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Galeeren-Gerüchte – und zu Guttenberg rudert

Die "Gorch-Fock"-Affäre ist nur eine von vielen, nun will man mehr Geld zur Attraktivitätssteigerung

Von René Heilig *

Es ist bisweilen nicht leicht für den Minister, dass er geistig so weit über dem gemeinen Volke steht. Denn das – siehe links – versteht einfach nichts vom Beamten- und Soldatenrecht. Entschuldigung also, dass auch wir die Entbindung eines altgedienten Kapitäns von seiner Befehlsgewalt nicht gleich als Möglichkeit zur Fortsetzung der Karriere begriffen haben.

Als zu Guttenberg den Kapitän Norbert Schatz ablöste, geschah das nicht wegen eines Todesfalls. Der Minister sprach eindeutig von einer »derartigen Häufung von faktisch erschütternden Berichten«. In der Tat, der tödliche Unfall einer 25-jährigen Offiziersanwärterin war nicht der erste derartige an Bord. Doch die junge Frau war bereits am 7. November aus der Takelage gefallen. Die Presseverantwortlichen im Guttenberg-Ministerium hatten damals eine kurze Notiz verfasst. Und dabei hätte es eigentlich auch bleiben sollen. Zumindest für die Öffentlichkeit. Man wollte keine Verbindung zu den anderen Toten und Verletzten von der »Gorch Fock« herstellen. Und schon gar nicht die zum Teil haarsträubenden Zustände auf Einsatzschiffen der Marine untersuchen. Die »Gorch Fock« sollte auf ihrem bislang längsten Törn, der sie zum ersten Mal ums Kap Horn herumführte, immer nur als die »Königin der Meere« und die Besatzung als Botschafter Deutschlands erscheinen. Jede Schablone, in die man »unsere Blauen Jungs« (und Mädchen) steckte, war dafür gerade schlecht genug. Eigentlich, so sagen Kritiker, hätte man das Schiff ans Auswärtige Amt verchartern sollen. Denn Repräsentationsaufgaben wären wichtiger gewesen als die Ausbildung von Kadetten.

Ob der Gerüchte von der Galeere kommt zu Guttenberg ganz schön ins Rudern. Dabei sollten seine Ministeriellen doch beim Skandalmanagement geübt sein. Auch nach dem Ende des Kalten Krieges häuften sich Negativ-Schlagzeilen. Im September 2009 befahl Bundeswehr-Oberst Georg Klein nahe dem afghanischen Kundus einen Bombenangriff, bei dem über 140 Afghanen umkamen. Klein wurde nicht belangt, sondern ins Ministerium hochversetzt. In einer Boulevard-Zeitung wurde 2006 auf Fotos gezeigt, wie Soldaten in Afghanistan mit Totenschädeln herumspielen. Ebenfalls 2006 kam zur Sprache, dass Soldaten der Zweibrücker Niederauerbach-Kaserne körperlich gedemütigt wurden. Zwei Jahre zuvor wurde in Coesfeld »Geiselnahme« trainiert, bei der man Rekruten schwer misshandelt hat. Im März 2002 ertranken zwei Matrosen der Fregatte »Mecklenburg-Vorpommern« – die Eltern eines Getöteten rennen noch immer gegen eine Mauer aus Militär und Justiz an. 1996 drehen Gebirgsjäger in Hammelburg Hinrichtungs- und Vergewaltigungsszenen. Ein Soldat zeigte den Hitlergruß – laut Staatsanwaltschaft keine Verharmlosung von Gewalttätigkeiten, Nazi-Tendenzen seien nicht erkennbar. Dass der verurteilte Rechtsterrorist Manfred Roeder 1995 als Referent an der Hamburger Führungsakademie eingeladen worden war, kam erst 1997 heraus.

Das alles macht Guttenbergs Freiwilligen-Armee nicht gerade attraktiv – jedenfalls nicht für jene, die das Militär einstellen möchte. Offenbar will der Minister nun mehr Geld ausgeben und verlangt bis 2014 zusätzlich 1,2 Milliarden Euro Steuergelder für »attraktivitätssteigernde Maßnahmen«. Eigentlich, so die Vorgaben, soll der Minister in den kommenden vier Jahren im Wehretat 8,3 Milliarden Euro einsparten.


"Krawattenzwang im Bundestag, Segelschiffe in den Schlagzeilen, Adlige in der Regierung. Ist das hier ganz sicher das 21. Jahrhundert?
(Kabarettist Dieter Nuhr)

»Die Entscheidungen vom Wochenende sind sachgerecht und notwendig. Manche Stellungnahme dazu ist allerdings Ausdruck bemerkenswerter Ahnungslosigkeit. Ein von seinen Pflichten entbundener Kommandant ist weder ›gefeuert‹, noch ›geschasst‹ oder ›rausgeworfen‹. Ich empfehle allen, die sich bereits vorsorglich empörten, sich nächstes Mal zumindest mit den Grundzügen des Beamten- und Soldatenrechts vertraut zu machen. Ich habe angekündigt aufzuklären, abzustellen und Konsequenzen zu ziehen. Wir befinden uns bei der ›Gorch Fock‹ immer noch in der ersten Phase: Aufklärung. Meine personelle Entscheidung vom Wochenende betrifft die Frage, ob der Kommandant während dieser Aufklärung in seiner Position verbleibt oder nicht. Angesichts der Vorwürfe ist diese Maßnahme die beste auch in seinem Sinne. Wenn die Anschuldigungen sich als nicht stichhaltig erweisen sollten, wird er seine Karriere wie geplant fortsetzen.«
(Karl-Theodor zu Guttenberg)



* Aus: Neues Deutschland, 25. Januar 2011


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