Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Auf Biegen oder Abbrechen

Airbus bereitet Tests für Militärtransporter A400M vor – und droht mit Bauchlandung

Von Hendrik Lasch, Dresden *

Der Militärtransporter A400M reist derzeit in mehreren Teilen nach Dresden. Dort sollen ab September Belastungstests durchgeführt werden – wenn Airbus nicht, wie jetzt angedroht, aus dem Vorhaben aussteigt.

Geht es um den A400M, dauert es immer länger als geplant. Gestern Vormittag sollte auf dem Flughafen Dresden die Cockpit-Sektion eines der Militärtransporter aus einem Großraum-Frachter vom Typ »Beluga« geladen werden. Es ist die erste und kleinste von drei großen Komponenten, die dann in einer Halle der Firma IABG direkt neben dem Rollfeld zusammengefügt und später über Monate hinweg einem Belastungstest unterzogen werden.

Drei Jahre zu spät

Bis gestern jedoch die dunkelgraue Nase des A400M aus der geöffneten Stirnluke der »Beluga« endlich auf die eigens errichtete Laderampe gezogen und per Kran auf Tieflader gesetzt war, vergingen viele Stunden: Erst am Nachmittag setzte sich der Konvoi zum IABG-Gelände in Bewegung. Derlei Verzögerungen sind symptomatisch für das gesamte Projekt: Das europäische Rüstungsvorhaben hinkt bereits drei Jahre hinter dem ursprünglichen Zeitplan her. Außerdem wird es immer teurer. Derzeit wird mit Mehrkosten von 5,3 Milliarden Euro gerechnet.

Weil die einst auf 20 Milliarden Euro bezifferten Kosten derart aus dem Ruder laufen, ist fraglich, ob der Militärflieger in Dresden tatsächlich wie geplant getestet wird. Zwar wird heute ebenfalls mit einer »Beluga« ein Rumpf aus Bremen gebracht. Eigentlich soll Mitte Februar dann eine Flügel-Sektion folgen, die in Spanien gefertigt und auf dem Wasserweg über die Elbe angeliefert werden soll. Zusammen mit kleineren Teilen würde daraus dann in der Halle der IABG ein Flugzeugtorso montiert werden, der mit hydraulischen »Lastgeschirren« gebogen und gedrückt wird. In knapp zwei Jahren werden auf diese Weise die Belastungen von 25 000 Flügen simuliert.

Womöglich aber zerbricht noch vor Versuchsbeginn das gesamte Vorhaben. Im Streit um eine geforderte teilweise Übernahme der Mehrkosten mit den Bestellerländern hat Hersteller Airbus gestern ein Ultimatum verkündet. Bis Ende Januar müsse eine Lösung gefunden sein, bestätigte Sprecher Tore Prang: »Wir können nicht mehr länger warten.« Zuvor waren Äußerungen von Airbus-Chef Thomas Enders in der »Financial Times Deutschland« bekannt geworden, denen zufolge der Konzern bereits den Ausstieg aus dem Vorhaben vorbereite. Enders ist demnach skeptisch, was eine Einigung mit den sieben beteiligten Regierungen anbelange. Angeblich würden sogar bereits neue Jobs für beteiligte Mitarbeiter gesucht.

Solche Meldungen bezeichneten die Airbus-Vertreter in Dresden als »Spekulationen«. Sie wiesen auch darauf hin, dass es ein »Stillhalte-Abkommen« gebe, wonach bis zu einer definitiven Entscheidung wie geplant weitergearbeitet wird. Parallelen zu dem Belastungstest in Dresden indes sind unübersehbar: Airbus macht mächtig Druck, und dem europäischen Prestigevorhaben droht damit bereits kurz nach dem im Dezember in Sevilla absolvierten Jungfernflug die Bruchlandung – deren Ursache quasi ein Ermüdungsbruch wäre.

