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"Zukunft der Bundeswehr"

Eine Kritik von Elmar Schmähling

Unter dem Titel "Per Verfassungsbruch zur Interventionsarmee" veröffentlichte Admiral a. D. Elmar Schmähling am 30. Mai eine längere Stellungnahme zu den Umstrukturierungsabsichten der Bundeswehr in der "jungen welt". Dies ist eine wichtige Äußerung, weil sie - ähnlich wie die Stellungsnahmen aus der Friedensbewegung - zum Kern der Auseinandersetzung um die Zukunft der Bundeswehr vordringt.

Rudolf Scharping hat rasch von seinen Soldaten gelernt: Tarnen und Täuschen. Gemeint sind diesmal nicht die Lügen und Fälschungen, die er vor und während des NATO-Krieges gegen Jugoslawien verbreitete, sondern sein Agieren in Sachen Bundeswehr. Hier hat er es meisterlich verstanden, die eigenen Vorstellungen zur Zukunft der Streitkräfte in einem Wald konkurrierender Reformvorschläge zu verstecken. An mindestens drei Stellen hat er gleichzeitig und getrennt voneinander über die Bundeswehr nachdenken lassen: Erstens in der von ihm selbst vor einem Jahr berufenen Expertenkommission unter Vorsitz von Altbundeskanzler Richard von Weizsäcker, zweitens bei Generalinspekteur Hans-Peter von Kirchbach und drittens bei seinem Vertrauten General Kujat im Planungsstab. In den Fraktionen im Bundestag wurden darüber hinaus eigene Ideen entwickelt. So entstand ein Basar konkurrierender Konzepte und Zahlen. Der gewünschte öffentliche Eindruck: Scharping kann schließlich nicht jedem Vorschlag folgen.

Am Tag der Veröffentlichung der Berichte der Weizsäcker-Kommission und des Generalinspekteurs Hans- Peter von Kirchbach verkündete Scharping mit den druckfrischen Berichten in der Hand und ohne jeglichen Bezug zu den vorgelegten Empfehlungen, die Bundeswehr werde innerhalb der nächsten fünf Jahre um 100 000 Personen kleiner werden. Dabei legt er nicht etwa den gegenwärtigen Ist-, sondern den wesentlich höheren Sollumfang von 460 000 Personen (Soldaten plus zivile Mitarbeiter), zugrunde und verschweigt, daß er die Uniformierten lediglich um rund 10 000 verringern will, das Zivilpersonal aber von 130 000 auf 80 000 abgebaut werden soll.

Für Papierkorb gearbeitet

Scharping hat den früheren Bundespräsidenten, die Kommissionsmitglieder und den Generalinspekteur nur benutzt. Er will gar keine Reform. Mit der Einsetzung der Strukturkommission wollte er Zeit gewinnen, um den Reformdruck nach der Regierungsübernahme ins Leere laufen zu lassen. Scharping will vielmehr seine eigenen, lang gehegten Vorstellungen ohne lange Prüfung und Diskussion in Parlament und Öffentlichkeit durchpeitschen. Seine Bedingungen für die Bundeswehr der Zukunft waren bei seinem Amtsantritt bereits festgezurrt:

1. Keine fühlbare Verkleinerung der Streitkräfte 2. Kein Verzicht auf die Wehrpflicht 3. Keine Auflösung der Strukturen, Verbände, Einheiten und Standorte 4. Deutlicher Ausbau der Kriseneinsatzkräfte 5. Höhere Militärausgaben für die Aufrüstung zur Interventionsarmee.

Das Ende des langen Verwirrspiels: Die Weizsäcker- Kommission hat für den Papierkorb gearbeitet, von Kirchbach ist in den vorzeitigen Ruhestand geschickt, Kujat an seine Stelle getreten, was soviel heißt wie: Eine Reform der Bundeswehr wird es nicht geben.

