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Neue Weltordnung schaffen mit den modernsten Waffen

Die Transformation der Bundeswehr: Aufrüstung für den Angriffskrieg

Von Frank Brendle*

Mehr Soldaten schneller zu mobilisieren und sie mit stärkerer Bewaffnung in weiter entfernte Einsatzgebiete zu schicken – das ist der Kern der „Transformation“ der Bundeswehr, die Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) mit mehr Nachdruck als seine Vorgänger betreibt. Gegenwärtig kann die Truppe bei einem Gesamtumfang von 280000 nicht mehr als 10000 Soldaten ins Ausland schicken – für eine aufstrebende Großmacht ein schlechter Schnitt, findet Struck. Bei der bereits angelaufenen Umgestaltung der deutschen Streitkräfte handelt es sich um die weitreichendste Militärreform seit dem Zweiten Weltkrieg. Es geht darum, aus einer Armee, die bis 1990 darauf ausgerichtet war, großangelegte Schlachten gegen Verbände des Warschauer Vertrages zu führen, eine hochmobile und flexible Streitmacht zu machen, die gegen völlig neue Gegner in allen Weltregionen vorgeht. Das erfordert Änderungen in Ausbildung, Struktur und Ausrüstung der Bundeswehr.

Der Weg zur Reform

»Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf«, heißt es im Grundgesetz, und bis 1990 wußte jeder Bundesbürger, gegen wen er sich verteidigen sollte: gegen den Bolschewismus, der den freien Westen überrennen wollte. Nachdem dann der freie Westen den Osten überrannt hatte, war die alte Militärdoktrin obsolet geworden. Die Bundeswehr durchlebte eine Legitimationskrise – gegen wen sollte sie Deutschland noch »verteidigen«? Das Ende des Kalten Krieges brachte ihr aber zugleich freies Schußfeld, weil die zur Zurückhaltung zwingende Existenz des Warschauer Vertrages genauso entfallen war wie die obersten Souveränitätsrechte der Alliierten. Damit bestand für die deutsche Politik erstmals seit 1945 wieder die Möglichkeit, Militäreinsätze in aller Welt als Mittel der Machtausübung durchzuführen. Zunächst wurden die Einsätze – »Tarnen und Täuschen« – als »Hilfs- und Rettungseinsätze« im UNO-Rahmen ausgegeben. In Kambodscha wirkten Sanitäter, am Persischen Golf wurden Minen geräumt, in Somalia Brunnen gebohrt – scheinbar mildtätige Aktivitäten sollten die deutsche Öffentlichkeit an die weltweite Präsenz ihrer Soldaten gewöhnen. Daß die UNO-Kräfte in Kambodscha mehr Schaden anrichteten als halfen und die neuen somalischen Brunnen nach dem Abzug der Deutschen sofort versiegten, bekam hierzulande ja keiner mit. Die »Robustheit« der Einsätze wurde nach und nach gesteigert, bis 1995 wieder deutsche Soldaten auf dem Balkan patrouillierten. Mittlerweile – spätestens seit dem völkerrechts- und grundgesetzwidrigen Angriffskrieg gegen Jugoslawien 1999 – sind die Blauhelme abgelegt, die Bundesregierung spricht unumwunden von tatsächlichen Kampfeinsätzen, und Minister Struck führt eine regelrechte Moral-Offensive, um die Deutschen darauf einzustimmen, daß ihnen demnächst öfter Todesanzeigen »fürs Vaterland gefallener« Kämpfer ins Haus flattern werden.

Die neue Militärdoktrin

Weil das Grundgesetz formal noch gilt, wird der Begriff »Verteidigung« vollständig umdefiniert. Jetzt werden nicht mehr die Russen an der Elbe aufgehalten, jetzt wird am Hindukusch »verteidigt«. Die Verteidigungspolitischen Richtlinien von 2003, die zentrale Militärdoktrin der BRD, sprechen von einem »weiten Verständnis von Verteidigung, das sich in den letzten Jahren herausgebildet hat«. Dieses Verständnis hat sich freilich nicht von allein herausgebildet, sondern mit tatkräftiger Unterstützung vor allem durch NATO- und EU-Strategen und ihnen nahestehender »Denkfabriken«. Nun jedenfalls »läßt sich Verteidigung geographisch nicht mehr eingrenzen«, heißt es in den Richtlinien. Anders ausgedrückt: Egal, wo und wann Flugzeuge der Luftwaffe Bomben abwerfen, egal, wo und wann Bundeswehrinfanteristen zuschlagen – es dient immer der Verteidigung.