Allerdings: Dass die Besteller eine derartige Pleite tatsächlich riskieren, ist wenig wahrscheinlich. Zum einen sei die Indienststellung des A400M »ohne Alternative«, betont Airbus-Mann Prang und preist die hervorragende Eignung für militärische Einsätze in Krisenregionen überall auf der Welt ebenso wie bei humanitären Einsätzen. Genannt werden große Reichweite und Ladekapazität, aber auch die Fähigkeit, auf kurzen, schlechten Pisten zu landen. »Wenn wir den A400M in Europa jetzt nicht bauen«, sagt Prang, »gibt es in den nächsten zehn Jahren kein Flugzeug, das das alles kann.«

Außerdem wird, wie üblich bei derartigen Projekten, mit der Zahl der Arbeitsplätze gedroht, die gegebenenfalls verloren gingen. Auf Deutschland entfällt rund ein Drittel des Produktionsvolumens. Von 11 000 Stellen bei 40 Unternehmen in der Bundesrepublik spricht Airbus, die meisten davon in Nord- und in Südwestdeutschland. Im Osten sind je zwei Firmen in Brandenburg sowie Mecklenburg-Vorpommern, eine in Thüringen und drei in Sachsen beteiligt.

Eines ist die Industrieanlagen-Beteiligungsgesellschaft IABG, die seit zehn Jahren in Dresden ansässig ist, mehrere Belastungstests für zivile Airbus-Flugzeuge durchführte und bei der nach Beginn der regulären Dauertests etwa zehn Mitarbeiter damit beschäftigt sein sollen, das Material des Fliegers zu prüfen. Vor allem die aus Aluminium, Titan und anderen Metallen hergestellten Teile müssten in dem Test ihre Festigkeit beweisen, sagt Projektleiter Sven Berssin. Abgeschlossen sein soll dieser im Jahr 2012, wenn auch die ersten Maschinen ausgeliefert werden sollen.

Test für 40 Jahre

Parallel dazu findet in Sevilla ein großer Statik-Test statt. Dort werden Kohlefaser-Materialien, aus denen etwa große Teile der Flügel sowie die Frachtluke hergestellt sind, getestet; zudem wird untersucht, wie sich das Flugzeug bei Maximalbelastungen etwa durch starke Böen verhält. Mit dem Test in Dresden werden derweil Belastungen simuliert, die der A400M in rund 75 000 Flugstunden aushalten müsste. Das entspreche etwa einer Lebensdauer von 40 Jahren, sagt Berssin. So lange könnte ein A400M halten – wenn er denn überhaupt je in Serie geht.

* Aus: Neues Deutschland, 6. Januar 2010


Politischer Bruchtest

Von René Heilig **

Irgendetwas läuft nicht gut bei EADS. Während man die Medien nach Dresden einlädt, um dort über bevorstehende Bruchtests und damit scheinbar über Fortschritte beim Bau des Militär-Transporters A400M zu berichten, redet man bei der für Konstruktion und Bau zuständigen Airbus-Tochter – geradezu beleidigt – über mangelnde staatliche Unterstützung und einen so zu begründenden Stopp des ganzen Programms.

Am 27. Mai 2003 war der Vertrag zum Bau der A400M unterzeichnet worden. Wie es sich gehört, hatten Anbieter und Käufer alles Notwendige zwischen Ware und Preis vereinbart. Doch Airbus hatte mehr versprochen, als der Konzern halten konnte. Erst im Dezember vergangenen Jahres – über drei Jahre verspätet – konnte sich der Vogel in die Lüfte erheben. Ohne dass die vereinbarten Leistungen auch nur ansatzweise erreicht wurden.

Was soll's, denkt man sich bei EADS. Drücken wir die Mehrkosten eben den Bestellern aufs Auge. Mag der Steuerzahler löhnen. Später und schlechter liefern – mehr kassieren! So hat man es immer gehalten: beim Starfighter, beim Tornado, beim Eurofighter. Auch die Einführung des NH 90-Hubschraubers läuft so. Im Heer klemmt's beim »Puma«, bei der Marine gibt es Probleme mit den 130er Korvetten und den 124er Fregatten. Bislang hat die Erpressertour immer funktioniert Schließlich ist die Regierung abhängig von ihren Waffenlieferanten – im globalen Interesse.

** Aus: Neues Deutschland, 6. Januar 2010 (Kommentar)

Lesen Sie auch:
Airbus-Militärtransporter A400M absolviert verspäteten Jungfernflug
Die Kosten hoben schon vorher ab - Berichte über den milliardenschweren Flieger und ein Interview mit Lühr Henken (12. Dezember 2009)


Zurück zur Bundeswehr-Seite

Zur Seite "Rüstung, Aufrüstung, Rüstungsexport"

Zurück zur Homepage