Ehrenkreuz für "herausragende Tapferkeit"
Bundeskanzlerin Merkel und Verteidigungsminister Jung verleihen neue Auszeichnung an vier Unteroffiziere. Artikel, Kommentare
Orden für Krieger
Von Arnold Schölzel *
Neuauflage nach 64 Jahren: Bundeskanzlerin Angela Merkel und
Verteidigungsminister Franz Josef Jung verliehen am Montag (6. Juli) vier
Bundeswehrfeldwebeln das neue Ehrenkreuz. Es erinnert an das Eiserne
Kreuz, das bis 1945 von der faschistischen deutschen Wehrmachtsführung
2,3 Millionen Mal verliehen worden war. Mit dem neuen Orden soll
»besonders tapferes Verhalten bei außergewöhnlicher Gefährdung von Leib
und Leben« gewürdigt werden. Die Ausgezeichneten hätten, so Merkel bei
der
Verleihung im Bundeskanzleramt Berlin, nach einem Selbstmordanschlag
im von NATO-Truppen besetzten Afghanistan unter Lebensgefahr verletzten
Soldaten und Kindern geholfen.
Merkel behauptete bei der feierlichen Zeremonie, der Einsatz der
Soldaten sei ein »Ansporn, nicht nur für Ihre Kameraden, sondern für uns
alle«. Die Regierungschefin verteidigte die Verleihung der
Tapferkeitsmedaille gegen Kritik. »Eine Armee im Einsatz braucht eine
solche Auszeichnung«, erklärte sie. »Unsere Soldatinnen und Soldaten
müssen für ihren Einsatz mehr Anerkennung bekommen.« Sie seien
Botschafter »unseres Landes« und zeichneten im Ausland ein
außerordentlich positives Bild von Deutschland.
Das Ehrenkreuz ist die fünfte Stufe der von der Bundeswehr verliehenen
Auszeichnungen. Bislang gab es vier Ehrenzeichen, die 1980 vom damaligen
Verteidigungsminister Hans Apel (SPD) eingeführt wurden. Sie werden für
treue Dienste und beispielhafte soldatische Pflichterfüllung vergeben.
Jung (CDU) hatte den Entschluß für einen neuen höchsten Orden im Oktober
des vergangenen Jahres mit der gestiegenen Gefahr für Leib und Leben in
den Auslandseinsätzen der Bundeswehr begründet. Bis 1945 war 130 Jahre
lang das Eiserne Kreuz die Tapferkeitsmedaille des Militärs in allen
preußisch-deutschen Angriffskriegen. Nach dem Sieg der
Anti-Hitler-Koalition wurde die Auszeichnung abgeschafft. Bei der gegen
große Widerstände in der Bevölkerung gegründeten Bundeswehr 1956 wagte
keine der beteiligten Nazigrößen, Ehrenzeichen in alter Form
wiedereinzuführen. Weder Staat noch Armee hinderte das, sich auf die
Rechtsnachfolge des Deutschen Reiches und die Tradition der Wehrmacht
stets zu berufen. Insofern bildet die jetzige Verleihung den
öffentlichen Ausdruck eines seit über 60 Jahren stets gepflegten
Selbstverständnisses westdeutscher bewaffneter Kräfte. 20 Jahre nach
Beseitigung der DDR scheint die Zeit gekommen, Kriegstaten wieder
offiziell zu würdigen.
SPD und CDU lobten die Auszeichnung. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil
nannte es richtig, daß diejenigen, die Mut bewiesen hätten, auch
entsprechend anerkannt würden. Sein CDU-Kollege Ronald Pofalla erklärte,
die Leistungen der Bundeswehr müßten stärker gewürdigt werden; dazu
gehöre auch das geplante Ehrenmal. Die Linke sprach von
»militaristischen Ritualen zur Glorifizierung und Verherrlichung des
Soldatentums«.
Laut Spiegel wurde auf Betreiben von Generalmajor Erhard Bühler, dem
Chef des Einsatzführungsstabes, also des Generalstabes der Bundeswehr,
am 8. April in einem Dokument der NATO für den Krieg der Bundeswehr in
Afghanistan der Satz gestrichen: »Die Anwendung tödlicher Gewalt ist
verboten, solange nicht ein Angriff stattfindet oder unmittelbar
bevorsteht.« Über die damit verbundene Freigabe des Schußwaffengebrauchs
für die Besatzungssoldaten wurde nicht einmal der Verteidigungsausschuß
des Bundestages informiert.
* Aus: junge Welt, 7. Juli 2009
Ehrenkreuz für tapfere Soldaten
Merkel würdigt Einsatz in Afghanistan **
Berlin (AFP/dpa/ND). Erstmals sind Soldaten der Bundeswehr mit dem neuen
Ehrenkreuz für
Tapferkeit ausgezeichnet worden. Die vier Soldaten im Alter zwischen 28
und 33 Jahren erhielten
die Ehrung am Montag (6. Juli) in Berlin aus den Händen von
Bundeskanzlerin Angela Merkel und
Verteidigungsminister Franz Josef Jung (beide CDU).