Ist das potentielle Einsatzgebiet offen, so ist auch der Gegner nur sehr unpräzise definiert. Die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen wird erwähnt, hauptsächlich aber orakeln die Richtlinien von »asymmetrischen Gefährdungen«, insbesondere durch »Terroristen«. Nun hinterlegen diese keine Mitgliederlisten, die Bundeswehr kann also im Zweifelsfall jede »feindliche« Bewegung als Terrorbande qualifizieren und auf ihre Abschußliste setzen. Eindeutig sind die Richtlinien dagegen im folgenden Punkt: »Die deutsche Wirtschaft ist aufgrund ihres hohen Außenhandelsvolumens und der damit verbundenen besonderen Abhängigkeit von empfindlichen Transportwegen und -mitteln zusätzlich verwundbar.« Es geht also um den Schutz der Profitrate, und wenn es irgend jemand wagt, sich etwa dem Bau einer Pipeline entgegenzustellen oder dafür mehr Geld verlangt, als die deutsche Wirtschaft für angemessen hält, dann muß »verteidigt« werden. Als Hauptaufgabe der deutschen Militärdoktrin gilt: »Die Gestaltung des internationalen Umfelds in Übereinstimmung mit deutschen Interessen.« Wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt. Deutlicher kann man den Anspruch, eine Weltmacht zu sein, kaum formulieren.

Die neue Struktur

Für die neuen Aufgaben galt es zunächst, Ausbildung und Mentalität der Soldaten zu ändern. Mit deren Kampfkraft stand es nicht zum Besten, schon weil bis in die 1980er Jahre die Aussicht auf einen Atomkrieg jegliche soldatische »Kriegskunst« überflüssig zu machen schien. »Kämpfen können, um nicht kämpfen zu müssen« war das offizielle Leitbild der Bundeswehr, und egal, wie ernst das tatsächlich gemeint war: Mit solchen Parolen lassen sich Soldaten schwerlich für Abenteuer am Hindukusch erwärmen. »Kämpfen können und kämpfen wollen« war daher die Parole, die Generalinspekteur Klaus Naumann Mitte der 1990er Jahre ausgab. Die Ausbildung wurde um Bereiche wie »Geiselhaft und Gefangenschaft« und »Umgang mit Verwundung und Tod im Einsatz« erweitert. Die Etablierung des neuen Kämpfer-Typus nahm sich auch gerne ein paar Anleihen am Vorbild Wehrmacht. Heute ist »einsatznahe Ausbildung« in der Truppe der Normalfall, wie sporadisch durchsickernde Fälle von Rekrutenmißhandlungen erkennen lassen.

Zugleich wurde die Truppe in ihrem Umfang erheblich reduziert: Am 3. Oktober 1990 dienten nominell über 500000 Mann in der Bundeswehr, heute sind es, wie gesagt, noch rund 280000. In der ersten Hälfte der 90er Jahre quittierten Tausende von Berufssoldaten den Dienst. Von der Wirkung her kam das, so der Friedensaktivist Jürgen Grässlin, einem »Säuberungsprozeß« gleich, weil vor allem diejenigen, die den neuen Interventionskurs ablehnten, die Bundeswehr verließen. Die Entschlackung der Truppe hat Auswirkungen auf die Wehrpflicht, die eine immer geringere Rolle spielt. Bis 2010 soll der Streitkräfteumfang auf 250000 plus 75000 Zivilangestellte gesenkt werden.

Eine wesentlich härtere Nuß war die fällige Umstrukturierung der Truppe. Die relativ starre Aufteilung der Bundeswehr in drei Teilstreitkräfte (Heer, Marine, Luftwaffe) mit zum Teil völlig unterschiedlichen Ausbildungsniveaus, Ausrüstungen und Kommunikationsmitteln erweist sich als hinderlich, wenn es darum geht, innerhalb weniger Tage eine Kommandoaktion in 5000 Kilometer Entfernung durchzuführen. Strucks Zauberwort lautet hier »streitkräftegemeinsam«. Die Teilstreitkräfte werden zwar nicht aufgelöst, aber sie erhalten quasi eine Metaebene in Form der »Streitkräftebasis« (SKB) als völlig neuem Organisationsbereich. Sie setzt die Ausbildungsstandards und ist für die Logistik zuständig, wodurch beispielsweise die Vereinbarkeit von Kommunikationsmitteln und Computersoftware sichergestellt werden soll. Sie stellt auch die Führungsstrukturen mit dem Einsatzführungskommando in Potsdam, das quasi ein gemeinsames Oberkommando für Bundeswehreinsätze im Ausland darstellt – was es bisher ebenfalls nicht gegeben hat. Einsätze im Inland (bislang noch auf Katastrophenhilfe beschränkt) führt künftig das ebenfalls der SKB zugeteilte Streitkräfteunterstützungskommando. Außerdem wurde den Teilstreitkräften auch die Verantwortung für den Sanitätsbereich weitgehend abgenommen und im neuen Organisationsbereich »Zentraler Sanitätsdienst der Bundeswehr« zusammengefaßt, inklusive Schneller Einsatzkräfte.

Die Hauptkomponenten der Bundeswehr werden nicht mehr nach Teilstreitkräften sortiert, sondern nach sogenannten Kräftekategorien. Bis zum Jahr 2010 wird die Armee unterteilt in Eingreifkräfte, Stabilisierungskräfte und Unterstützungskräfte, jede dieser Kategorien wird von einem festgelegten Mix aus Heeres-, Luftwaffen- und Marineangehörigen beschickt.

