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Beförderungssperre trotz guter Beurteilungen – Unbequemer Stabsoffizier verlässt die Bundeswehr

Ein Beitrag von Jerry Sommer aus der NDR-Sendereihe "Streitkräfte und Strategien" *


Andreas Flocken (Moderator):
Soldaten sind Staatsbürger in Uniform. Sie sollen kritisch sein, und ggfs. auch Klartext reden – nach innen und nach außen, also auch gegenüber der Öffentlichkeit, so hat es einmal der frühere Bundespräsident Horst Köhler gefordert. Soldaten, die laut Kritik üben - das kommt allerdings ausgesprochen selten vor. Schließlich könnte das Ende der Karriere drohen. Diese Erfahrung hat auch ein Stabsoffizier gemacht, der in diesem Monat die Bundeswehr verlassen wird. Jerry Sommer berichtet:


Manuskript Jerry Sommer

Nach 36 Jahren endet für Florian Pfaff am 31. Mai seine Dienstzeit als Berufssoldat. Der Computerspezialist wird als Major in Pension gehen – ein Dienstgrad, den er seit dem Jahr 2000 innehat. Mit Florian Pfaff verlässt ein kritischer und unbequemer Offizier die Streitkräfte – ein Soldat, der sich immer, als Staatsbürger in Uniform gesehen hat, ein Offizier, der sich nicht scheute, ggf. die Bundeswehr zu kritisieren und für seine Rechte auch vor Gericht gegen seinen Dienstherrn zu klagen.

Eine Regelbeförderung des Stabsoffiziers Florian Pfaff war eigentlich seit Jahren überfällig. Doch sie blieb ihm versagt. Zuletzt hat Ende Februar das Verwaltungsgericht München entschieden, dass die Bundeswehr Florian Pfaff nicht zum Oberstleutnant befördern müsse. Trotz guter Beurteilungen hatte die Bundeswehr das immer wieder mit wechselnden Begründungen abgelehnt. Florian Pfaff:

O-Ton Pfaff
„Es geht mir darum, nicht gegenüber anderen schwer benachteiligt zu werden.“

Die Nicht-Beförderung empfindet Pfaff als eine solche schwere Benachteiligung. Doch es geht ihm nicht in erster Linie um das entgangene Gehalt in Höhe von rund 100.000 Euro. Es geht ihm um die Rechtmäßigkeit von Militäreinsätzen der Bundeswehr und um das Recht auf Gewissens- und Meinungsfreiheit – auch als Soldat.

Seine Auseinandersetzung mit der Bundeswehrführung begann vor nunmehr 10 Jahren mit dem Angriff der USA auf den Irak – zusammen mit Großbritannien und anderen Staaten. Der im Streitkräfteamt der Bundeswehr beschäftigte Major weigerte sich damals aus Gewissensgründen, seine Arbeit an der Neu-Organisation der Bundeswehrlogistik fortzusetzen. Seine Begründung: Die Vorgesetzten hätten nicht ausschließen können, dass seine Arbeitsergebnisse auch für eine Unterstützung des Irak-Krieges eingesetzt werden könnten. Da Florian Pfaff den ohne UN-Mandat geführten Irak-Krieg für einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg hielt, hätten ihm sowohl das Grundgesetz als auch sein Gewissen jede Beteiligung an diesem Feldzug verboten.

Deutschland hatte sich damals unter der rot-grünen Regierung nicht direkt am Irak-Krieg beteiligt. Es wurde aber indirekt Unterstützung für die USA geleistet. Und in der Politik wie in der Bundeswehr gab es auch Stimmen, die eine direkte Beteiligung Deutschlands befürworteten. Auch dagegen wollte Pfaff ein Zeichen setzen:

O-Ton Pfaff
„Natürlich war mir von Anfang an klar, wenn ich den Irak-Krieg kritisiere und wenn es auch Leute sind, die wollen, dass Deutschland am Irak-Krieg teilnimmt, dass ich mir damit schade. Aber ich denke, dass ich damit auch Deutschland nütze, weil nach dem Grundgesetz eine Teilnahme an solchen Kriegen nicht gestattet ist. Und ich kann es mit meinem Gewissen auch nicht vereinbaren zu sagen: na gut, dann ist es ein völkerrechtswidriges Delikt oder ein Angriffskrieg, aber das macht ja nichts.“

Für die Bundeswehrführung war Pfaffs Verhalten allerdings Gehorsamsverweigerung. Er wurde zur Untersuchung seines Geisteszustandes in die Bundeswehrpsychiatrie eingewiesen. Die Ärzte stellten zwar fest, dass er 100 Prozent gesund war, doch die Bundeswehr versuchte, ihn zu entlassen, kam damit aber vor dem Truppendienstgericht nicht durch. Allerdings degradierte ihn das Truppendienstgericht zum Hauptmann. Dagegen klagte der kritische Major Pfaff – und gewann 2005 schließlich vor dem Bundesverwaltungsgericht. Im Urteil hieß es:

Zitat
„Aus dem Grundgesetz und dem Soldatengesetz ergeben sich rechtliche Grenzen des Gehorsams... Ein Soldat braucht einen ihm erteilten Befehl jedenfalls dann als unzumutbar nicht zu befolgen, wenn er sich insoweit auf den Schutz des Grundrechts der Freiheit des Gewissens … berufen kann.“

