Bau von Kriegsschiffen: Großaufträge für Thyssen Krupp und Friedrich Lürssen Werft
Haushaltsausschuss des Bundestags segnet Kauf von vier neuen Fregatten ab - Kosten: 2,27 Mrd Euro - "Schläft die Friedensbewegung?"
Am 20. Juni 2007 hat der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags grünes Licht für den Kauf von vier neuen Kriegsschiffen für die Bundeswehr gegeben. Die Fregatten vom Typ F 125, die von den deutschen Firmen Thyssen Krupp und Friedrich Lürssen Werft gebaut werden, sollen 2,27 Milliarden Euro kosten. Sie werden ab dem Jahr 2014 bis dahin ausgediente Schiffe ersetzen und bei internationalen Missionen zum Einsatz kommen.
Im Folgenden dokumentieren wird zu diesem Vorgang, der wenig Resonanz in den Medien fand, -
eine Erklärung der Opposition (Die Linke),
-
einen Ausschnitt aus der "Berliner Zeitung",
-
eine Presseerklärung des Bremer Friedensforums,
-
einen Kommentar im "Neuen Deutschland"
- sowie
einen Kommentar hierzu aus der Friedensbewegung.
Fregatte 125 versenkt über zwei Milliarden Euro
Zur Zustimmung der Mehrheit des Haushaltsausschusses des Bundestags zur Anschaffung von vier Fregatten der Klasse 125 für mehr als zwei Milliarden Euro erklärt Gesine Lötzsch, stellvertretende Fraktionsvorsitzende und haushaltspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE:
Die vier Fregatten dienen nicht dem Schutz von Nord- und Ostsee, sondern fügen sich ein in ein Konzept, mit dessen Hilfe weltweit und offensiv Macht durchgesetzt werden soll. Dies widerspricht dem Grundgesetz, das als einzige Aufgabe der Bundeswehr die Verteidigung Deutschlands und des Nato-Gebiets vorsieht.
Hier werden über zwei Milliarden Euro versenkt, während die Bundesregierung gleichzeitig die Sozialsysteme an die Wand fährt.
Mit ihrer Zustimmung zur Anschaffung der Fregatten haben sich Koalition und FDP nicht nur gegen DIE LINKE durchgesetzt, sondern sich auch über die Stellungnahme des Bundesrechnungshofes hinweggesetzt. Dieser hatte wegen hoher Vorauszahlungen und enormen Risiken des Geschäfts vom Vertragsabschluss abgeraten.
Vier Fregatten, viele Fragen
(Auszug aus einem Artikel von Daniela Vates)
(...) Der Bundesrechnungshof hat in einem Brief an Haushaltsausschuss, Finanz- und Verteidigungsministerium, der der Berliner Zeitung vorliegt, erhebliche Bedenken gegen die Vertragsausgestaltung deutlich gemacht. Wegen Ungenauigkeiten bei der Beschreibung des Auftrags, wegen umfangreicher Haftungsausschlüsse für die Firmen sowie hoher Vorauszahlungen ergäbe sich für den Bund ein hohes Risiko. Kritisiert wird auch, dass das Verteidigungsministerium zu hohe Preisabweichungen toleriere. Man empfehle, die Risiken zu minimieren und deswegen zunächst "dem Abschluss des Vertrages nicht zuzustimmen". (...)
Das Verteidigungsministerium hat die Vorwürfe des Rechnungshofs in einer Stellungnahme an den Haushaltsausschuss zurückgewiesen. Der Vertrag sei genau genug, die Zulassung geringerer Preisabweichungstoleranzen sei in den Verhandlungen mit den Firmen nicht durchsetzbar gewesen. Die Erstattung von 81 Prozent des Gesamtpreises bereits bei Lieferung des ersten Schiffes erklärt das Ministerium damit, dass zu diesem Zeitpunkt weitere Schiffe im Bau und also auch für diese schon Teil-Leistungen erbracht worden seien. (...)
Aus: Berliner Zeitung, 19.06.2007
Bremer Friedensforum und Bremische Stiftung für Rüstungskonversion
Presseerklärung 21.6.2007
Fregattenauftrag: Kein Grund zur Freude in Bremen
Friedensorganisationen fordern zivile Alternativen
Bremen. Der neue Fregattenauftrag der Bundesmarine, den der
Haushaltsausschuss des Bundestages heute genehmigt hat, stößt auf Kritik des
Bremer Friedensforums und der Bremischen Stiftung für Rüstungskonversion und
Friedensforschung. Von dem Auftrag profitieren die Vegesacker Lürssen-Werft
und der Bremer Spezialisten für Rüstungselektronik, Atlas Elektronik. Auch
der Bundesrechnungshof hat schweres Geschütz ("zu industriefreundlich")
gegen die milliardenteure Beschaffung aufgefahren. Er kritisierte die
Bundeswehr, mit einer "schlampigen Vertragsvorlage" in die entscheidende
Beratung des Haushaltsausschusses des Bundestages gegangen zu sein.
Laut Andrea Kolling von der Bremischen Stiftung für Rüstungskonversion und
Friedensforschung und Ekkehard Lentz vom Bremer Friedensforum verstärkt die
Produktion von vier neuen Fregatten vom Typ F 125 den gefährlichen Kurs der
Bundesregierung, mit militärischen Mitteln die "außenpolitische
Handlungsfähigkeit Deutschlands zu sichern". Mit den Fregatten können nicht
nur fremde Küstenabschnitte und Gewässer überwacht, sondern auch die Küsten
aus 70 Kilometer mit Mehrfach-Raketenwerfern und den berüchtigten
Clusterbomben beschossen und als Killer ausgebildete Einzelkämpfer für
Spezialkommandos in fremden Ländern abgesetzt werden.