Die »Eingreifkräfte« sollen 35000 Mann umfassen, einschließlich der Eliteeinheiten wie das Kommando Spezialkräfte (KSK). Ihnen obliegen, wie es im Bundeswehrjargon heißt, »Operationen hoher Intensität« zur »Friedenserzwingung«. Sie sollen, möglichst im Blitzeinsatz, bewaffnete Gegner überwältigen, wobei die Methoden vom Bombardement über marineunterstützte Küstenbeschießungen und Landungsoperationen bis hin zum infanteristischen Kampfeinsatz reichen.

Danach kommen die »Stabilisierungskräfte« zum Einsatz: Sie umfassen 70000 Mann und sollen die dauerhafte Kontrolle über das eroberte Gebiet sicherstellen, was Struck als »Operationen niedriger und mittlerer Intensität« vorstellt. Sie sind weniger schwer bewaffnet, aber zu »robusten« Einsätzen gegen hin und wieder aufflackernden Widerstand in der Lage. Auf gegenwärtige Einsätze übertragen: Das KSK geht als Teil der neuen Eingreifkräfte in den afghanischen Bergen gegen tatsächliche oder vermeintliche Talibankämpfer vor, während in der (mehr oder weniger) befriedeten Hauptstadtregion die ISAF-Truppen als Teil der Stabilisierungskräfte den Besatzungsalltag regeln. Bis zu fünf verschiedene Besatzungsoperationen gleichzeitig soll die Truppe übernehmen können.

Die Unterstützungskräfte schließlich sollen 137000 Mann umfassen und sich im Heimatland um Verwaltungstätigkeiten und den Grundbetrieb der Bundeswehr kümmern. 40000 Dienstposten sind für die Ausbildung von Zeit- und Berufssoldaten vorgesehen, außerdem wird die Masse der nur noch 50000 Wehrpflichtigen hier ihren Dienst versehen. Diejenigen Wehrpflichtigen, die sich zu einer längeren Wehrdienstzeit bereiterklären – vor allem unter Arbeitslosen gibt es aufgrund der besseren Besoldung einige Bereitschaft dazu – verpflichten sich damit zugleich zum Auslandseinsatz, der in aller Regel in den »Stabilisierungskräften« erfolgen wird. Vorausgesetzt, es gibt bis 2010 überhaupt noch eine Wehrpflicht. Struck hat die Umstellung für alle Fälle so angelegt, daß sie auch bei einem Verzicht auf den Zwangsdienst funktioniert.

Multinationale Blitzkriegstruppen

Eine weitere Änderung bisheriger deutscher Militärtraditionen besteht darin, daß nationale Alleingänge in Zukunft eher ausgeschlossen sind. Die Gründe sind pragmatischer Art: Die Interessen vieler EU-Staaten ähneln sich, und ein gemeinschaftlich geführter Krieg kostet weniger. Oder anders ausgedrückt: Geteilte Kosten erlauben es, mehr Kriege zum gleichen Zeitpunkt zu führen.

Wer nun als Bündnispartner in Frage kommt, wird von den Verteidigungspolitischen Richtlinien klar benannt: Einsätze sollen generell nur im Rahmen der Europäischen Union, der NATO oder der UNO geführt werden. Ad-hoc-Koalitionen, wie sie etwa die USA mit der »Koalition der Willigen« zum Einmarsch in den Irak geschlossen haben, sind damit zumindest auf dem Papier ausgeschlossen. Vor allem im Rahmen der EU wird mächtig aufgerüstet. Sie unterhält seit 2003 eine Eingreiftruppe, die innerhalb von 60 Tagen in einem Radius von 5000 Kilometer um Brüssel eingreifen kann und mindestens ein Jahr durchhalten soll. Die BRD hat mit bis zu 18000 Soldaten von insgesamt 80000 eine überproportionale Beteiligung zugesagt. Weil diese Eingreiftruppen noch nicht schnell genug sind, sollen ab Herbst 2006 eine Reihe sogenannter battle groups (Schlachtgruppen) aufgestellt sein, bei denen es sich dann um wahre Blitzkriegstruppen handelt. Sie sollen binnen fünf bis zehn Tagen rund um die Welt im Einsatz stehen können; Vorauskommandos eventuell schon nach 48 Stunden, wenn sich die Vorstellungen der französischen Verteidigungsministerin Michèle Alliot-Marie durchsetzen. Bis zum Jahr 2007 sollen 13 solcher battle groups aufgestellt sein, die meisten davon multinational besetzt und jede 1500 Mann stark. Deutschland will sich an mindestens drei dieser Schlachtgruppen beteiligen.

Eine weitere Schnelle Eingreiftruppe wird mit der »NATO Response Force« des nordatlantischen Militärpaktes aufgebaut. Deren Soldaten sollen ab dem kommenden Jahr in der Lage sein, innerhalb von fünf Tagen »in jedes Krisengebiet der Welt« einzufallen. Die Zusammensetzung der 21000 Mann starken Truppe wechselt ungefähr alle sechs Monate, es ist aber jeweils ein mehrere tausend Mann starker deutscher Anteil dabei.

