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Mentale Mobilmachung

Kommunikationsstrategen unter sich: Die Bundeswehr führt heute und morgen in Berlin einen medienpolitischen Workshop durch

Von Peer Heinelt *

Die bürgerlichen Massenmedien liegen der Bundeswehr am Herzen. Geschuldet ist dies in erster Linie dem Umbau der Truppe zu einer aus Berufssoldaten bestehenden, global agierenden Interventionsarmee und dem damit verbundenen Wegfall der allgemeinen Wehrpflicht. So schreibt das Potsdamer »Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften« der deutschen Streitkräfte (ZMSBw): »Medienberichte werden in zunehmendem Maß das Bild von der Bundeswehr und ihren Einsätzen bestimmen und die persönlichen Erlebnisse und Erfahrungen ersetzen.« Folgerichtig fragt sich die aus dem »Militärgeschichtlichen Forschungsamt« und dem »Sozialwissenschaftlichen Institut« der Truppe hervorgegangene Einrichtung denn auch, wie man die »öffentliche Präsenz« des Militärs hierzulande »zielgerichtet stärken« könne. Entsprechende »Kommunikationsstrategien« sollen heute und morgen bei einem »Workshop« unter dem Titel »Bundeswehr und Medien in der jüngsten Vergangenheit und heute« in der Berliner Vertretung des Landes Niedersachsen diskutiert werden.

Als erster Tagungsredner ist Jörg Jacobs vorgesehen, seines Zeichens Wissenschaftlicher Direktor der in Strausberg bei Berlin beheimateten »Akademie der Bundeswehr für Information und Kommunikation« (AIK). Bis 1990 firmierte die Institution unter der wesentlich treffenderen Bezeichnung »Schule für Psychologische Kampfführung/Verteidigung« – werden hier doch unter anderem die mit der militärpolitischen Propaganda gegenüber Heranwachsenden befaßten »Jugendoffiziere« ausgebildet. Bei ihren Trainingsmaßnahmen für »Öffentlichkeitsarbeiter« in Uniform setzt die AIK neuerdings verstärkt auf das Know-how ziviler Experten. Einen unlängst abgeschlossenen Lehrgang für »Onlineautoren« etwa leitete der Berliner Videoreporter Jakob Bienheim, der laut Truppe »jahrelang für N24 berichtete und (…) mehrere Auslandseinsätze journalistisch begleitete«. Es verwundert vor diesem Hintergrund nicht, daß auch bei dem jetzt anberaumten »Workshop«, den AIK und ZMSBw gemeinsam gestalten, zahlreiche zivile Fachleute zugegen sein werden.

Unter ihnen finden sich etliche ambitionierte Nachwuchswissenschaftler. So wird die Soziologin Dinah Schardt von der Universität Heidelberg darüber referieren, wie sich die Kriegsoperationen der Bundeswehr in Afghanistan in den »Unterhaltungsformaten« hiesiger Massenmedien widerspiegeln. Passend dazu soll der Militärhistoriker Marc Chaouali von der Universität Marburg die »Rolle der Medien in der Debatte um Auslandseinsätze der Bundeswehr« beleuchten, während sich sein Kollege Philipp Fraund von der Universität Konstanz über »Pressepolitik und Kommunikationsstrategien« der Truppe auslassen darf. Letzteres entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie: Die Konstanzer Hochschule verfügt über eine »Zivilklausel«, die eigentlich dazu gedacht ist, Kooperationen mit Militär und Rüstungsindustrie zu unterbinden.

Den Abschluß der Tagung bilden Vorträge über insbesondere von Jugendlichen genutzte Social-Media-Dienste im Internet. Erkenntnisse darüber, wie Facebook, Twitter, Flickr und Youtube besser für Zwecke der Militärpropaganda und Rekrutierung eingesetzt werden können, erhofft man sich unter anderem von dem ehemaligen Focus-Redakteur Thomas Wiegold. Der Journalist betreibt den Webblog »Augen geradeaus!« und erklärt nicht ohne Stolz, er erreiche damit seine Leser weit »unmittelbarer als die sogenannten Mainstreammedien«.

Ungeachtet aller Euphorie über die Möglichkeiten der Beeinflussung via Internet setzen die PR-Strategen der Bundeswehr laut einer aktuellen Studie des ZMSBw nach wie vor darauf, zentrale Propagandabotschaften »in den Kontext von Radio- bzw. Fernsehsendungen mit großer Reichweite zu plazieren«. Die dafür notwendigen Kontakte und Netzwerke pflegt das deutsche Militär offensichtlich schon länger: Der vom Reservistenverband seit 1993 vergebene militärpolitische Medienpreis »Goldener Igel« etwa geht regelmäßig an Mitarbeiter öffentlich-rechtlicher und privater Rundfunkanstalten – dieses Jahr zum neunten Mal.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 21. November 2013


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