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Bundeshaushalt 2009: Mehr Geld für's Militär

Ein Artikel und eine Haushaltsrede im Deutschen Bundestag zum Einzelplan 14 von Paul Schäfer

Den ungebremsten Anstieg des Verteidigungshaushalts hat Paul Schäfer, verteidigungspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE, kritisiert. In seiner Bundestagsrede zum Haushaltsentwurf 2009 stellte Schäfer fest: "Es kann nicht oft genug gesagt werden: Wer hochrüstet, entzieht der Wirtschaft und der Gesellschaft Ressourcen, Finanzen und Arbeitskraft." Statt den Haushalt weiter zum "Kriegsertüchtigungsetat" umzubauen, solle die Regierung auf Abrüstung setzen und die Einsparungen für "soziale und entwicklungspolitische Zwecke" verwenden.
Lesen Sie zum militärpolitischen Teil der Haushaltsdebatte einen Artikel von Frank Brendle sowie die erwähnte Rede des Abgeordneten Paul Schäfer.



Geld für die Kriegskasse

Rüstungsausgaben auf Rekordniveau. Linksfraktion legt Kürzungsliste vor: Verzicht auf Neubeschaffungen würde 25 Milliarden Euro sparen

Von Frank Brendle *

Die Ausgaben für die Bundeswehr steigen im kommenden Jahr auf 31,1 Milliarden Euro. Das sieht der Haushaltsplan vor, über den heute im Bundestag debattiert wird. In diesem Jahr waren es 29,4 Milliarden. Für die realen Kriegsausgaben müssen noch Posten aus anderen Haushaltstiteln hinzugerechnet werden, was offiziell unter »NATO-Kriterien« verbucht wird. Somit werden im nächsten Jahr sogar 33,5 Milliarden Euro Gesamt-Militärausgaben ausgegeben.

Der Löwenanteil fällt für Betriebs- und Personalkosten in Höhe von 17,6 Milliarden Euro an, wo sich Tariferhöhungen auswirken, und für den sogenannten verteidigungsinvestiven Bereich, der um 540 Millionen Euro auf 7,5 Milliarden steigt. Davon sind allein für die Neubeschaffung von Rüstungsgütern 5,3 Milliarden vorgesehen. Vor zwei Jahren waren für Beschaffungskosten »nur« vier Milliarden angesetzt.

Erhebliche Steigerungen dürfte es bei den Kosten für Auslandseinsätze geben. Zwar sind für 2009 noch keine Detailzahlen prognostiziert, die Ausgaben des Vorjahres in Höhe von 911 Millionen Euro dürften aber übertroffen werden, wenn das Afghanistan-Kontingent wie vom Verteidigungsministerium gefordert um 1000 Soldaten erhöht wird und möglicherweise AWACS-Aufklärer an den Hindukusch entsandt werden.

»Der unter der Vorgängerregierung begonnene Kurs der Auf- und Umrüstung der Bundeswehr für Auslandseinsätze wird kompromißlos fortgesetzt, daran läßt die Bundesregierung keinen Zweifel«, kommentierte die Verteidigungsexpertin der Partei Die Linke Inge Höger am Dienstag den Haushaltsplan. Ihre Fraktion werde im Bundestag umfangreiche Kürzungsvorschläge einbringen.

Potential dafür sieht Die Linke vor allem in der langfristigen Beschaffungsplanung. Derzeit sind nach einer Übersicht der Fraktion über 25 größere Rüstungseinkäufe geplant. Höger fordert, auf diese Projekte zu verzichten bzw. die Auslieferungen sofort zu stoppen. So ließen sich etliche Milliarden sparen: Der Verzicht auf die Anschaffung von 405 Schützenpanzern Puma würde mit 3,7 Milliarden Euro, der Stopp beim Eurofighter mit 6,7 Milliarden zu Buche schlagen. Unterm Strich könnten im kommenden Jahr 4,3 Milliarden Euro gespart werden, langfristig sogar über 25 Milliarden. Die Voraussetzung dafür wäre allerdings, daß der Umbau der Bundeswehr zur weltweiten Interventionsarmee gestoppt würde.