Schließlich sieht die neue Struktur noch vor, 1000 Soldaten als »standby-forces« der Vereinten Nationen bereitzuhalten, und weitere 1000 sollen für außerplanmäßige Rettungs- und Evakuierungsmaßnahmen zur Verfügung stehen – dies sind die einzigen Fälle, in denen ein eigenständiges nationales Vorgehen geplant ist. Die Summe aus den diversen multinationalen Eingreiftruppen entspricht, wenn man die Vorbereitungs- und Erholungszeiten berücksichtigt, der Größe der neuen »Eingreifkräfte« von 35000 Soldaten.

»Sparzwang«

Im Mittelpunkt der Material- und Ausrüstungsplanung steht nach Struck die »Erfüllung der militärischen Kernfähigkeiten«, wobei die »wahrscheinlichsten Einsätze in den Mittelpunkt der Planungen gestellt werden« müßten. Im Klartext heißt das: Die Angriffs-Eingreifkräfte erhalten absolute Priorität, und alles, was ausschließlich Zwecken der »herkömmlichen Landesverteidigung« dient, ist entbehrlich. Dazu zählt die Masse der schweren Kampfpanzer, nicht hochseegängiger Schiffe (mit denen früher die Ostsee verteidigt werden sollte), in gewissem Umfang auch die Tornados der Luftwaffe. Das überflüssige Arsenal wird abgerüstet bzw. verkauft, was auch für nicht mehr benötigte Liegenschaften gilt.

Den Erlös aus Waffen- und Grundstücksverkäufen darf die Bundeswehr für Neuanschaffungen ausgeben, was ihr deswegen sehr wichtig ist, weil mit einer Erhöhung des Verteidigungshaushaltes nicht zu rechnen ist. Die Planungen sehen zwar vor, die Militärausgaben von jetzt 24 Milliarden Euro auf 25,2 Milliarden ab 2008 zu steigern, real mußte Struck aber schon Kürzungen in Form »globaler Minderausgaben« hinnehmen. Sein Ministerium muß also interne Umschichtungen vornehmen und will durch die Reduzierung des Personals um rund 50 000 militärische und Zivilstellen und die Aufgabe von rund 200 Standorten ein Sparpotential gewinnen, das in die Beschaffung neuer Waffen fließt.

Weitere Kosteneinsparungen bringen die internationale Kooperation bei der Neuentwicklung von Waffensystemen und Durchführung von Einsätzen mit sich, wenn nicht mehr jede nationale Armee über die ganze Palette des Rüstungsarsenals verfügen muß, sondern im Bedarfsfall auf die Ressourcen anderer EU- oder NATO-Staaten zurückgreifen kann.

Geschenke für die Rüstungsindustrie

Im Verteidigungsministerium gibt es eine klare Vorstellung davon, was die Bundeswehr vor allen Dingen braucht: Priorität hätten, so Struck, die strategische Verlegefähigkeit und Mobilität. Wer in kurzer Zeit in aller Welt einsatzfähig sein will, muß erst einmal dafür sorgen, daß er Soldaten, Fahrzeuge, Hubschrauber usw. rasch verlegen kann.

Diesen Ambitionen werden die eigenen Kapazitäten (vor allem die Transall-Maschinen) der Bundeswehr nicht mehr gerecht. Deshalb steht ganz oben auf der Beschaffungsliste der Militär-Airbus A 400M, ein europäisches Gemeinschaftsprojekt, an dem neben der Bundesrepublik vor allem Frankreich, Großbritannien und Spanien beteiligt sind. 60 Maschinen dieses Typs will die Bundeswehr ab 2010 anschaffen, zum Gesamtpreis von knapp neun Milliarden Euro.

Faktisch handelt es sich hier um ein Riesengeschenk an die Rüstungsindustrie, denn der militärische »Bedarf« ließe sich wesentlich günstiger lösen, wenn die Bundeswehr weiterhin auf dem freien Markt Flugzeuge chartern würde. Vor allem die russisch-ukrainische Antonow ist seit Jahren immer wieder in deutschem Einsatz; sie kann nach Bundeswehrangaben bis zu 160 Tonnen Fracht transportieren, während der neue Airbus nur 37 Tonnen schafft und im Betrieb teurer sein wird als die Antonow. Nun mag die Abhängigkeit vom Angebot privater Leasingfirmen – zumal russischer! – nicht dem Geschmack einer aufstrebenden Weltmacht entsprechen. Der Hauptgrund für die Beschaffung des neuen Airbus ist aber die gezielte Förderung der europäischen Rüstungsindustrie. Die Entscheidung für die Airbus-Variante »ist nicht in erster Linie eine betriebswirtschaftliche, sondern eine sicherheits- und wirtschaftpolitisch begründete Entscheidung gewesen«, erklärte der SPD-Haushaltsexperte Volker Kröning im Interview mit dem Internet-Dienst geopowers. Der europäische Rüstungskonzern EADS, hervorgegangen aus der deutschen DASA, der französischen Aerospatiale und der spanischen CASA, soll langfristig ernsthaft mit Boeing und anderen US-Konzernen um die Vorherrschaft im Rüstungsbereich konkurrieren. Die Option, eines Tages aus der Juniorpartnerschaft mit den USA herauszukommen und die EU als strategisches Gegenstück zur NATO zu installieren, ist den großen EU-Staaten ein paar Milliarden Euro zusätzlich wert.