Gegen das Grundgesetz

Unter der Prämisse, daß der Hauptauftrag der Bundeswehr künftig die Fähigkeit zu Interventionseinsätzen in entfernten Ländern sein soll, euphemistisch »Krisenvorsorge und Krisenbewältigung« genannt, hat die Weizsäcker-Kommission - mit Ausnahme der Wehrpflichtfrage - ein in sich schlüssiges Konzept vorgelegt. Ihr Bericht bestätigt, daß eine militärische Bedrohung des Staatsgebiets der Bundesrepublik nicht besteht. (»Deutschland ist ringsum von Bündnis- und Integrationspartnern umgeben und keiner äußeren Gefährdung seines Territoriums durch Nachbarn ausgesetzt«). In Ermangelung einer militärischen Bedrohung werden ausführlich und gründlich »Risiken und Interessen« beschrieben und analysiert. Dabei übergeht die Kommission aber die verfassungsmäßige Beschränkung deutscher Streitkräfte auf »Verteidigung«. Der Art. 87 a (1) Grundgesetz (GG) lautet: »Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf« und nicht: »Der Bund stellt Streitkräfte zur militärischen Abwehr von Risiken und für die Durchsetzung von Interessen auf«.

So lange das Grundgesetz in diesem Punkt nicht geändert ist, weil es keine Zweidrittelmehrheit in Gesellschaft und Parlament für diese von der Kommission zugrunde gelegte Neubestimmung einer offensiv aggressiven Außen- und Sicherheitspolitik gibt, hat niemand das Recht, Streitkräfte für einen verfassungswidrigen Auftrag umzurüsten. Bei der Formulierung der nationalen Interessen Deutschlands folgt die Kommission den Verteidigungspolitischen Richtlinien vom November 1992. Neu ist allenfalls die Unverblümtheit und Radikalität, mit der die grundgesetzliche Verpflichtung der deutschen Streitkräfte auf Verteidigung ignoriert wird.

Die kollektive Verteidigung im Rahmen der NATO oder WEU/EU, konstitutiver Kern der Verteidigungsallianzen, ist angesichts der fehlenden Bedrohung nur noch eine theoretische Möglichkeit, die von den Interventions- Streitkräften nebenher mit erledigt werden soll. Nach dem Motto: Die Verteidigung ist schon drin.

Die Weizsäcker-Kommission hält sich nicht lange bei der Frage auf, wie die von der Bundeswehr zu leistende »Krisenvorsorge und Krisenbewältigung« konkret aussehen soll. Vage heißt es im Bericht: »Die Bundeswehr fungiert als militärische Rückversicherung für den Fall, daß Gefahren sich in der Zukunft einstellen. Sie unterstützt die Diplomatie, wenn zentrale Interessen auf dem Spiel stehen. Sie läßt sich gegebenenfalls als Instrument zum Schutz oder zur Wiederherstellung internationaler Ordnung und Rechtssicherheit einsetzen, wenn diese mit militärischen Mitteln in Frage gestellt werden.« Außerdem soll sie »Demokratie fördern und humanitären Interessen zum Durchbruch verhelfen«. Wie Militär solche Aufgaben meistert - nämlich mit Krieg und Besatzungsregime - zeigt die »humanitäre Intervention« der NATO in Jugoslawien.

»Moderne Streitkräfte«

Militärorganisationen, wie sie heute überall auf der Welt unterhalten werden, sind auf maximale Waffenwirkung im Ziel ausgerichtet. Die gewollte Wirkung ist Töten von Soldaten (unter Verletzung des humanitären Völkerrechts immer stärker auch von Zivilpersonen) und Zerstören von Sachen. Bloße Verwundung von Soldaten würde diese nur vorübergehend aus dem Gefecht ziehen. Bloße Beschädigung von angeblich kriegswichtigen Anlagen könnte deren weitere Nutzung durch den Feind ermöglichen. Insofern sind Streitkräfte für den dosierten, abgestuften und verhältnismäßigen Gebrauch physischer Gewalt nicht geeignet. Dennoch unterstellt die vorgesehene Umwandlung der Bundeswehr und die offizielle Neuausrichtung der NATO- und WEU-Streitkräfte auf »Krisen- und Konfliktbewältigung«, daß diese bei der Vorbeugung, Eindämmung und Beendigung oder gar Auflösung von Krisen und Konflikten eine positive Rolle spielen könnten. Ohne weitere Begründung werden Kriseneinsatzszenarien postuliert (»Fähigkeit zur gleichzeitigen und zeitlich unbefristeten Beteiligung an bis zu zwei Kriseneinsätzen«) und diesen Land-, Luft- und Seestreitkräftekontingente zugeordnet. Das ist plötzlich da, wie das berühmte Karnickel aus dem Zylinder.

