Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Struck schlägt Einsatz von Arbeitslosen bei Truppentraining vor

Brief des Bundesvorstands der Ev. Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung der Kriegsdienstverweigerer (EAK) an Verteidigungsminister Peter Struck

Zunächst die Meldung:

Struck schlägt Einsatz von Arbeitslosen bei Truppentraining vor

Torgelow (ddp-nrd). Für das Truppentraining vor Auslandseinsätzen der Bundeswehr hält Bundesverteidigungsminister Peter Struck (SPD) anstelle von Soldaten auch den Einsatz von Arbeitslosen als «Schauspieler» für möglich. Einen entsprechenden Vorschlag unterbreitete Struck am Montag bei einem Truppenbesuch im vorpommerschen Torgelow (Landkreis Uecker-Randow). Dort besuchte er zusammen mit Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) das Panzerbataillon 413. Die Einheit wird derzeit auf einen Einsatz im Kosovo vorbereitet.

Struck hatte sich an einem Übungskontrollpunkt nach der Herkunft eines Mannes erkundigt, der einen kosovarischen Pkw-Fahrer imitierte. Als der Minister erfuhr, dass bei diesen Übungen grundsätzlich Soldaten als Darsteller in Erscheinung treten, regte er den Einsatz von Arbeitslosen als «Schauspieler» an. Soldaten würden mehr kosten, sagte er. Bei Massenszenen für das Truppentraining werden bis zu 400 Personen gebraucht.

Brigadegeneral Josef Niebecker begrüßte Strucks Vorschlag. Das würde den Menschen in der Region und den Soldaten helfen, sagte er. Niebecker ist Kommandeur der Panzergrenadierbrigade 41 «Vorpommern», dem das Bataillon untersteht. Die offizielle Arbeitslosenzahl in der vorpommerschen Region an der polnischen Grenze liegt derzeit bei rund 30 Prozent.

Montag 27. Juni 2005, 18:05 Uhr

Quelle: http://de.news.yahoo.com/


Ev. Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung der Kriegsdienstverweigerer (EAK)
Wachmannstr. 65
28209 Bremen


Bundesminister der Verteidigung
Herrn Peter Struck
Stauffenbergstraße 18
10785 Berlin

21. Juli 2005

Arbeitslose als „Darsteller“ bei Truppenübungen

dpa-Meldung und diverse Presseberichte anlässlich Truppenbesuch am 27.6.05 in Torgelow

Sehr geehrter Herr Bundesminister,

empört und verwundert haben wir Pressemeldungen gelesen, wonach Sie vorgeschlagen haben, aufgrund personeller Engpässe bei der Bundeswehr anstelle von Soldaten künftig „Arbeitslose als Darsteller von Einheimischen im Einsatzland“ einzusetzen. Einer Instrumentalisierung arbeitsloser Menschen für militärische Zwecke widersprechen wir entschieden, zudem halten wir sie für unvereinbar mit dem Grundgesetz. Wir regen an, diese Idee aus folgenden Gründen nicht weiter zu verfolgen:
  1. Dieser „Einsatz“ von Arbeitslosen verstößt gegen die Menschenwürde. Selbst wenn er aufgrund finanzieller Anreize und auf vorgeblich freiwilliger Basis geschehen sollte, nutzt er bei näherem Hinsehen doch eine persönliche Notlage von Menschen aus.
  2. Der „Einsatz von Arbeitslosen als Darsteller von Einheimischen“ wirft die Frage auf, ob damit eine neue Form zivil – militärischer Verquickung geschaffen werden soll? Dies kann und darf nicht zulässig sein, weil es die vom Grundgesetz geforderte Unterscheidung zwischen zivilen und militärischen Aufgaben unterläuft.
  3. Des weiteren stellen sich uns Fragen nach Sinn, Zweck und Methode dieser Übung: Wenn der Sinn im Einüben von angemessenen soldatischen Verhaltensweisen im Gegenüber zu Soldaten und Zivilisten eines Einsatzlandes sein soll, dann müsste methodisch auch das entsprechende Empfinden der Menschen im Gegenüber bei der Auswertung der Übungen thematisiert werden. Die Artikulation von Empfindungen dürfte aber nur zwischen Menschen ergiebig sein, die auf gleicher ‚Augenhöhe’ mit ihren Konfliktpartner/ innen kommunizieren. Dies ist in der Regel bei Soldaten der Bundeswehr untereinander sicher sehr viel eher der Fall und wohl auch im Blick auf die militärische Verwertbarkeit von deren Aussagen nützlicher, als bei der „Vereinnahmung“ von Zivilisten als bloßen Übungsobjekten.
Wir gehen davon aus, dass unsere zivilgesellschaftlichen und demokratischen Bedenken auch durch die Erfahrungen der Truppe gestützt werden. Für eine Nachricht über die Entscheidung in dieser Angelegenheit danken wir Ihnen bereits im Voraus.

Mit freundlichen Grüßen
gez. Velten Wagner, Pfarrer
Mitglied des EAK – Bundesvorstands





Zurück zur Bundeswehr-Seite

Zurück zur Homepage