Eine Subventionierung der Rüstungsindustrie ist auch das Charakteristikum des Raketenabwehrsystems MEADS, das unter Beteiligung von EADS gemeinsam mit Italien und den USA entwickelt wird. Es soll innerhalb eines Areals von einigen Dutzend Kilometern Durchmesser Schutz vor feindlichen Flugkörpern bieten. Wegen seiner exorbitanten Kosten, die zwischen sieben und 15 Milliarden Euro für 14 Feuereinheiten schwanken, ist es ebenso umstritten wie wegen seines fraglichen militärischen Werts. Für Zwecke der Landesverteidigung scheidet es aus, es kann nur darum gehen, die Standorte von Interventionstruppen im Ausland zu schützen. Ob diese tatsächlich feindlichen Raketenbeschuß fürchten müssen und gegen welche Raketentypen das System überhaupt geeignet ist, sind offene Fragen, deretwegen die Grünen im Frühjahr fast einen Koalitionskrach losgetreten haben. Beschlossen wurde, erst einmal die Entwicklungskosten mitzutragen, bis 2012 ist dafür eine knappe Milliarde Euro vorgesehen. Über die Beschaffung wird 2008 entschieden. Das Herz des Verteidigungsministers und noch mehr der Rüstungsindustrie hängt vor allem deswegen an dem Projekt, weil es das einzige ist, in dem europäische Firmen – jedenfalls angeblich – »auf gleicher Augenhöhe« mit US-Firmen kooperieren. Die Industrie hofft auf einen Zuwachs an technologischem Wissen und darauf, einen Fuß in den amerikanischen Rüstungsmarkt zu setzen.

Hochmobile Interventionstruppe

Seit der Regierungsübernahme von SPD und Grünen geht von deutschem Boden wieder Krieg aus. Die von Wehrminister Peter Struck (SPD) eingeleitete »Reform« der Streitkräfte läuft systematisch auf eine Militarisierung der deutschen Außenpolitik hinaus, wie im gestern erschienenen ersten Teil des Beitrags gezeigt wurde: In der neuen Militärdoktrin der BRD wird der »Verteidigungsauftrag« der Bundeswehr so umfassend definiert, daß weltweite Kampfeinsätze – zur »Gestaltung des internationalen Umfelds in Übereinstimmung mit deutschen Interessen«, wie es unverblümt in den Verteidigungspolitischen Richtlinien von 2003 heißt – problemlos legitimiert werden können.

Die Einsätze deutscher Soldaten vom Balkan bis zum Hindukusch verschlingen unterdessen Unsummen. Beim Streben des größer gewordenen Deutschland nach Weltgeltung scheint Geld allerdings keine Rolle zu spielen, wie der folgende Blick auf die Beschaffungsprojekte der Bundeswehr deutlich macht.

Eine ganze Palette neuer Transportfahrzeuge soll es den Interventionstruppen erlauben, sich nach ihrer Ankunft im Einsatzgebiet rasch und sicher zu bewegen und ihre Versorgung sicherzustellen. Wichtigste Kriterien sind dabei Luftverladbarkeit (mit dem neuen Militär-Airbus) und Panzerung. Das umfangreichste Projekt ist die Beschaffung des Gepanzerten Transport-Kraftfahrzeugs (GTK) BOXER, der, so die Bundeswehrzeitschrift Soldat und Technik, besonders für den »Einsatz unter erschwerten geographischen und klimatischen Bedingungen geeignet ist«. Der Gesamtbedarf für die Bundeswehr wird mit bis zu 3000 Stück angegeben. Zunächst werden allerdings nur 200 angeschafft, zum Stückpreis von 1,5 Millionen Euro.

Die taktische Mobilität in der Luft soll die Anschaffung von insgesamt 152 Transporthubschraubern des Typs NH 90/MH 90 garantieren, die im vergangenen Jahr angelaufen ist. Bis 2014 sollen dafür knapp 4,5 Milliarden Euro ausgegeben werden. Auf die ursprünglich geplante Beschaffung von 10000 einfachen LKW verzichtet die Bundeswehr dagegen – die taugen nur für den Transport in gut erschlossenen, friedlichen Gegenden, aber nicht für die geplanten Ernstfälle.