Die zentrale Schwäche des Kommissionsberichts besteht darin, daß er keinen erkennbaren qualitativen und quantitativen Sach- und Fachzusammenhang zwischen den beschriebenen Risiken und Interessen einerseits und dem konkreten Bedarf an Streitkräftefähigkeiten andererseits herstellt. In diesem Punkt unterscheidet sich das Weizsäcker-Papier auch nicht von den Vorschlägen der Bundestagsfraktionen, außer denen der PDS.

»Gemeinsame Sicherheit in Europa ist Kernstück der Sicherheit Deutschlands.« So steht es im Kommissionsbericht. Sicherheitspolitischen Flurschaden richtet die Kommission damit an, daß sie mit ihrer Konzentration auf künftige Interventionseinsätze dem westlichen Trend der Interessenabsicherung mit militärischer Gewalt folgt. Sie übernimmt das von Egon Bahr und Olof Palme 1983 in den Ost-West-Dialog eingeführte Prinzip der »Gemeinsamen Sicherheit« und füllt es mit einem anderen Inhalt.

»Gemeinsame Sicherheit« als Umschreibung für »freundwärts dichter«, für gemeinsame Einseitigkeit beim Wir gegen die Anderen, beim Schließen der europäischen Reihen und Erhöhen der Mauern um die europäische Wohlstandsinsel. Diese »gemeinsame Sicherheit« spaltet, provoziert neues Mißtrauen, neue Bedrohungsängste, neue Konfrontation. »Störungen sind am ehesten bei der Lieferung von Erdöl vorstellbar, da die Hälfte der Weltproduktion und 60 Prozent der heute bekannten Ölvorkommen in der geopolitischen Turbulenzzone« liegen. Damit brauchen die Bewohner der »Turbulenzzone« nicht lange zu rätseln, für wen die neuen Fähigkeiten der Bundeswehr für entfernte militärische Einsätze gebraucht werden. Sie werden sich darauf einrichten. »Stabile internationale Beziehungen und gefestigte innergesellschaftliche Strukturen sind Voraussetzungen dauerhafter Sicherheit.« »Sicherheitsvorsorge bedeutet deshalb auch, eine Entwicklungspolitik zu treiben, die Konflikten vorbeugt, indem sie dem Übel dort entgegenwirkt, wo es entsteht. In diesem Sinne ist alle Entwicklungspolitik zugleich Sicherheitspolitik. Deswegen darf auf diesem Felde der Rotstift ebensowenig Regie führen wie auf anderen Feldern der Außen-und Sicherheitspolitik.« Diese Weitsicht bleibt folgenlos. Wie die Verfasser der Verteidigungspolitischen Richtlinien 1992 ziehen die Kommissionäre auch im Jahr 2000 keine politischen Folgerungen aus solchen wohlfeilen Erkenntnissen.

Sparen kostet

Hätte die Kommission ihr Postulat »gemeinsamer Sicherheit« ernst genommen, hätte sie die Streitkräfte der Bündnispartner und ihre Militärausgaben zusammen betrachten und ins Verhältnis zu den neuen Aufgaben setzen müssen. Den honorigen Kommissionsmitgliedern wäre dann bestimmt nicht entgangen, daß die NATO-Staaten mit über 400 Milliarden US-Dollar (dabei sind die Ausgaben der USA nur zu 50 Prozent enthalten) jährlich etwa 22mal soviel Geld für Rüstung und Militär ausgeben wie alle NATO-Anrainerstaaten (einschließlich der »Turbulenzzone«) zusammen.

Unter diesen Bedingungen den Steuerzahlern noch mehr Geld abpressen zu wollen ist unverschämt. Das Verschweigen dieser Zahlen und Zusammenhänge entlarvt: »Gemeinsame Sicherheit« ist ein hohles Schlagwort. Jeder sorgt auch künftig für seine eigene Rüstungslobby. Und: Die Deutschen sollen für »nationale Interessen« auch alleine losmarschieren können. Der immer wieder zu lesende Vorschlag, die Militärausgaben völlig von jeder politischen und militärischen Bedarfsanalyse loszulösen und einen festen Prozentsatz, z. B. bis zwei Prozent des Bruttosozialprodukts für Militär auszugeben, ist besonders dreist. Das wäre ein dem Steuerzahler auferlegter Tribut und eine Daueralimentierung von Rüstungskonzernen und Militärs.

