Bundeswehr kämpft mit sich selbst
Afghanistan: Immer wieder Mängel bei Ausbildung und Ausrüstung
Von René Heilig *
»Resolution Support« heißt die von
der NATO dominierte Mission, die der
ISAF in Afghanistan folgen soll. Der
Codename bedeutet so viel wie entschlossene
Unterstützung. Davon
kann die Bundeswehr schon jetzt eine
Menge selbst gebrauchen.
Zitat Verteidigungsministerium:
»Am 6. August kam es um 7.10 Uhr
mitteleuropäischer Sommerzeit im
Feldlager Masar-i Scharif zu einer
ungewollten Schussabgabe ... Dabei
lösten sich drei Schuss aus einer
Maschinenpistole MP 7.«
Sollte nicht sein, aber kann ja
mal passieren. Mal – doch derartige
Meldungen häufen sich. Am 25.
Juli kam es in Masar-i Scharif
durch die falsche Handhabung einer
P8-Pistole ebenfalls zu einer
ungewollten Schussabgabe. Auch
am 23. Juli, am 10. Juni und am
13. April. Am 16. Juni war ein Soldat
zur Abwechslung mit einem G36-Sturmgewehr unachtsam. Am
selben Tag löste sich wieder ein
Schuss aus einer P8. Am 9. Juni
ballerte ungewollt ein Heck-MG eines deutschen Transportpanzers
in einem US-Camp los, am 15. April
das Turm-MG eines »Marder«, am 13. März 2012 ein Sturmgewehr ...
Die Bilanz solcher Vorkommnisse
könnte schlimmer sein. Nach
einer unvollständigen Übersicht
wurden bislang mindestens 15
deutsche Afghanistankämpfer
durch »ungewollte Schussabgaben
« getötet oder verletzt. Insgesamt
kamen 54 Bundeswehrsoldaten
in Afghanistan ums Leben,
davon 35 durch sogenannte
Feindeinwirkung.
Doch nicht nur die Ausbildung
der Soldaten scheint mangelhaft.
Auch bei der Ausrüstung gibt es
Probleme. Zitat Verteidigungsministerium:
»Am 5. August kam es
um 15.15 Uhr mitteleuropäischer
Sommerzeit auf dem Flugplatz
Masar-i Scharif zu einem Zwischenfall
mit einem deutschen
Hubschrauber vom Typ NH-90.«
Kurzfassung: Das rechte Hauptfahrwerk
knickte weg.
Der NH-90-Hubschrauber von
der EADS-Tochter Eurocopter ist
ein typisches Rüstungsprojekt:
Mehr Schein als Sein! Insgesamt
14 Nationen hatten Bestellungen
für Land- und Marineversionen
abgegeben, denn der Typ galt als
das Nonplusultra der Drehflügler-
Fliegerei. Ab 2004 sollte geliefert
werden. Doch wie beim Transportflugzeug
A400M (das gerade wieder Zulassungsprobleme hat)
und beim Kampfhubschrauber
»Tiger« verzögert sich die Auslieferung.
2010 kamen die ersten aus
den Produktionshallen. Statt der
ursprünglich bestellten 122 NH-90
will das reformorientierte Verteidigungsministerium
nun nur noch 82 Stück. Ohne dass dadurch die
Kosten adäquat sinken. Für die
NH-90 und die »Tiger« – insgesamt
139 Maschinen sowie 18 Marinemaschinen
– sank der Preis von 8,3
Milliarden Euro auf 8,1 Milliarden.
In Afghanistan warteten die
deutschen Soldaten dennoch seit
langem auf die Technik, denn die
USA wollen abzugsbedingt ihre
Rettungsflugzeuge nicht weiter im
deutschen Verantwortungsbereich
belassen. Inzwischen sind vier
deutsche NH-90 als sogenannte
Forward Air MedEvac im Afghanistaneinsatz.
Das heißt, sie waren.
Denn so lange der General
Flugsicherheit die Untersuchungen
zu den Unfallursachen nicht beendet
hat, bleiben sie am Boden.
Das mussten sie bereits während
des jüngsten Hochwassers an
Donau und Elbe. Der Haken zum
Schleppen von Sandsäcken klinkte
seine Last aus, wann und wo er
wollte. Schon während der Erprobung
der Vorserienmaschinen
hatte eine Expertentruppe der
Luftlande- und Lufttransportschule
eine schier endlose Mängelliste
aufgestellt und empfohlen: »Wann
immer möglich, sind alternative
Luftfahrzeuge zur Verbringung
von Infanteriekräften zu nutzen.«
Entsprechend spöttisch empfing
man die Hightech-Neuankömmlinge
in Afghanistan. »Die
Mama macht das schon«, hatten
Besatzungen dieser »Alternativen«
auf eine Karikatur geschrieben.
Mama, das ist ein altgedienter CH-
53-Bundeswehrhelikopter. Sie
hielt die »Kinder«, NH-90 und
»Tiger«, schützend unter ihren
Armen.
* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 8. August 2013
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