Bremer Rüstungsunternehmen stehen nach Ansicht der Friedensorganisationen
"in einer unheilvollen Tradition". Sie produzierten Waffen für zwei
Weltkriege und liefern bis heute Waffen in alle Teile der Welt.
Friedensforum und Stiftung halten die Sicherung von Arbeitsplätzen - wie
jetzt angeblich 500 bei Lürssen und Atlas Elektronik - durch
Rüstungsproduktion für trügerisch. Forcierte Rüstung führt zu erhöhter
Kriegsbereitschaft.
Beide Organisationen erinnern an die verheißungsvollen Anfänge vor 18
Jahren, sowohl in den Betrieben wie in den Reihen der SPD und der Grünen,
Weichen für eine Abkehr von der Rüstungsproduktion zu stellen und sich der
Herstellung von sinnvoller Technik im zivilen Bereich zuzuwenden, die
beispielsweise dem Klimaschutz und der Gewinnung erneuerbarer Energien
dient. Stiftung und Friedensforum haben Bürgermeister Jens Böhrnsen einen
Brief geschrieben und für Bremen eine neue gesellschaftliche Debatte über
Rüstungskonversion und den so genannten "Krieg gegen den Terrorismus"
angemahnt. "Konversion ist technisch und ökonomisch möglich und sinnvoll,
aber es muss politisch gewollt werden. Das wird nur mit Druck derjenigen
möglich sein, die an dauerhaften, nachhaltigen, ökologisch sinnvollen und
sozial nützlichen Arbeitsplätzen interessiert sind: die Beschäftigten einer
Region selber", so Kolling und Lentz.
2,27 Milliarden versenkt
Von Uwe Kalbe
Es ist eine Katastrophe, dass die Friedensbewegung in Deutschland zu einer Marginalie geschrumpft ist. Die sogenannte asymmetrische Bedrohung durch den Terrorismus scheint den Menschen besser verkraftbar zu sein. Bis auf wenige besorgte Enthusiasten hat man sich mit dieser Art von Befriedung eingerichtet. Die Bestimmung der verbliebenen Massenvernichtungswaffen bleibt derweil offen.
So ruft der Segen des Haushaltsausschusses des Bundestages für den Bau von vier Hightech-Fregatten – gegen den Widerstand der Linken und der Grünen – ein ähnliches Echo hervor, wie die Ansiedlung eines Automobilbauers in strukturell schwacher Region. 800 Arbeitsplätze würden durch jenen Auftrag geschaffen, den ThyssenKrupp und die Friedrich Lürssen Werft abgegriffen haben. Als Gipfel des außerparlamentarischen Widerstandes haben nun schon die Bedenken des Bundesrechnungshofes zu gelten, der mangelnde Transparenz, Haftungsausschlüsse für den Auftragnehmer und voreilige Vorauszahlungen kritisierte. Vergeblich. 2,27 Milliarden Euro werden auf diesem Wege versenkt. Mitte des nächsten Jahrzehnts, wenn die Schmuckstücke ausgeliefert werden, wird wohl deutlicher zu erkennen sein, dass die »friedensstabilisierenden« Maßnahmen, für die sie gedacht sind, klare Sieger und Verlierer haben. Auch im eigenen Land. Wenn nicht noch großes Erwachen, zum Beispiel der Friedensbewegung, einsetzt.
Aus: Neues Deutschland, 22. Juni 2007 (Kommentar)
Mediendemokratie
"Es ist eine Katastrophe, dass die Friedensbewegung in Deutschland zu einer Marginalie geschrumpft ist", schreibt Uwe Kalbe in einem Kommentar und meint damit den ausbleibenden Protest der Friedensbewegung gegen die Anschaffung von vier Fregatten der Bundeswehr im Wert von über 2 Mrd. Euro. Nun verkennt der Kommentator gleich dreierlei: den Charakter der Friedensbewegung, die Leidensfähigkeit der Bevölkerung und die Macht der Medien.
Die Friedensbewegung kann nicht aus jeder Sauerei, die in Berlin beschlossen wird, einen öffentlichen Skandal machen. Jedenfalls solange nicht, als diese Sauerei in der Bevölkerung nicht auch als Problem wahrgenommen zu werden beginnt. Die Medienberichterstattung tut ein übriges, um eine solche Wahrnehmung zu verhindern: Der Beschluss des Haushaltsausschusses, 2,27 Mrd. EUR für neue Rüstungsbeschaffungsmaßnahmen frei zu geben, war den meisten Zeitungen, Rundfunk- und Fernsehanstalten keine Meldung, geschweige denn einen Kommentar wert. Das ND bildet da eine der wenigen positiven Ausnahmen.
Die Friedensbewegung, die mitnichten "schläft", wie Kalbe ihr unterstellt, hat selbstverständlich zu den Fregatten Stellung bezogen (z.B. in einer Erklärung des Bremer Friedensforums). Nur hat sich diese Erklärung wiederum nicht in der veröffentlichten Meinung niedergeschlagen.
Herr Kalbe muss folgenden Funktionsmechanismus des Mediengeschehens hier zu Lande zur Kenntnis nehmen: Außerparlamentarische oppositionelle Meinungen finden erst dann Resonanz, wenn sie von Tausenden und Abertausenden auf der Straße lauthals unterstützt werden. Das Dilemma für die Bewegung besteht darin, dass sie die Medien aber auch braucht, um die Menschen zu informieren, bevor sie bereit sind auf die Straße zu gehen. Keine ausweglose, aber eine sehr unkomfortable Situation.
Dr. Peter Strutynski
Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag
24. Juni 2007
Zurück zur Bundeswehr-Seite
Zur Seite "Rüstung, Rüstungsproduktion, Rüstungsexport"
Zur Seite "Friedensbewegung und Medien"
Zurück zur Homepage