Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Solidarität mit Soldaten

Grünen-Fraktion veranstaltet Diskussionsrunde zum gesellschaftlichen Umgang mit »zivilen und militärischen Kräften«

Von Aert van Riel *

Zahlreiche Deutsche sind in Krisengebieten im Einsatz. Die Bundestagsfraktion der Grünen will nun eine Debatte darüber anstoßen, wie Soldaten und zivile Helfer nach ihrer Rückkehr »gewürdigt werden können«.

Der Sprecher des Bremer Friedensforums, Ekkehard Lentz, war nicht sonderlich begeistert, als er vor kurzem eine Einladung der Grünen-Bundestagsfraktion zu einem Fachgespräch erhielt. Unter dem Motto »Ohne Dank und Anerkennung?« wollen die Grünen nämlich darüber diskutieren, inwiefern es einer Würdigung für zivile und militärische Kräfte in Auslandseinsätzen nach deren Rückkehr bedarf. Allein an den Auslandseinsätzen der Bundeswehr nahmen in den letzten zwei Jahrzehnten mehr als 200 000 Soldaten teil. In ihrem Einladungstext verzichten die Grünen auf jegliche Kritik am Militär.

Friedensaktivist sagt ab

Kein Wort wird darüber verloren, dass Soldaten zu Tätern werden können, wenn sie andere Menschen verletzten oder töten. Stattdessen schreiben die Grünen, dass zivile und militärische Mitarbeiter »häufig extreme Erfahrungen machen, die nicht immer ohne Weiteres zu verarbeiten sind«. Deswegen bedeute ihre Rückkehr oft eine erhebliche Herausforderung.

Die Teilnahme an der Gesprächsrunde, die heute in den Räumlichkeiten des Deutschen Bundestags stattfinden soll, hat Lentz abgesagt. In seiner Erklärung erinnerte er daran, dass die Grünen vor Jahrzehnten noch die NATO und die Bundeswehr abschaffen wollten. »Heute propagieren Sie Kriege und Militärinterventionen und fordern weltweit den Einsatz von Bundeswehr und der NATO«, so Lentz. Gleichzeitig wollten die Grünen jetzt darüber sprechen, »wie denn die Rückkehrer versorgt werden können, die aus den Kriegen wieder kommen, sicherlich zum Teil von schrecklichen Erlebnissen traumatisiert«. Der Friedensaktivist will sich dafür einsetzen, dass Kriege und der Einsatz der Bundeswehr von vornherein ausgeschlossen werden. Dann würde sich auch die Rückkehrerfrage in der Form gar nicht erst stellen.

Obwohl die Grünen inzwischen mehrheitlich dem Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan skeptisch gegenüberstehen und einen baldigen Truppenabzug befürworten, schließen sie weitere mögliche Kriegseinsätze in der Zukunft nicht aus. »Es gibt Situationen, in denen gewaltsames militärisches Eingreifen notwendig ist, um Menschen vor schweren Gräueltaten oder Tod zu schützen«, heißt es in ihrem aktuellen Wahlprogrammentwurf.

Mit einer gesellschaftlichen Würdigung der Soldaten soll offenbar die Popularität von Militärangehörigen und Auslandseinsätzen der Bundeswehr in der eigenen Bevölkerung gesteigert werden. Denn Umfragen belegen immer wieder, dass die meisten Bundesbürger ein Engagement deutscher Soldaten in Kriegsregionen ablehnen. Eine Bundestagsinitiative ist hierzu derzeit allerdings nicht geplant, heißt es aus Fraktionskreisen der Grünen. Der Verteidigungspolitiker Omid Nouripour, der bei der Veranstaltung als Moderator auftreten wird, vertritt die Auffassung, dass eine Würdigung, beispielsweise durch die Einführung eines Veteranentages, nicht von oben verordnet werden sollte, wie es Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) vorschwebt. Einen solchen Tag müssten nach Meinung von Nouripour die betroffenen Verbände organisieren. Die »Würdigung der Verdienste früherer Soldaten« hält Nouripour für legitim. Doch dies müsse »für alle gelten, die im Ausland Dienst tun«, also auch zum Beispiel für Polizisten oder Entwicklungshelfer.

»Kultur der Anerkennung«

Vertreter dieser Gruppen nehmen als Gäste am heutigen Fachgespräch der Grünen teil. Der prominenteste Soldat vor Ort dürfte der Bundesvorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbands, Ulrich Kirsch, sein. Er wird sich zur »Kultur der Anerkennung« äußern. Was er darunter versteht, machte der Oberst bereits im Sommer vergangenen Jahres deutlich. Damals begrüßte er die geplante Beförderung von Bundeswehroberst Georg Klein zum Brigadegeneral. »Es wird auch höchste Zeit. Da sowohl die strafrechtlichen als auch die disziplinarischen Ermittlungen ohne die Feststellung eines Dienstvergehens eingestellt worden sind, ist das eine ganz normale Beförderung«, meinte Kirsch. Klein hatte im September 2009 die Bombardierung zweier Tanklastzüge in der Nähe von Kundus veranlasst, bei der mehr als 100 Menschen ums Leben kamen oder verletzt wurden, darunter viele Zivilisten.

* Aus: neues deutschland, Montag, 18. Februar 2013


Zurück zur Bundeswehr-Seite

Zur Parteien-Seite

Zurück zur Homepage