Zwangsdienst Wehrdienst

Dem »Verein der Wehrpflichtfreunde« hat die Strukturkommission eine besondere Freude gemacht. Sie hat den Argumenten für die Wehrpflicht eine anscheinend sachliche Begründung nachgeliefert: Die allgemeine Wehrpflicht habe eine friedenspolitische Funktion. Vielleicht nicht heute, wo uns keiner bedroht, und wohl auch nicht in den nächsten zehn Jahren. Aber vorausgesetzt, die Bedrohungslage für die Bundesrepublik verschlechtert sich einmal, dann könnte - innerhalb einer Krise - die Wiedereinführung der Wehrpflicht eskalierend wirken. Wenn es der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik innerhalb der nächsten zehn Jahre nicht gelingt, Frieden in Großeuropa dauerhaft und Krieg unmöglich zu machen, dann gnade uns Gott. Dann hilft auch keine Wehrpflicht mehr.

Die Mehrheit der Kommission ist mit ihrem ominösen Vorschlag der »Auswahlwehrpflicht« gegenüber dem Festhalten am grundgesetzwidrigen Zwang des Kriegsdienstes eingeknickt: Wehrdienstleistende sind nur potentielle Zeitsoldatenaspiranten. Der Wehrdienst ist nur noch eine mehrmonatige Kasernierung junger Männer, um diese so lange zu bearbeiten, bis einige freiwillig für ein paar Jahre unterschreiben. (Die Franzosen schaffen das an einem Tag). Und: Der permanente Sozialnotstand in Deutschland soll auch künftig mit billigen Zivis zugekleistert werden.

Eine sachgerechte Reform der Bundeswehr ist undenkbar ohne eine Reform der gesamten Außen- und Sicherheitspolitik. Zudem muß sich die längst überfällige Reform der Bundeswehr an tatsächlichen, nicht an behaupteten Bedingungen orientieren. Sowohl die Weizsäcker-Kommission als auch der abgesetzte Generalinspekteur beziehen sich auf internationale Verpflichtungen, ohne diese im einzelnen zu benennen.

Gegenüber den UN verpflichten sich die Mitgliedstaaten, auf Ersuchen des Sicherheitsrats Streitkräfte zur Verfügung zu stellen. Welchen Umfang und welche Fähigkeiten diese Streitkräfte haben, und zu welchem Zeitpunkt sie bereitgestellt werden sollen, hängt aber von Sonderabkommen ab. Solche Sonderabkommen sind mit der Bundesrepublik niemals geschlossen worden. Aber auch im Falle eines Sonderabkommens könnte die BRD dem Sicherheitsrat nur mit militärischen Dienstleistungen dienen, die ihre Verfassung hergibt. Für militärische Einsätze ist das ausschließlich die Verteidigung. D. h., die Bundeswehr darf an »Einsätzen zur Friedenserzwingung« (peace enforcement) nicht beteiligt werden. Daran ändert auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Juni 1994 nichts. Die Verfassungsrichter haben den Art. 87a GG mit der Beschränkung deutscher Streitkräfte auf Verteidigung nicht außer Kraft gesetzt, was sie auch gar nicht gekonnt hätten. Sie haben nicht von allen Einsätzen gesprochen, die »im Rahmen und nach den Regeln dieses Systems stattfinden«, sondern ausdrücklich den Bezug zu Art. 87a GG hergestellt. Die damalige Bundesregierung hat den Spruch des Bundesverfassungsgerichts bewußt falsch im Sinne des gewünschten politischen Ziels, nämlich als Freibrief für alle denkbaren militärischen Einsätze deutscher Streitkräfte, ausgelegt. Die rot-grünen Opportunisten haben das übernommen.

NATO und WEU

Die BRD hat sich gegenüber den NATO-Partnern zur Beistandsleistung im Falle eines Angriffs auf das Territorium eines Mitgliedslandes verpflichtet. Dieser Beistand kann auch mit militärischen Mitteln zur »Selbstverteidigung« eines oder mehrerer Partnerländer geleistet werden. Eine vertragliche Verpflichtung, einen nach Art, Umfang, Zeitpunkt und Ort ganz bestimmten militärischen Beistand zu leisten, besteht nicht. Folglich sind konjunkturelle Hinweise auf Bündnisverpflichtungen - etwa, bestimmte militärische Fähigkeiten aufzubauen und zu unterhalten oder einen bestimmten Friedens- oder Verteidigungsumfang der Bundeswehr zu organisieren - reine Zweckbehauptungen. Wenn die BRD Streitkräfte zur Landes- und Bündnisverteidigung unterhält, erfüllt sie ihre Bündnisverpflichtung.

