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Krieg als Kinderspiel

Feuer frei auf "Klein-Mitrovica": Rekrutierungsmethoden der Bundeswehr immer makabrer. Verteidigungsminister bei Trauerfeier in Hannover mit Durchhalteparolen

Von Frank Brendle *

Während in Afghanistan die »Gefallenen«-Raten steigen, schickt die Bundeswehr hierzulande jetzt Kinder aufs Schlachtfeld – wenn auch nur »zum Spaß«. Neue Wege der Öffentlichkeitsarbeit probierten die bayerischen Gebirgsjäger beim Tag der offenen Tür ihrer Kaserne in Bad Reichenhall aus. Im Rahmen des »Kinderprogramms« wurde den Kleinen Gelegenheit gegeben, unter ein Tarnnetz zu krabbeln und ausgestattet mit Waffenattrappen eine Miniaturstadt ins Visier zu nehmen– ganz wie die großen Heckenschützen. In der Szenerie, die der von Miniatureisenbahnlandschaften ähnelt, wiesen die Gebäude Beschädigungen durch Beschuß und Brände auf.

Auf den Vorfall, der vom vergangenen Wochenende datiert, machte am Freitag (3. Juni) das antifaschistische »Rabatz«-Bündnis aufmerksam. Die auf seinen Fotos abgebildeten Kinder sind dem Anschein nach nicht älter als zehn Jahre. Ein besonderes Händchen hatten die – erwachsenen– Soldaten bei der Benennung des Miniaturstädtchens: »Klein-Mitrovica«. Das richtige Mitrovica in Serbien war schon 1943 von Bad Reichenhaller Gebirgsjägern heimgesucht worden, die dort zur »Partisanenbekämpfung« eingesetzt waren. 1942 meldete die SS den Bau eines Internierungslagers »nach dem Muster der deutschen Konzentrationslager«, in das »Partisanenverdächtige« eingesperrt werden sollten.

Auch in der jüngsten Vergangenheit machte die Stadt im Norden der Provinz Kosovo unselige Erfahrungen mit ausländischen Militärs: Unter den Augen westlicher KFOR-Truppen führte im Herbst 1999 ein kosovo-albanischer Mob ein Pogrom im Roma-Viertel der Stadt durch. Dabei waren rund 1000 Häuser zerstört und 8000 Roma vertrieben worden. Indem die Bundeswehr nun versuche, »schon kleinen Kindern Spaß an Waffen und militärischer Gewalt zu vermitteln«, sieht das »Rabatz«-Bündnis eine »widerwärtige Verhöhnung der Opfer«. Monty Schädel von der Deutschen Friedensgesellschaft sprach gegenüber jW von einer »unglaublichen Verharmlosung von Krieg und einem regelrechten Mißbrauch von Kindern«. Ein Sprecher der Kinderschutzorganisation Terre des hommes nannte das Vorgehen der Bundeswehr »geschmacklos«. Es sei wohl zu befürchten, »daß bei der Nachwuchswerbung die letzte Hemmschwelle fällt«. Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Ulla Jelp­ke, sprach von einer »schier unglaublichen Geschichtsvergessenheit«.

Immerhin ist die Bundeswehr ehrlich genug, das Kinderprogramm nicht mit Brunnenbohren, dem Bau von Mädchenschulen oder dem Schutz von Menschenrechten aufzuladen und den Jüngsten einzureden, es gehe beim Dienen für Deutschland um Humanitäres. Was in der Bad Reichenhaller Szenerie allerdings fehlt, ist Blut. Das läßt die Bundeswehr in Afghanistan reichlich fließen, und anders als im Kinderprogramm wird dabei auch zurückgeschossen. Die Folge sind dann Trauerfeiern wie die am Freitag (3. Juni) in Hannover für drei vorige Woche am Hindukusch getötete Soldaten. Die großen Kirchen gaben Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) die Gelegenheit, den Gottesdienst zum Durchhalteappell zu nutzen: Er könne Zweifel verstehen, aber die müßten überwunden werden, wenn man vom Endziel überzeugt sei. »Und das sind wir«, versicherte der Minister. Nächste Woche steht schon die nächste Trauerfeier an, für den am Himmelfahrtstag zu Tode gekommenen deutschen Soldaten in Afghanistan.

* Aus: junge Welt, 4. Juni 2011


Feuer auf Mitrovica

Von René Heilig **

Unlängst beim Tag der offenen Tür in der General-Konrad-Kaserne Bad Reichenhall. Die Bundeswehr lud auch zum »Kinderprogramm« ein. Aufgebaut waren Mini-Häuser, die Kleinen durften hineinballern. Damit alles lebensecht wirkt, war das Ortsschild »Klein Mitrovica, Kreis Zwickau« aufgestellt worden. Das allein wäre schon makaber genug. Leser werben Leser

Doch bei dem »Ausrutscher« in Sachen Nachwuchsgewinnung handelt es sich nicht um die politische Instinktlosigkeit minderbemittelter Rekruten-Schinder. Nicht bei d e r Truppe, nicht an d e m Ort. Am Tor des Gebirgsjäger-Standorts ist seit dem 13. Juni 1966 zu lesen: »General-Konrad-Kaserne«. In einer Festschrift zum 25. Jubiläum des dortigen Gebirgsjäger-Bataillons steht geschrieben: »Mit der Namensgebung wurde ein Mann geehrt, der hervorragend die Tugenden in seiner Person vereinigte, die den soldatischen Führer ausmachen: Hoher Persönlichkeitswert, umfassender Geist, militärisches Können und tiefe Menschlichkeit.«

Warum hat man den Wehrmacht-General Konrad nicht direkt zitiert? Beispielsweise mit dem Satz: »Dem Führer und seinem Werk gehört unsere ganze Hingabe.« Konrad, der Partisanenjäger, war so dankbar, dass Hitler »das Eindringen der bolschewistischen Horden nach Europa ... blitzschnell zu parieren« verstand. Denn: »Die Juden sind unser Unglück.« Die Bundesregierung, bereits Wochen vor dem Kinderfest-Geballer auf das »Vorbild« Konrad angesprochen, behauptete, dass die Diskussion um den Namensgeber auch am Standort Bad Reichenhall geführt wird. »Bewusst beteiligen sich die dortigen Soldatinnen und Soldaten an diesem Prozess.« Man merkt es – »Feuer frei!« auf Mitrovica ...

** Aus: Neues Deutschland, 7. Juni 2011 (Kommentar)


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