Bis zum Jahr 2012 sollen die Militärausgaben auf dem jetzigen Niveau bleiben. Das sieht zumindest die mittelfristige Finanzplanung vor. Die wird allerdings von Jahr zu Jahr neu aufgelegt -- und ebenfalls erhöht. So hatte der Finanzplan 2007 noch als »mittelfristiges« Ziel Ausgaben von 29,5 Milliarden Euro vorgesehen. Die Bundeswehr übertrifft beim Geldausgeben also ihre eigenen Pläne. Angesichts der Gesamtkosten für die großambitionierten Rüstungsprojekte ist das auch kein Wunder: Zwischen 50 und 80 Milliarden Euro kosten sämtliche derzeit geplanten Neubeschaffungen. Das ist ein Vielfaches dessen, was real zur Verfügung steht. Die Folge sind langfristige »Verpflichtungsermächtigungen«, die den Spielraum für kommende Haushaltsdebatten praktisch auf Null reduzieren. Derzeit sind das über 60 Milliarden Euro für die nächsten Jahre fest gebunden. Die Wirtschaft freut sich, da die meisten Verträge so industriefreundlich gehalten sind, daß weitere Kostensteigerungen programmiert sind. Auch die Privatisierung von Dienstleistungen ist profitträchtig: 1,5 Milliarden Euro sind 2009 für Betreiberverträge vorgesehen.

* Aus: junge Welt, 17. September 2008


Dokumentiert: Haushaltsrede von Paul Schäfer **

Kriegsertüchtigungsetat ist nicht hinnehmbar

Rede in der Plenardebatte am 17. September 2008

Herr Präsident!
Meine Damen und Herren!

In einem Punkt hat die Bundesregierung recht: Der Verteidigungshaushalt wird immer mehr zu einem Einsatzhaushalt. Aber lassen Sie uns von dem Schönsprech weggehen und Klartext reden. Denn Einsatz klingt ein wenig nach bürgerschaftlichem Engagement, aber hier geht es nicht zuletzt um die Herstellung von Kriegsführungsfähigkeiten, und diese sollen gegebenenfalls - Stichwort: Armee im Einsatz - auch eingesetzt werden.

Wofür sonst wollen Sie in der Wittstocker Heide Bomben abwerfen lassen? Wofür sonst stellen sie in Kalkar ein Hauptquartier für Luftkriegsoperationen auf, das weltweit verlegt werden kann? Und wofür sonst lassen Sie in Manching den Eurofighter bauen? Man sollte weniger vom Einsatzhaushalt und noch weniger vom Verteidigungshaushalt reden, sondern vielmehr von einem Kriegsertüchtigungsetat.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Genau aus dem Grund lehnt Die Linke diesen Etat ab.

Kriegsführungsfähigkeit ist teuer. Nach NATO-Kriterien geben wir jetzt 33,5 Milliarden Euro dafür aus. Es kann nicht oft genug gesagt werden: Wer hochrüstet, entzieht der Wirtschaft und der Gesellschaft Ressourcen, Finanzen und Arbeitskraft. Das sind 33,5 Milliarden Euro, die woanders sinnvoller eingesetzt werden können.

(Johannes Kahrs (SPD): Das kennen Sie alles noch aus der DDR!)

Wir müssen diese Ausgaben senken, statt sie immer weiter nach oben zu treiben.

Frieden schaffen mit immer weniger Waffen - das hat einmal ein CDU-Bundeskanzler gesagt.

(Johannes Kahrs (SPD): Das hat die DDR ja vorgemacht!)

Aber Sie machen genau das Gegenteil. Die Große Koalition hat den Rüstungshaushalt seit 2006 um insgesamt 3,2 Milliarden Euro erhöht, und in den nächsten Jahren soll es weiter nach oben gehen. Allein dieser Haushaltsplan weist eine Steigerung von 1,6 Milliarden Euro auf. Der größte Teil davon fließt in die investiven Ausgaben. Das sind vor allem die militärischen Beschaffungen.