Aufklärung

Ebenfalls zu den vordringlichsten Beschaffungsprojekten gehören Systeme zur weltweiten Aufklärung. Das erklärt sich fast von selbst: Wer Truppen zum Einsatz »hoher Intensität« schickt, will einen möglichst tiefen Einblick ins Feindesland. Für die strategische Satellitenaufklärung ist die Bundeswehr derzeit vorrangig auf die USA angewiesen, die zwar über die entsprechenden Fähigkeiten verfügen, sich aber nur ungern in die Karten sehen lassen. Das Projekt SAR-Lupe ist eines der wenigen, welche in alleiniger deutscher Regie durchgeführt werden. Spätestens ab 2007 sollen fünf Radarsatelliten jeden Ort der Erde bei jedem Wetter ablichten und dabei noch Objekte von 50 Zentimeter Länge erfassen. Entwicklungs- und Beschaffungskosten: 470 Millionen Euro. Daneben beteiligt sich die Bundeswehr im Rahmen der NATO am Aufklärungssystem AGS (Alliance Ground Surveillance). Bis 2010 soll der Mix aus bemannten und unbemannten Aufklärungssystemen fertiggestellt sein, die Kosten sind bislang nicht präzise benannt, der deutsche Anteil wird von der regierungsnahen Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) aber auf rund 1,3 Milliarden Euro geschätzt. Für die Aufklärung auf hoher See wiederum kauft die Bundeswehr in diesem und im kommenden Jahr insgesamt acht »Maritime Patrol Aircraft« P–3C Orion von den Niederlanden. Die Seefernaufklärer eignen sich auch als U-Boot-Jäger und kosten 340 Millionen Euro. Schließlich ist für das Heer die Anschaffung der deutsch-niederländischen Gemeinschaftsproduktion FENNEK geplant: ein Spähfahrzeug, das den bisherigen Spähpanzer LUCHS ablösen soll und speziell für den Einsatz in schwergängigem Gelände entwickelt ist.

Schließlich steht noch die Entwicklung und Beschaffung moderner Führungssysteme und Kommunikationsmittel ganz oben auf dem Programm. Um das Gelingen »robuster« Einsätze zu gewährleisten, müssen die Einheiten jederzeit erreichbar sein und auch untereinander in Verbindung treten können. Dem soll das Satellitenkommunikationssystem SatComBw durch verbesserte Übertragungsfähigkeiten, eigene Satellitenkapazitäten und Bodenstationen dienen, und zwar ohne Rückgriff auf Einrichtungen verbündeter Nationen. Bis 2014 soll es eingerichtet sein und rund eine Milliarde Euro kosten. Außerdem erhalten Marine, Luftwaffe, Heer und die Organisationsbereiche eine gemeinsame Funkgeräteausstattung – bislang sind ihre Kommunikationssysteme zum Teil nicht miteinander kompatibel.

»Wirksamkeit im Einsatz«

Nachdem das feindliche Terrain aufgeklärt ist und die eigenen Kräfte verlegt sind, kommt die »Wirksamkeit im Einsatz« zur Geltung, also das möglichst effektive Schießen und Bomben. Paradestück ist hier der Eurofighter, der das teuerste und wohl am meisten umstrittene Projekt der Bundeswehr ist. Hauptauftragnehmer ist wiederum der EADS-Konzern, Auftraggeber neben der BRD sind Großbritannien, Italien und Spanien. 180 Maschinen, die als Jagdflugzeuge wie auch als Jagdbomber eingesetzt werden können, sollen bis 2015 für die Luftwaffe angeschafft werden. Die Bewaffnung umfaßt unter anderem radargesteuerte und Infrarot-Lenkflugkörper unterschiedlicher Reichweite, die aus sicherem Abstand von 350 Kilometer abgefeuert werden können. Die gesamten Programmkosten belaufen sich nach Schätzungen des Bundesrechungshofes auf rund 24,5 Milliarden Euro, im Bundeswehrplan 2005 sind für den Zeitraum bis 2014 zunächst 13,5 Milliarden eingeplant.

Für die »Wirksamkeit« aus der Luft sollen außerdem 80 Kampfhubschrauber TIGER sorgen, die bis 2010 angeschafft werden (Kosten: zwei Milliarden Euro). Der Hubschrauber wird gemeinsam mit Frankreich produziert, soll nahezu wetterunabhängig sein und kann mit verschiedenen Waffensystemen ausgestattet werden, unter anderem Panzerabwehrraketen und Luft-Luft-Raketen. Auf dem Boden wird die Schlagkraft durch den Schützenpanzer PUMA erhöht, weil der bisherige MARDER laut Bundeswehr »nicht mehr anforderungsgerecht« ist (er paßt nicht in Transportflugzeuge). Bis 2010 sollen 410 PUMA zum Gesamtpreis von 3,5 Milliarden Euro angeschafft werden. Die Marine schließlich erhält noch in diesem Jahr ihre dritte Fregatte des Typs F 124. »Mit rund 700 Millionen Euro ist jede Fregatte dieser Sachsen-Klasse die teuerste deutsche Waffe aller Zeiten«, schreibt Lühr Henken von der Tübinger Informationsstelle Militarisierung (IMI). Auch nicht billiger sind die vier Fregatten F 125, die zum Preis von 2,4 Milliarden Euro bis 2014 zur Verfügung stehen sollen. Zum wirksamen Küstenbeschuß kommen bis 2008 fünf Korvetten K 130 für knapp 700 Millionen Euro dazu. Außerdem erhält die Marine ab 2007 zwei U-Boote des Typs U 212A, die zu den modernsten der Welt gehören werden. Der Brennstoffzellen-Antrieb verleiht dem U-Boot eine Reichweite von 22 000 Kilometern, es kann drei Wochen lang nahezu lautlos unter Wasser bleiben. Preis: 790 Millionen Euro.

