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"Die Bundeswehr macht sich zum Rattenfänger"

Musikwettbewerb soll Jugendliche für Militärdienst begeistern. Heftige Proteste zu erwarten. Ein Gespräch mit Antje Claaßen-Fischer

Antje Claaßen-Fischer ist Vorsitzende des Kreisverbands Zollernalb der Partei Die Linke und im »Bw is nix«-Bündnis aktiv

Von Freitag bis Sonntag (22.-24. Okt.) wird wie im vergangenen Jahr im baden-württembergischen Balingen ein Wettbewerb für Blasmusikorchester stattfinden. Was gibt es an diesem Kulturereignis - offiziell »Bw-Musix« genannt - auszusetzen?

Das ist ein bundesweiter Musikwettbewerb für Jugendliche, der nun schon zum fünften Mal stattfinden soll. Die Veranstaltung wird vom Militärmusikdienst der Bundeswehr in Kooperation mit dem Musikinstrumente-Hersteller Yamaha organisiert. Über 1000 junge Leute werden an der Veranstaltung teilnehmen, die aus Militärmusikern bestehende Jury wird Preise im Wert von 3000 Euro vergeben.

Bei der Veranstaltung geht es aber nur vordergründig um Musik. Eigentlich versucht die Bundeswehr mit den »Bw-Musix« das eigene Image aufzubessern und neuen Nachwuchs zu rekrutieren. So gibt es neben dem Musikwettbewerb auch Workshops von Militärmusikern und eine Messe, bei der sich neben Herstellern von Blasinstrumenten auch die Nachwuchswerber der Bundeswehr präsentieren.

Schon Minderjährige will die Bundeswehr so für sich interessieren: Das Durchschnittsalter des letztjährigen Gewinner-Orchesters betrug gerade einmal knapp 15 Jahre. Mit dem Einverständnis der Erziehungsberechtigten kann man in Deutschland schon zwei Jahre später in die Armee eintreten. Den Eltern soll daher bei der Musikveranstaltung vermittelt werden, daß die Bundeswehr bei der angespannten Lage auf dem Arbeitsmarkt ein guter Arbeitgeber für ihre Kinder ist. Die Bundeswehr macht sich so zum Rattenfänger von Balingen.

Wie groß ist der Rückhalt für die Bundeswehr-Veranstaltung in der 33 000-Einwohner-Stadt?

Die lokalen Medien sind teilweise Mitinitiatoren der »Bw-Musix«. Mit dem Zollern-Alb-Kurier wurde zum Beispiel eine Medienpartnerschaft vereinbart. Im vergangenen Jahr gab es in der lokalen Tageszeitung viele Leserbriefe zu diesem Musikwettbewerb. Auch der Chefredakteur der Zeitung hat sich klar für dieses Bundeswehr-Spektakel ausgesprochen. Der Oberbürgermeister unterstützt die »Bw-Musix« ebenfalls und läßt sich gern mit den Militärmusikern der Bundeswehr in der Öffentlichkeit sehen.

Von allen in der Lokalpolitik vertretenen Parteien ist Die Linke die einzige, die diesen Wettbewerb so sieht. Balingen ist eine Hochburg für Orchestermusik. und große Teile der Bevölkerung haben auch kein Problem damit, mit der Bundeswehr zusammenzuarbeiten - denen geht es nur um Musik, die hintergründigen Absichten der Bundeswehr interessieren sie nicht. Wir haben natürlich nichts gegen Orchesterwettbewerbe, wir lehnen aber ganz klar die Verknüpfung mit der Bundeswehr ab.

Im vergangenen Jahr riegelten Hunderte Polizisten die Innenstadt nach einer angekündigten antimilitaristischen Demonstration ab - sogar Wasserwerfer standen bereit. Zu der Demonstration kam es aber nie, statt dessen gab es kleinere Protestaktionen vor dem Veranstaltungsort der »Bw-Musix«. Wie wird der Protest in diesem Jahr aussehen?

In diesem Jahr gibt es ein sehr breites Bündnis dagegen. Neben lokalen Friedensgruppen unterstützen auch Gruppen aus Tübingen, Stuttgart und dem Umland unseren »Bw is nix«-Protest. Es gab bereits in mehreren Orten Mobilisierungsveranstaltungen. Am 23. Oktober wird es eine Demonstration gegen die Bundeswehr-Musix in Balingen geben, ab 14.00 Uhr vom Bahnhof aus. Zudem werden wir auf dem Marktplatz eine Ausstellung über den Afghanistan-Krieg präsentieren.

Wie groß ist der Einfluß des Militärs auf die Musikszene?

Außerhalb der Bundeswehr ist es schwer, eine Vollzeitanstellung als Orchester-Musiker zu bekommen. Die Armee besitzt 18 Musikkorps, die auf hohem Niveau spielen und daher eine Größe in der Orchestermusikszene darstellen. Die Militärorchester sollen die Armee positiv nach außen darstellen und nach innen für Traditionspflege sorgen. Wir fordern daher, den Einfluß des Militärmusikdienstes zu verringern und von staatlicher Seite aus mehr zivile Projekte dieser Art zu fördern. Es muß auch zivile Orchesterwettbewerbe geben - gerade für Jugendliche!

Interview: Michael Schulze von Glaßer

* Aus: junge Welt, 20. Oktober 2010

Musikbegeistertes Balingen

Oberstleutnant Bernd Zivny, der stellvertretende Leiter des Militärmusikdienstes der Bundeswehr, hebt nach diesem Musikwochenende besonders hervor: „Bemerkenswert gelungen ist die enge Verzahnung von Wettbewerb, Workshops, begleitender Ausstellung sowie die gute Zusammenarbeit vor Ort zwischen der Bundeswehr, dem Jugendmarketing der Bundeswehr, der Stadt, den Sponsoren und dem Blasmusikverband.“ Die Musikbegeisterung, auch der örtlichen Stadtvertreter, einschließlich des Oberbürgermeisters Helmut Reitemann, war eindeutig. So wurde auch die Absichtserklärung, die „Bw – Musix“ im Jahr 2010 wieder nach Balingen zu holen, von allen nachdrücklich begrüßt. – Sicherlich ein weiterer Schritt, um Balingen künftig als Zentrum hochklassiger Blasmusik zu etablieren.

Auszug aus dem Bericht über den Musikwettbewerb 2009 auf der Website der Bundeswehr-Musikkorps: www.militaermusik.bundeswehr.de




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