anzeigen schaltet.

* Aus: junge Welt, 2. März 2011


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