Soldat der Zukunft

Zu den wichtigsten Änderungen bei der künftigen Militärausstattung gehört eine höchst ambivalente Erscheinung: Der »Infanterist der Zukunft«, der eine Mischung aus Elite-Einzelkämpfer und ferngesteuertem High-Tech-Roboter ist. Die Ausrüstung wird bis 2008 für zunächst 2000 Soldaten vor allem der »Division Spezielle Operationen« (DSO) angeschafft, zu der auch das Elite-»Kommando Spezialkräfte« (KSK) gehört. Vorerst sind dafür 470 Millionen Euro veranschlagt; langfristig soll das System für mehr als 10000 Soldaten beschafft werden.

Der »Infanterist der Zukunft« erhält die modernste Ausstattung, die derzeit verfügbar ist: einen Palmtop mit GPS-Anbindung, der die exakte Lokalisierung des Standortes ermöglicht. Restlichtverstärker und Wärmebildgerät ermöglichen Einsätze auch nachts, ein Laserentfernungsmesser gehört genauso zur Ausstattung wie ein Granatwerfer zum Aufsetzen aufs Maschinengewehr G 36. Der Clou ist die modulare Ausstattung und das Agieren im Verbund: Einheiten aus jeweils zehn Infanteristen teilen sich die Ausrüstung nach Bedarf untereinander auf, so daß nicht nur die Offensiv- und Defensivkapazitäten optimal gesteigert werden, sondern auch die durchschnittliche Belastung der Soldaten von derzeit 47 Kilogramm auf 30 Kilogramm reduziert wird. Das stets in der Nähe befindliche »Mutterschiff« (das anzuschaffende Transportfahrzeug BOXER) hält weitere Ausrüstungskomponenten bereit und dient als Verbindungsstation. »Zukunftsweisend« ist das Konzept vor allem dann, wenn man die Kriege der Zukunft vor allem in bebautem Gelände führen will, sprich: in Städten, in denen der Häuserkampf eine infanteristische Angelegenheit ist.

Der »Infanterist der Zukunft« ist keine Spezialität der Bundeswehr; vor allem in den USA, Frankreich und Großbritannien wird intensiv am Konzept gebastelt und, wie im High-Tech-Bereich üblich, permanent nachgebessert. Zukunftsprojekte befassen sich damit, Sensoren in die Uniform einzubauen, welche Körperdaten wie Temperatur, Puls usw. in die Kommandozentrale leiten oder »automatisch« reagieren – die Uniform als Klimaanlage. Eine im Visier eingebaute Kamera soll die Vorgesetzten im wahrsten Sinn des Wortes ins Bild setzen und ihnen die Möglichkeit geben, genaueste Anweisungen zu erteilen. Damit wäre wieder hergestellt, was durch die Modernisierung der Kriegführung im Laufe der Neuzeit nicht mehr möglich und auch nicht mehr nötig war: die ständige Kontrolle des Soldaten durch seinen Kommandeur. Der alten Befehlstaktik könnte ein Revival bevorstehen.

Streit um Prioritäten

Die Beschaffungsplanung der Bundeswehr weist einige Auffälligkeiten auf. Mehr als die Hälfte der Gesamtbeschaffungssumme bis 2014 soll der Luftwaffe zugute kommen. Vor allem der Eurofighter und der Airbus schlagen hier zu Buche. Da ist es kein Wunder, daß auch unbedingte Befürworter der Militärtransformation aufstöhnen, schränken solche Zahlen doch den Verteilungsspielraum ungemein ein. Bedenkt man, daß das Heer die Masse der künftigen Auslandskrieger stellen soll, aber nur wenig mehr als ein Viertel der Beschaffungsmittel erhält, kann man sich auch vorstellen, daß gerade diese Teilstreitkraft eher zu den Skeptikern der Reform gehört.

Eine zweite Auffälligkeit: Sortiert man die Beschaffungen nach Fähigkeitskategorien, so entfällt über die Hälfte der Beschaffungssumme auf die »Wirkung im Einsatz«. Auch hier ist vor allem der Eurofighter zu nennen. Damit tut sich ein eklatanter Widerspruch zur formulierten Militärdoktrin auf: Der Eurofighter mit seinen Marschflugkörpern, der Schützenpanzer PUMA oder das Kriegsschiff F 125 sind zur Bekämpfung »schwerer« Ziele geeignet (feindliche Panzer, Flugzeuge, Schiffe) – nicht aber zur Bekämpfung der in den Verteidigungspolitischen Richtlinien bemühten »asymmetrischen« Gegner, bei denen es sich um leichtbewaffnete Fußsoldaten handelt.

Dritte Auffälligkeit: Die Priorisierung schwerer Angriffswaffen führt dazu, daß die »Einsatzkräfte« gegenüber den »Stabilisierungskräften« eindeutig bevorzugt ausgestattet werden. Auch das steht im Widerspruch zu offiziellen Bekundungen, wonach »friedenssichernde« und stabilisierende Einsätze für den Wiederaufbau staatlicher Strukturen Vorrang haben sollen. Die offiziöse Stiftung Wissenschaft und Politik sieht darin ein Zeichen dafür, daß »eine konsequente Umsetzung der Reform noch nicht erfolgt ist«. Reformgegner innerhalb des Militärs neigten »immer noch dazu, diejenigen Fähigkeiten zu perfektionieren, die sie während des Kalten Krieges benötigten«. Eklatant vernachlässigt werde dagegen die Fähigkeit zur Bekämpfung von Einzelpersonen und kleinerer Personengruppen.