33,5 Milliarden Euro für die Rüstung sind keine gute Investition in die Zukunft, nicht zuletzt deshalb, weil mit der langfristigen Verpfändung der Steuergelder die Möglichkeiten künftiger Haushaltsgestaltung stark eingeengt werden. Die Verpflichtungsermächtigungen steigen in diesem Haushalt wieder um knapp 10 Milliarden Euro. Für die Zeit ab 2010 sind damit bereits 56 Milliarden Euro festgelegt, über die der künftige Bundestag gar nicht mehr entscheiden kann. Das ist einfach nicht hinnehmbar.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Ich hänge nicht der naiven Vorstellung an, man könne von einem Tag auf den anderen von einem Topf in den anderen verschieben. Aber es ist trotzdem hilfreich, sich einfach einmal klarzumachen, wo wir Prioritäten setzen oder wie Prioritäten anders gesetzt werden müssten. Wir fordern zum Beispiel, die Kinderbetreuung flächendeckend auszubauen; das fordern andere Fraktionen auch. Die geschätzten Kosten dafür betragen 9 Milliarden Euro. Allen Kindern in der Schule eine warme Mahlzeit zu ermöglichen, wird mit Kosten in Höhe von 4 Milliarden Euro veranschlagt. Die Kosten für die Anhebung des Hartz-IV-Regelsatzes auf 435 Euro werden auf 9 Milliarden Euro geschätzt. Diese drei Maßnahmen wären mit der Summe des Wehretats locker zu finanzieren. Und Sie hätten noch mehr als genug übrig, um die Summe für den zivilen Teil der Afghanistan-Hilfe zu verdreifachen.

(Widerspruch bei der SPD)

- Ja, das wäre drin.

Ich sage noch einmal, dass ich nicht der Vorstellung anhänge, man könne von einem Tag auf den anderen umschichten. Aber wir müssen doch endlich einmal anfangen, die Prioritäten neu zu setzen und von den hohen Rüstungsausgaben herunterzukommen.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Ich weiß, dass der Einwand kommen wird, dass Sicherheit ein teures Gut ist. Die Frage ist aber, ob der Preis stimmt. Worum geht es denn, wenn heute von Sicherheit die Rede ist? Drei Dinge werden genannt: Schutz vor militärischer Gewalt, Sicherung unserer Energieversorgung, Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor terroristischen Anschlägen.

Der erste Punkt führt zu der Frage, ob wir in absehbarer Zeit militärisch bedroht sind. Nein, das sind wir nicht, und niemand hier wird das ernsthaft behaupten. Trotzdem wurden während des Krieges in der Kaukasus-Region Versuche unternommen, eine solche Wahrnehmung zu erzeugen. Aber sehen wir die Sache nüchtern. Weder die Balten noch die Polen sind durch Russland militärisch bedroht. Russland hat heute weder die Fähigkeiten noch im Geringsten die Absicht, diese Länder anzugreifen und zu besetzen. Das gilt für Deutschland erst recht.

Richtig ist allerdings, dass die Russen sich dank Erdöl und Erdgas wieder als starke Macht sehen, und sie wollen den Zustand permanenter Demütigung nicht länger akzeptieren. Es geht jetzt mitnichten darum, sich die Interessen Moskaus zu eigen zu machen oder sich ihnen gar zu unterwerfen. Von uns steht niemand auf der Gazprom-Gehaltsliste.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Aber man muss schlicht zur Kenntnis nehmen, dass europäische Sicherheit nur mit Russland zu haben ist. In besseren Zeiten ist gerne von einer strategischen Partnerschaft mit Russland gesprochen worden. Mir würde eine ehrliche Partnerschaft schon genügen. Denn dann würde man darauf verzichten, neue Raketen in Polen zu stationieren, dann würde man darauf verzichten, rund um Russland Militärbasen der NATO aufzubauen, und dann würde man darauf verzichten, die NATO bis nach Zentralasien auszudehnen. Dann würde sich auch das Thema neue Angst vor Russland zumindest tendenziell erledigen. Grund zur Hochrüstung ist das jedenfalls nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Zum Zweiten: Dass wir es mit wachsenden Ressourcenkonflikten zu tun haben, spricht sich herum. Der Kaukasus und Zentralasien sind dafür Beispiele. Es stimmt, wir haben eine wachsende Konkurrenz um die zur Neige gehenden fossilen Brennstoffe, und es gibt einen Wettlauf um den Zugang zu den sogenannten strategischen Rohstoffen. Dieser reicht von der Arktis über den Nahen Osten bis ins südliche Afrika. Aber allein die Vorstellung, man könne Erdölquellen, Pipelines und Schifffahrtsrouten mit militärischer Gewalt dauerhaft absichern, ist schlicht abwegig. Es geht um ökologisches Umsteuern in der Energiepolitik, um eine gerechtere internationale Wirtschaftspolitik. Es geht also um zivile Antworten auf das Ressourcenproblem, nicht um militärische.