Die angeblichen Verpflichtungen aus dem »neuen strategischen Konzept« der NATO, die über den Selbstverteidigungsrahmen des Nordatlantikvertrags hinausgehen, sind für Deutschland aus dreierlei Gründen rechtlich und politisch irrelevant:

1. Nicht unter Art. 5 des Nordatlantikvertrages (reine Verteidigung) fallende Krisenreaktionseinsätze verstießen gegen die Satzung der UN und den Nordatlantikvertrag. Deshalb wären die Vorbereitung darauf (»Gewaltandrohung«) und die Durchführung (»Gewaltanwendung«) völkerrechtswidrig.

2. Die Übernahme einer verbindlichen inhaltlichen Ausweitung des NATO-Auftrags über den Art. 5 des Nordatlantikvertrags hinaus wäre ein neuer völkerrechtlicher Vertrag, weil er die politischen Beziehungen des Bundes regelt, und somit gem. Art. 59 (2) GG der Zustimmung des Bundestages bedürfte.

3. Regierung und Bundestag dürften einer Vorbereitung der Bundeswehr auf Interventionseinsätze (also militärische Einsätze außer zur Verteidigung) nicht zustimmen, weil dem Art. 87a GG entgegensteht.

Gemeinsame Sicherheit

Die strukturelle Kriegsunfähigkeit zwischen den Staaten der postindustriellen Welt erlaubt Abrüstung auf der Grundlage des Prinzips der gemeinsamen Sicherheit. Nicht Vor- und Nachrüstung, sondern Vorabrüstung und Nachabrüstung. Theoretisch kann langfristig eine »Nadelstichbedrohung« entstehen, wenn Staaten, die über weitreichende Waffenträger verfügen, diese gegen Deutschland oder Verbündete einsetzen. CDU/CSU fordern zur Begegnung dieser potentiellen Bedrohung den Aufbau einer deutschen Raketenabwehr (ABM-Systeme). Unterstrichen wird dieser Plan mit dem Hinweis auf die Gefahr der Abkopplung der Sicherheit Europas von jener Nordamerikas, nachdem die USA begonnen haben, ein nationales ABM-System (NMD) zu entwickeln und einzuführen. Raketenabwehrsysteme können aber selbst bei unbeschränkten Investitionsmitteln zu keinem Zeitpunkt eine hundertprozentige Abwehr garantieren, weil das Überwinden der Abwehr technisch einfacher und kostengünstiger ist als die Verbesserung der Abwehr.

Gegenüber Staaten, die heute als potentielle Feindstaaten (aus der Sicht der USA »Schurkenstaaten«) angesehen werden, gibt es keinen einseitigen Schutz. Hinzu kommt, daß deren Fähigkeiten, z.B. weitreichende Flugkörperabwehrsysteme zu entwickeln und zu bauen sowie atomare, chemische und biologische Massenvernichtungswaffen herzustellen, durch Lieferung von Technologie und Know-how aus den Hochindustrieländern gefördert werden. Namhafte Wissenschaftler der USA, unter ihnen der Physiker Richard Garwin, warnen ihre Regierung vor der Entscheidung für ein sinnloses, weil wirkungsloses Raketenabwehrprogramm (Spektrum der Wissenschaft, 11/1999, S. 67)

Statt den untauglichen, weil wirkungslosen Versuch der Gegenrüstung zu unternehmen, muß mit einer Politik des Dialogs und Ausgleichs, der friedlichen konstruktiven Beziehungen, des Anreizes für Rüstungsverzicht und des Vorenthaltens gefährlicher Güter, kurz durch Anwendung des Prinzips gemeinsamer Sicherheit potentiell gefährlichen Entwicklungen entgegenwirkt werden.

Für den einzig legalen und legitimen Auftrag der Bundeswehr - Verteidigung im Rahmen der Verteidigungsbündnisse und Partnerschaftsverträge - reicht ein Aufwand an Verteidigungsmitteln aus, der dem potentiellen Angriffspotential entspricht. Wird diese Prämisse zugrunde gelegt, kann die Bundeswehr wie alle anderen Streitkräfte des NATO-Verbunds, aber auch unabhängig von diesen, wie es die PDS begründet hat, auf zirka 100 000 Mann reduziert werden.

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