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"Im Kosovo zählt unser Wort"

Scheitern und Erfolge: Verteidigungsminister bilanziert deutsche Auslandseinsätze

Von Sebastian Carlens *

Deutsche Soldaten sind im Rahmen von aktuell elf Einsätzen in etlichen Ländern der Welt stationiert – knapp 5000 deutsche Uniformträger stehen in Afghanistan, weitere 1 200 im Kosovo. Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) nutzte einen Auftritt auf der Handelsblatt- Konferenz »Sicherheitspolitik und Verteidigungsindustrie«, um am Dienstag in Berlin eine Zwischenbilanz über den Einsatz in verschiedenen Besatzungsgebieten zu ziehen. In »einer Runde von Leuten, die sich alle mehr oder weniger kennen«, so der CDU-Politiker, der in der Anmoderation vom stellvertretenden Handelsblatt- Chefredakteur Michael Inacker bereits als künftiger Bundeskanzler gehandelt wurde, wolle er einen Überblick »über die Einsätze, die es gibt, und die, die vielleicht noch kommen«, geben.

Doch zuerst setzte es Medienschelte. Die Berichterstattung der deutschen Presse sei zu einseitig, bemängelte der Minister: »Die überregionalen Tageszeitungen berichten nur über Sicherheitspolitik, die regionalen Blätter nur über Einzelbeispiele aus der Bundeswehr«. Eine ganze Reihe von Massenmedien beschäftige sich zwar zunehmend insbesondere mit dem Afghanistan- Einsatz der deutschen Truppe, vom »Tatort« bis zur anderthalbjährigen Dokumentation über Kriegsheimkehrer. Das alles sei zwar »sehr bemerkenswert«, doch was fehle, sei »die Verbindung zur Sicherheitspolitik «. Erreicht werden soll vermutlich damit, daß die Bundesbürger, die sich mehrheitlich immer wieder gegen den Militäreinsatz aussprechen, endlich einsehen, daß etwa das Massaker bei Kundus an mehr als 100 Menschen durch höhere staatliche Interessen gerechtfertigt sind. Oberst Klein mit Gastrolle in einer wöchentlichen Sitcom – das fehlt tatsächlich noch.

Im Kosovo, wo die Bundeswehr im Rahmen der »KFOR«-Mission das Hauptkontingent an Truppen stellt, »zählt unser Wort«, konnte sich de Maizière freuen. In der Tat: Die Bundeswehr übernimmt in der einstigen jugoslawischen Provinz quasistaatliche Aufgaben. Das ist zwar eigentlich gar nicht Gegenstand des Entsendeauftrages – aber »die Wahrheit ist immer so und so«. Immerhin sei es ja ein Erfolg, daß so die Sicherheitslage stabilisiert werden konnte.

Die Begrenztheit menschlicher Erkenntnisfähigkeit blieb auch Hauptmotiv bei seiner Betrachtung Afghanistans. Nach den ersten beiden Besuchen dort hätte er das Gefühl eines »tiefen Verständnisses« für Land und Leute gehabt – doch nach dem mittlerweile zehnten Aufenthalt im Krisengebiet seien da »mehr Fragen als Antworten«; genauso, »wie es eben auch einem Ausländer aus Japan oder Amerika« nach einigen Tagen in Deutschland ginge.

Der Verteidigungsminister kann jedoch selbst dort, wo so gut wie alle Beobachter von einem Scheitern des Militäreinsatzes sprechen, gewisse Fortschritte erkennen. Die Kritik an den desolaten Zuständen in der mit westlicher Hilfe aufgebauten afghanischen Armee sei zwar »die Wahrheit«, aber diese Truppe sei »die einzige Institution, die überhaupt annähernd funktioniert « – »auch das ist die Wahrheit«.

Daß rein gar nichts von dem, was zur Begründung des Einmarsches in Afghanistan vorgeschoben wurde, umgesetzt werden konnte – wahrscheinlich ist auch das irgendwie wahr, doch hierzu schweigt sich der Minister aus: Man komme »dort gut voran«; wir »sind da ganz gut unterwegs«. Nein, Deutschland und seine Bundeswehr müßten sich, bei der »Zahl der Soldaten und der Tiefe unserer Einsätze«, international »gar nicht verstecken«. Rüstungsindustrielle und Militärs dankten es ihrem Minister mit langanhaltendem Applaus.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 21. November 2012

Das Buch zum Thema "Auslandseinsätze":

Maybritt Brehm / Christian Koch / Werner Ruf / Peter Strutynski: Armee im Einsatz. 20 Jahre Auslandseinsätze der Bundeswehr
Eine Veröffentlichung der Rosa-Luxemburg-Stiftung; vsa Verlag, Hamburg 2012, 256 Seiten | EUR 16.80; ISBN 978-3-89965-546-9

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