(Beifall bei der LINKEN)

Was drittens die Terrorgefahr und den notwendigen Schutz unserer Bürgerinnen und Bürger anbetrifft, so ist bei anderen Gelegenheiten hier schon alles gesagt worden. Man kann dem Terror nicht mit militärischer Gewalt und Gegenterror begegnen. Das nährt ihn, statt ihn auszutrocknen. Der siebenjährige Krieg, der Global War on Terrorism, hat genau dies gezeigt. Dass Gewalteskalation die falsche Antwort ist, zeigt auch und gerade der Schauplatz Afghanistan. Nach sieben Jahren Krieg wird die Sicherheitslage immer prekärer. Selbst dem US-Generalstabschef sind jetzt Zweifel am Erfolg der Mission gekommen. Es ist, wie es ist: Die NATO kann diesen asymmetrischen Krieg ebenso wenig gewinnen wie die Taliban.

Es wird eine wirklich neue Strategie gebraucht. Wir brauchen einen Waffenstillstand, der von den afghanischen Konfliktparteien selbst ausgehandelt werden muss. Da sollten Sie genauer auf die Meinung von circa 3 000 Stammesvertretern - inzwischen sind es sehr viel mehr - vor allem aus den Paschtunengebieten hören, die sich im Mai als afghanische Friedensdschirga konstituiert haben. Diese Friedensversammlung sagt klar: Der afghanische Dialog wird nur zu einem Erfolg geführt werden können, wenn klar ist, dass die auswärtigen Truppen möglichst rasch abziehen. Das ist der Punkt.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos) - Monika Knoche (DIE LINKE): Wie peinlich!)

Die NATO hat nicht nur in Afghanistan gezeigt, dass sie das ungeeignete Instrument für eine gedeihliche Friedensentwicklung in der Welt ist. Diese Debatte werden wir im nächsten Jahr führen. Ich freue mich darauf, und dann wird man sehen, ob es sinnvoll ist, an einer Militärallianz festzuhalten, die zwei Drittel der Weltmilitärausgaben bestreitet und die doch, wie sich jetzt gezeigt hat, dem alten Freund-Feind-Denken verhaftet bleibt. Wir werden darüber streiten, ob man die NATO nicht durch kooperative Sicherheitsstrukturen überwinden muss. Das ist die Position der Linken.

Zum Schluss: Wir fordern erstens, dass sich die Bundeswehr auf den Grundgesetzauftrag konzentrieren soll. Der Militärinterventionismus Out of Area muss beendet werden.

Das bedeutet zweitens, dass dann die neuen U-Boote, Fregatten und Einsatzgruppenversorger oder auch Kampfhubschrauber nicht mehr gebraucht werden. Wir werden in diesem Sinne Einsparvorschläge im Umfang von circa 10 Prozent des Wehretats machen. Diese Einsparungen können für soziale, entwicklungspolitische Zwecke, für den sozialverträglichen Umbau der Streitkräfte und für die soziale Besserstellung gerade der Mannschaften und der Unteroffiziere verwendet werden.

Drittens braucht die Bundesrepublik keine Hand an nuklearen Vernichtungswaffen. Deshalb kann die Tornadostaffel in Büchel außer Dienst gestellt werden.

(Beifall des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Viertens ist die Aufhebung der Wehrpflicht überfällig.

(Johannes Kahrs (SPD): Na, na!)

Sie greift ohne äußere Not in das Leben junger Männer ein - in diesem Fall nur Männer.

(Johannes Kahrs (SPD): Wir brauchen die Wehrpflicht!)

Sie ist sicherheitspolitisch nicht mehr begründbar.

(Johannes Kahrs (SPD): Ständig!)

Fünftens sind die deutschen Truppen aus Afghanistan abzuziehen, und zwar so schnell wie möglich. Es ist in diesem Zusammenhang gut, wenn an diesem Samstag viele Menschen in Berlin und Stuttgart für diese Forderung auf die Straße gehen und demonstrieren.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Quelle: http://www.paulschaefer.info/seite.asp?ID=rede080917


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