Die Interpretation der Beschaffungsprioritäten als Zeichen dafür, daß die Reform der Bundeswehr auf heftige Widerstände stößt, hat zweifellos einiges für sich – deutsche Militärs sind schließlich für ihre verbissenen Abwehrkämpfe bekannt. Nicht minder wichtig ist der Einfluß der Rüstungsindustrie, die sich einen Verzicht auf die Großprojekte verbittet. Eine weitere Interpretationsmöglichkeit sollte aber nicht übersehen werden: daß die Bundeswehr in Zukunft keineswegs nur gegen kleine Truppen »irregulärer Kämpfer« vorzugehen gedenkt, sondern auch die Fähigkeit zu größeren Feldzügen gegen »richtige« Staaten ausbauen will. Die Verteidigungspolitischen Richtlinien bezeichnen die Grenzen zwischen den verschiedenen Einsatzarten ausdrücklich als »fließend«. Die »Bereitschaft und die Fähigkeit«, militärische Mittel einzusetzen, gelten der Bundesregierung als »unverzichtbare Voraussetzung«, ihre Interessen durchzusetzen.

47, 72 oder 140 Milliarden?

Auf der Einkaufsliste der Bundeswehr stehen derzeit rund 200 Projekte. Die offiziellen Angaben im Bundeswehrplan 2005 veranschlagen bis zum Jahr 2014 Gesamtkosten von rund 47 Milliarden Euro – Zahlen, die auch nach Einschätzung bundeswehrfreundlicher Experten extrem optimistisch sind. Nach Einschätzung des IMI-Mitarbeiters Lühr Henken müssen die tatsächlichen Kosten für sämtliche Militärprojekte auf 72 Milliarden Euro veranschlagt werden. Das sind wohlgemerkt die geplanten Kosten – die gerade im Rüstungsbereich üblichen »überraschenden« Preissteigerungen sind dabei nicht berücksichtigt. In den kommenden 20 Jahren dürften daher, so Henken, 140 bis 150 Milliarden Euro für Militärausgaben zusammenkommen. Es ist schon jetzt abzusehen, daß die Beschaffungsplanung jedes finanzierbare Maß übersteigt. Dabei sind für den Großteil der teuersten Projekte (Transportflugzeug, Eurofighter) bereits Verträge mit der Industrie geschlossen worden.

Haushaltsexperten von CDU/CSU und FDP werfen der Bundesregierung seit Jahren und zu Recht unseriöses Wirtschaften vor. Es bleibt abzuwarten, wie sie nach den Bundestagswahlen darüber urteilen werden. Einen grundlegenden Dissens gibt es zwischen den Fraktionen im Bundestag nicht. Der Umbau der Bundeswehr zur Angriffsarmee findet die Billigung aller Parteien bis auf die beiden PDS-Abgeordneten. Wenn CDU und noch mehr CSU Kritik üben, dann vor allem, weil sie noch mehr Geld fürs Militär ausgeben, weniger Standorte schließen und verbissener an der Wehrpflicht festhalten wollen.

Daß derartige Pläne aufgestellt werden können in einer Zeit, in der Millionen Menschen die sozialen Leistungen zusammengestrichen werden, zeigt die Militarisierung auch des innenpolitischen Klimas. Selbst wenn künftige Bundesregierungen von diesem Maximalprogramm einige Abstriche werden vornehmen müssen – der Eurofighter wird kaum in voller Stückzahl ausgeliefert werden – läuft das neue Strukturkonzept darauf hinaus, das deutsche Kriegführungspotential beträchtlich zu erhöhen. Um wieviel sich die Anzahl der zum gleichen Zeitpunkt im Ausland einsetzbaren Soldaten vervielfacht, läßt sich zwar aufgrund der unterschiedlichen Kriterien – vor allem Aufwand und Dauer der Einsätze – nicht vorhersagen, die Bundeswehr »erhöht aber ihre Flexibilität und verkürzt die Vorbereitungszeit«, so daß mehr Truppen in kürzerer Zeit für eine breitere Palette von Aufgaben zur Verfügung stehen, faßt Otfried Nassauer vom Berliner Institut für Transatlantische Sicherheit zusammen.

Es wird eine gemeinschaftliche Aufgabe sozialer Bewegungen sein, sich dem entgegenzustellen. Anlässe dazu werden im Rahmen der 50-Jahr-Feiern der Bundeswehr und der Proteste gegen den Sozialabbau reichlich zur Verfügung stehen; den Versuch, in die Haushaltsdebatten einzugreifen, unternimmt auch die DFG-VK mit ihrer Aktion »Rüstungshaushalt senken«.

* Frank Brendle ist Landesgeschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft/Vereinigte KriegsgegnerInnen (DFG-VK) in Berlin-Brandenburg

Aus: junge Welt, 5. und 6. September 2005



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