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Theodor Blank ließ den ewigen Soldaten wieder aufleben

Vor sechs Jahrzehnten entstand in Bonn das, was heute Bundesministerium für Verteidigung heißt

Von René Heilig *

Heute (26. Okt.) wird die von Frank-Jürgen Weise geleitete Strukturkommission ihren Bericht zur Effektivitätssteigerung der Bundeswehr als Armee im Einsatz vorlegen. Zufall oder nicht: Vor genau 60 Jahren entstand das Amt Blank, der Vorläufer des heutigen Bundesverteidigungsministeriums. Die sogenannte Wiederbewaffnung begann.

Oktober 1950. Im Zisterzienserkloster Himmerod in der Eifel trafen sich 15 Generale, Admirale sowie Stabs- und Generalstabsoffiziere, die allesamt keineswegs außer Dienst waren. Im Gegenteil. Sie verfassten die »Himmeroder Denkschrift«. Mit dabei der spätere erste Generalinspekteur der Bundeswehr, General Heusinger, die späteren Heeres- und Marineinspekteure Röttiger und Ruge, der spätere NATO-Befehlshaber General Speidel sowie Graf von Kielmansegg oder Graf Baudissin.

Die Denkschrift hatte die Schaffung einer westdeutschen Armee mit 12 Heeresdivisionen zum Inhalt. Wesentlich war den Autoren, dass die neue deutsche Armee einen gleichberechtigten Rang haben müsse neben den westlich-alliierten Streitkräften. Der Kalte Krieg, der in Korea zu einem blutigen geworden war, ließ bei den Wehrmachtskommandeuren neues Selbstbewusstsein entstehen. Die junge Bundesrepublik galt in Europa als erste Stellung des Westens, die es auszubauen galt. Am Zaun gegenüber wurde in der DDR unter sozialistischen Vorzeichen geschanzt.

Doch noch war nicht vergessen, was deutsche Armeen in zwei verheerenden Kriegen angerichtet hatten. In Frankreich beispielsweise gab es große Vorbehalte gegen eine deutsche Wiederbewaffnung. Am 24. Oktober 1950 unterbreitete der französische Premier René Jean Pleven einen Plan zur Schaffung einer europäischen Armee, die mit den politischen Institutionen eines Vereinigten Europas verbunden werden sollte. Die Staaten, auch Westdeutschland, sollten mit Truppen bis zur Bataillonsstärke beteiligt sein. Die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG), eine Vorstufe heutiger EU-Battlegroups, war erdacht. Kanzler Konrad Adenauer und seine CDU nutzten die Chance umgehend. Schon zwei Tage später ernannte man einen »Bevollmächtigten des Bundeskanzlers für die mit der Vermehrung der alliierten Truppen zusammenhängenden Fragen«.

Der Titel war bewusst unscharf gehalten. Er ließ nicht ohne weiteres eine Vermehrung der alliierten Truppen durch deutsche Verbände erwarten. Doch genau das war die Aufgabe von Theodor Blank, einem Mitbegründer der West-CDU. Er konnte auf solide Vorarbeiten unter anderem von Gerhard Graf von Schwerin zurückgreifen. Der Militär war zunächst Adenauers erste Wahl, ihn hatte der Kanzler bereits im Juni zum Berater gemacht. Doch der Graf war zu schwatzhaft. Noch war die öffentliche Meinung strickt gegen den erneuten Aufbau deutscher Streitkräfte.

Doch diese »Missstimmung« legte sich bald. Im Februar 1954 konnte im Bundestag schon wieder über einen deutschen Wehrbeitrag zur EVG debattiert werden, im März wurde das Grundgesetz zurechtgebogen, man warb Freiwillige - und scheiterte. Weil eine Abstimmung über die Schaffung der EVG in französischen Parlament scheiterte. Fortan setze man in Bonn alles auf die NATO-Karte. Im Februar 1955 ratifizierte der Bundestag die Pariser Verträge. Maximal 500 000 Soldaten billigte man dem westdeutschen Staat zu. Es sollte eine Armee der Demokratie werden, die nur Verteidigung zum Ziele hat. Kommandiert wurde sie von Militärs, die Hitler die Treue geschworen hatten. Entsprechende Kritik wischte Adenauer vom Tisch: »Ich glaube, dass mir die NATO 18-jährige Generale nicht abnehmen wird.«

* Aus: Neues Deutschland, 26. Oktober 2010


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