Merkel würdigte die
Leistung der Männer als
»Beispiel herausragender Tapferkeit«. Zugleich betonte sie, die
Auszeichnung werde stellvertretend
für den Einsatz vieler anderer Bundeswehrsoldaten verliehen. Die
Soldaten hatten nach einem
Selbstmordattentat in Afghanistan im vergangenen Oktober nach den Worten
Merkels unter Einsatz
ihres Lebens alles getan, um das Leben anderer Soldaten sowie
afghanischer Kinder zu retten. Merkel forderte zugleich, die Leistungen
der Bundeswehr insgesamt stärker zu würdigen. »Unsere
Soldaten müssen für ihren Einsatz mehr Anerkennung finden«, sagte sie.
Es werde in Deutschland
auch zu wenig darüber gesprochen, was die Auslandseinsätze den Einzelnen
und ihren Familien
abverlangten.
Mit dem »Ehrenkreuz der Bundeswehr für Tapferkeit« werden erstmals in
der gut 50-jährigen
Geschichte der Bundeswehr Soldaten ausgezeichnet. Nach Angaben der
Bundeswehr werden die
Orden für Einzelleistungen verliehen, »die weit über das erwartete Maß
an Tapferkeit im Rahmen
der Pflichterfüllung hinausgehen«.
Das Ehrenkreuz der Bundeswehr für Tapferkeit ist eine neue Stufe der bisherigen Ehrenzeichen der Bundeswehr: der Ehrenmedaille und dem Ehrenkreuz in Bronze, Silber und Gold. Die Auszeichnung ist für Taten vorgesehen, die weit über das erwartete Maß an Tapferkeit im Rahmen der Pflichterfüllung hinausgehen.
Diese Auszeichnung ist nicht auf den Einsatz beschränkt, Tapferkeit kann auch im Übungs- und Ausbildungsdienst zum Tragen kommen. Erheblich gesteigerte Tapferkeit ist insbesondere anzunehmen, wenn folgende Merkmale erfüllt sind:
-
angstüberwindendes, mutiges Verhalten bei außergewöhnlicher Gefährdung für Leib und Leben mit Standfestigkeit und Geduld, um den militärischen Auftrag zu erfüllen
- herausragendes Führungsverhalten in der konkreten Gefährdungssituation sowie
-
selbständiges, entschlossenes und erfolgreiches Handeln in einer ungewissen Situation.
Quelle: Website der Bundesregierung; www.bundesregierung.de
Der Bundeswehrverband hat die Verleihung von Tapferkeitsmedaillen
verteidigt. »An dem, was
heute stattfindet, gibt es nichts zu kritisieren. Denn das ist längst
überfällig«, sagte Vorsitzender
Ulrich Kirsch. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil nannte es richtig, dass
diejenigen, die Mut
bewiesen hätten, auch entsprechend anerkannt würden. Sein CDU-Kollege
Ronald Pofalla erklärte,
die Leistungen der Bundeswehr müssten stärker gewürdigt werden. Die
LINKE sprach dagegen von
»militaristischen Ritualen zur Glorifizierung und Verherrlichung des
Soldatentums«.
** Aus: Neues Deutschland, 7. Juli 2009
Das Los der Auszeichnung
Von René Heilig ***
Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg erhielten gestern deutsche Soldaten
wieder ein Kreuz. Nicht so eines auf kühlem Grund, davon gab es schon so
einige, seitdem die Bundeswehr in die Welt gezogen ist zur angeblichen
Verteidigung des Vaterlandes. Oder von Menschenrechten. Oder
Bodenschätze, die uns gar nicht gehören. Nein, die Kanzlerin verlieh ein
Kreuz, das fortan an der Uniform von vier Feldwebeln prangt, weil die
Träger ein »besonders tapferes Verhalten bei außergewöhnlicher
Gefährdung von Leib und Leben« bewiesen.
Die Kanzlerin »verlieh«... welch komischer Begriff. Er klingt gerade so,
als habe der Träger die Chance, seinen Stolz zu präsentieren, nur für
einen kurzen Zeitraum erhalten und er das Blech zurückgeben muss, samt
der vermeintlichen Ehre, die man ihm entgegengebracht hat.
So wie Kapitänleutnant Jürgen Trachte (42) Blech zurückgeben muss. Der
hat zwar kein Ehrenkreuz bekommen, aber einen Fiat 500. Für einen Monat.
Der Marineoffizier von der Fregatte »Mecklenburg-Vorpommern« gewann den
kleinen Flitzer durch seine Teilnahme am Kontinuierlichen
Verbesserungsprogramm in der Bundeswehr (KVP). Das Los entschied.
Fast wie in Afghanistan. Dort jedoch greift immer öfter der Sensenmann
in den Lostopf. Der Hauptgewinn lautet dann: Am Leben bleiben.
*** Aus: Neues Deutschland, 7. Juli 2009 (Kommentar)
Zurück zur Bundeswehr-Seite
Zur Afghanistan-Seite
Zurück zur Homepage