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Von der "Gorch Fock" in die weite Welt hinaus

An den globalen Brennpunkten präsent - Deutsche Marine wird immer einsatzorientierter

Von Hermannus Pfeiffer *

Den Startschuss für die Feiern zum 824. Hamburger Hafengeburtstag gaben am Donnerstag der Kultur- und Tourismusminister der italienischen Region Ligurien, Angelo Berlangieri, und Bürgermeister Olaf Scholz (SPD). Bis zum Sonntagabend will man 1,5 Millionen Besucher gezählt haben.

An der Spitze der Einlaufparade zum angeblich größten Hafenfest der Welt paradierte die legendäre »Gorch Fock« die Elbe nach Hamburg herauf. Der Ruf des Segelschulschiffes der Deutschen Marine hat unter anderem durch den tödlichen Unfall einer Seekadettin im November 2010 erhebliche Misstöne bekommen. Doch von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, wandelt sich die an den Küsten von Nord- und Ostsee beheimatete »wiedervereinigte« Militärflotte zu einer Marine, die im weltweiten Dauereinsatz operiert.

Schon der erste Einsatz hatte Symbolkraft. Während des Golfkrieges 1991 beteiligte sich die bundesdeutsche Marine mit bis zu zwanzig Schiffen an NATO-Verbänden im Persischen Golf - laut Flottenkommando der erste Auslandseinsatz der Bundeswehr »unter Bedrohung«. Es folgten Einsätze im Balkankonflikt in der Adria und vor der Küste Somalias. Nach den Anschlägen auf das World Trade Center in New York 2001 beteiligte sich die Deutsche Marine mit Fregatten, Schnellbooten, Seefernaufklärern und Hubschraubern an der Überwachung des Meeresgebietes am Horn von Afrika. Die Beteiligung an dieser »Operation Enduring Freedom« wurde erst 2010 beendet. Bis heute läuft aber die »Operation Active Endeavour« an der Straße von Gibraltar und im Mittelmeer fort. Ziel, so das Marinekommando in Rostock, sei »ein Lagebild über terroristische Bestrebungen in der Region« - und die Demonstration der »Entschlossenheit« der NATO.

Als eigentlicher Wendepunkt gilt unter Marineexperten der Anti-Piraten-Einsatz »Operation Atalanta« vor der Küste Ostafrikas: Erstmals kommen hier die ganzen militärischen Fähigkeiten unter Gefechtsbedingungen zur Geltung. Seit 2008 sind Marineverbände an dem von der Europäischen Union geführten Einsatz beteiligt. Drei Jahre später stellte Deutschland dann erstmals den Kommandeur des internationalen Flottenverbandes.

Eine führende Rolle spielt die Deutsche Marine weiterhin in einer der heißesten globalen Konfliktzonen, der Levante. Im Rahmen der UN-Mission UNIFIL wird seit dem Krieg zwischen der libanesischen Hisbollah-Miliz und Israel 2006 versucht, Waffenschmuggel zu unterbinden, die libanesische Marine auszubilden und die Seegrenzen nach Syrien zu kontrollieren.

Außerdem beteiligen sich deutsche Kriegsschiffe an den Ständigen NATO-Verbänden, die im Nordatlantik, vor westeuropäischen Küsten und im Mittelmeer. Zurzeit beteiligen sich das U-Boot »U32« und das Forschungsschiff »Planet« an der Gefechtsübung eines Flugzeugträgerverbandes der US-Navy vor der amerikanischen Ostküste.

Zwar wird die Bundeswehr personell verkleinert, aber qualitativ wird sie aufgerüstet. Gegenüber Heer und Luftwaffe gewinnt die Marine durch den Reformprozess intern an Gewicht. »Die Deutsche Marine», so der zuständige Staatssekretär im Verteidigungsministerium Thomas Kossendey, »wird in Zukunft absehbar stärker gefordert sein als bisher.« Dafür gibt es weniger, aber schlagkräftigere Waffensysteme wie Raketen und Drohnen an die Hand und Hochtechnologie-Schiffe: Die gerade in Dienst gestellten Korvetten »K130« und in den kommenden Jahren neue Fregatten, U-Boote und beispiellose Mehrzweckkampfschiffe.

Das erklärte Ziel der Neuausrichtung ist eine »Expeditionary Navy«, eine Marine an den Brennpunkten der Welt. Begründet wird der Wandel in den Verteidigungspolitischen Richtlinien der Bundesregierung mit dem nationalen Interesse an »freien und ungehinderten Welthandel« sowie den freien Zugang zur Hohen See und zu »natürlichen Ressourcen».

Seemännische Grundlagen werden, wie seit 1958 üblich, weiterhin auf der »Gorch Fock« gelegt. Alle Marineoffiziere durchlaufen einen inzwischen auf sieben Wochen verlängerten Ausbildungskurs an Bord. Kurz vor dem allerersten Besuch des Hamburger Hafengeburtstages hatte der neue Kommandant, Kapitän zur See Helge Risch, nach zweijähriger Ausbildungspause den ersten Lehrgang junger Nachwuchsoffiziere in London verabschiedet. Dort wurden die Kadetten von einem deutschen Flottenverband aufgenommen.

* Aus: neues deutschland, Samstag, 11. Mai 2013

Die Marine am Hindukusch

Selbst weit entfernt vom Meer, tief im Binnenland Afghanistans sind »Marineschutzkräfte« und Nachrichtentruppen der Deutschen Marine im Einsatz. Gefordert wird die Marine auch beim Abzug der Truppen vom Hindukusch. In gemieteten Großraumflugzeugen werden Abertausende Bundeswehr-Fahrzeuge und -Container in die türkische Hafenstadt Trabzon geflogen. Von dort wird das Material aus Kostengründen per Frachter und Fähre nach Deutschland transportiert. Da die Deutsche Marine für den »strategischen Seetransport« keine eigenen Schiffe unterhält, hat die Bundesregierung mit Dänemark bis 2021 das Abkommen ARK (»Arche«) geschlossen. Spediteur ist demnach die dänische Reederei DFDS. Davon profitiert auch die Volkswerft in Stralsund. Obwohl die Werft mitten in der Insolvenz steckt, können Hunderte Schiffbauer an zwei Mehrzeck-Transportern für die dänische Reederei weiterarbeiten: Die Neubauten werden speziell für den Transport schwerer Fahrzeuge und Panzer der Bundeswehr ausgestattet. (hape)




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