Für die Rechtsauffassung der Bundeswehr war dieses Urteil eine schallende Ohrfeige. Jedoch akzeptierte sie dieses letztinstanzliche Urteil de facto nicht. Sie verhängte gegen Florian Pfaff praktisch eine Beförderungssperre und erklärte ihn für – wie es hieß - nicht „unbeschränkt verwendungsfähig“. Gleichzeitig begann das Verteidigungsministerium seine bisherige Argumentation zu ändern. Nun wurde gesagt, einer Beförderung stehe eine mangelnde charakterliche Eignung entgegen. Als Beleg wurde ein 2008 von Florian Pfaff veröffentlichtes Buch angeführt. Unter dem Titel „Totschlag im Amt – Wie der Frieden verraten wurde“ wandte sich der Major darin gegen jegliche Beteiligung der Bundeswehr an Angriffskriegen. Pfaff:

O-Ton Pfaff
„Leider habe ich manchmal den Eindruck, in der Bundeswehr gibt es Leute, die wollen, dass wir an solchen Dingen teilnehmen, wie zum Beispiel der damalige Generalinspekteur General Schneiderhahn, der gesagt hat: ‚Wir müssen so etwas anbieten, was die Briten mit den USA in Irak gemacht haben’. Wenn wir das tun wollen, dann ist das in meinen Augen ein Verbrechen.“

Das Verwaltungsgericht München folgte im Februar dieses Jahres im Wesentlichen der Auffassung des Verteidigungsministeriums, dass solche auch in dem Buch enthaltenen Aussagen nicht vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt seien. Ein Soldat müsse in Inhalt und Form bei seinen Meinungsäußerungen Zurückhaltung üben, was Pfaff nicht getan habe. Im Urteil heißt es unter anderem über Aussagen im Buch:

Zitat
„Nach Auffassung der Kammer waren sie in Form und Inhalt sehr wohl geeignet, bei unbefangenen Lesern des Buches den Eindruck zu erwecken, die Führung der Bundeswehr bestehe aus Straftätern, die zu schweren Verbrechen auffordern würden.“

Pfaff weist den Vorwurf entschieden zurück, die Bundeswehr insgesamt zu Straftätern erklärt zu haben. Außerdem habe sein Verleger das Buch dem Verteidigungsministerium vorab geschickt, ohne dass es beanstandet worden sei. Und:

O-Ton Pfaff
„Das Zweite, was ich gemacht habe, ist, dass ich das Buch vorgelegt habe an meinen Disziplinarvorgesetzten mit der Bitte um Prüfung, ob er da irgendetwas Übertriebenes drin sieht. Da kam von keiner Seite irgendeine Kritik. Im Gegenteil, da wurde mir gesagt: Dieses Buch ist freie Meinungsäußerung.“

Trotzdem nutze die Bundeswehr das Buch als Begründung, um Pfaff charakterliche Mängel zu bescheinigen, die eine Beförderung unmöglich machten. Diese Argumentation kritisiert der Rechtsanwalt des Majors, Hans-Joachim Ahnert, scharf:

O-Ton Ahnert
„Das war die ursprüngliche Absicht des BMVg: Letzten Endes hat man über den Streit wegen des Buches das erreicht, was man ursprünglich erreichen wollte: einer, der das Verteidigungsministerium derart vorführt, der kann nicht obendrein noch befördert werden.“

Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Hellmut Königshaus wollte sich zu dem Fall Pfaff nicht äußern. Allerdings kritisiert er in seinem letzten Jahresbericht Fälle, in denen Soldaten schon benachteiligt wurden, weil sie ihr verbrieftes Recht auf eine Eingabe beim Wehrbeauftragten genutzt hatten. Zitat:

Zitat
„In einem Fall wurde ein für eine zwölfjährige Dienstzeit erstelltes vorläufiges Dienstzeugnis nach einer Eingabe zu Ungunsten des Soldaten verändert… In einem anderen Fall wurde dem Soldaten in einem Beurteilungsentwurf vorgehalten, dass es ‚so wirke, dass er seiner übergeordneten Führung nicht vertraue’. Diese Vertrauenslosigkeit zeige sich ‚durch Nutzung seiner soldatischen Rechte’.“

Florian Pfaff geht Ende des Monats in Pension. Aber die juristische Auseinandersetzung mit der Bundeswehr wird damit nicht zu Ende sein. Er wird gegen das Münchner Verwaltungsgerichtsurteil in Berufung gehen. Schon einmal habe er erst in letzter Instanz vom Bundesverwaltungsgericht sein Recht auf Gewissenfreiheit gegen die Bundeswehr zugesprochen bekommen. Pfaff hofft, dass er auch diesmal in dem Verfahren letztlich erfolgreich sein wird:

O-Ton Pfaff
„Ich denke, dass jetzt auch in der letzten Instanz entschieden wird, dass ein Buch, das derart sauber geschrieben ist, dass das Gericht auch da entscheiden wird, das ist in Ordnung.“

Sein Anwalt, Hans-Joachim Ahnert, ist ebenfalls verhalten optimistisch:

O-Ton Ahnert
„Wenn ich auf die Vorgaben des Verfassungsgerichts, besonders zur Meinungsfreiheit, also auch der Meinungsfreiheit von Soldaten, abstelle, dann dürfte das Verfahren zu gewinnen sein.“

Dass die Bundeswehr mit unliebsamen Kritikern aus den eigenen Reihen nicht zimperlich umgeht, hat Florian Pfaff am eigenen Leib erfahren. Wie weit die Meinungsfreiheit auch für aktive Soldaten gilt, und ob sie speziell Angriffskriege kritisieren dürfen, darüber entscheiden jetzt höhere deutsche Gerichte. Auf das Ende der juristischen Auseinandersetzung darf man gespannt sein.

* Aus: NDR-Sendereihe "Streitkräfte und Strategien", 4. Mai 2013; www.ndr.de


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